Aktuelles
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BAG: Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen
Laut Pressemitteilung vom 05.12.2024 (Nr. 34/24) hat das BAG mit Urteil vom selben Tag (Az.: 8 AZR 370/20) entschieden, dass eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte behandelt. Sie verstoße damit gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (§ 4 Abs. 1 TzBfG), wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Fehlen solche sachlichen Gründe, liege regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind.
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BAG: Tarifvertragliche Inflationsausgleichsprämie - (unwirksamer) Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase ihrer Altersteilzeit
Laut Pressemitteilung vom 12.11.2024 (Nr. 29/24) hat das BAG mit Urteil vom 12.11.2024 (Az.: 9 AZR 71/24) entschieden, dass der im Tarifvertrag für energie- und wasserwirtschaftliche Unternehmungen geregelte Ausschluss von Arbeitnehmern, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, vom Bezug einer Inflationsausgleichsprämie, unwirksam ist.
Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit durch § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten lasse sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten. Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen steht der Annahme entgegen, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handelt. Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue sind keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Von einer zukünftigen Betriebstreue haben die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht abhängig gemacht. Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, seien nicht erkennbar.
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BAG: Außertariflicher Angestellter - (kleiner) Vergütungsabstand zur höchsten tariflichen Vergütung
Laut Pressemitteilung (Nr. 27/24) hat das BAG mit Urteil vom 23.10.2024 (Az.: 5 AZR 82/24) entschieden, dass dann, wenn die Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten definieren, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppeüberschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes – auch nur geringfügige – Überschreiten genügt.
Das BAG stellt fest, dass der Status als außertariflicher Angestellter einen arbeitsvertraglichen Anspruch (nur) auf eine Vergütung begründe, die einen tarifvertraglich vorgeschriebenen Abstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahre. Mangels abweichender Festlegungen der Tarifvertragsparteien genüge nach dem eindeutigen Tarifwortlaut jedes – und damit auch ein geringfügiges – Überschreiten des höchsten tariflichen Entgelts. Angesichts dessen verbietet sich eine ergänzende Tarifauslegung wie sie dem Kläger vorschwebt. Wollen die Tarifvertragsparteien einen bestimmten prozentualen Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Beschäftigter, müssen sie eine entsprechende tarifliche Abstandsklausel hinreichend klar und deutlich in den Tarifvertrag aufnehmen.
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BAG: Überlassungshöchstdauer bei Arbeitnehmerüberlassung; Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH
Laut Pressemitteilung Nr. 25/24 hat das BAG mit Beschluss vom 01.10.2024 (Az.: 9 AZR 264/23 (A) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, um zu klären, wie die in § 1 Abs. 1b Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelte Überlassungshöchstdauer unionsrechtskonform zu berechnen ist, wenn auf Entleiherseite ein Betriebsübergang stattgefunden hat. § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG bestimmt, dass der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate „demselben Entleiher“ überlassen darf, wobei durch oder aufgrund Tarifvertrags der Einsatzbranche gemäß § 1 Abs. 1b AÜG eine vom Gesetz abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden kann. Das BAG hält es für klärungsbedürftig, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen bei der Berechnung der Überlassungsdauer im Fall eines Betriebsübergangs Veräußerer und Erwerber als ein „entleihendes Unternehmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie anzusehen sind. Davon hängt es ab, ob das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten 18 Monate nach der Überlassung des Klägers zum 16. Dezember 2018 oder erst 18 Monate nach dem Betriebsteilübergang zum 1. Januar 2020 zustande gekommen ist.
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BAG: Feiertagszuschläge - Maßgeblichkeit des regelmäßigen Beschäftigungsorts
Laut Pressemitteilung vom 01.08.2024 (Nr. 20/24) hat das BAG mit Urteil vom 01. August (Az.: 6 AZR 38/24) entschieden, dass für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, sich der Anspruch auf Feiertagszuschläge danach richtet, ob am regelmäßigen Beschäftigungsort ein gesetzlicher Feiertag ist.
Der Kläger, dessen regelmäßiger Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen liegt, nahm auf Anordnung seines Arbeitgebers vom 1. bis 5. November 2021 an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teil. Das auf den 1. November fallende Hochfest Allerheiligen ist zwar nach dem Feiertagsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen gesetzlicher Feiertag, nicht jedoch nach den für das Bundesland Hessen geltenden landesrechtlichen Bestimmungen. Vor diesem Hintergrund stritten die Parteien darüber, ob dem Kläger gleichwohl für die am 1. November 2021 von ihm in Hessen unstreitig erbrachte Arbeitsleistung Feiertagszuschläge zustehen. Nachdem die Vorinstanzen unterschiedlich entschieden hatten, hatte der Kläger nun vor dem BAG Erfolg, d.h. diesem stehen die begehrten Feiertagszuschläge zu, da sein regelmäßiger Beschäftigungsort im Streitfall in Nordrhein-Westfalen lag.
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BVerfG bestätigt BAG-Entscheidung, nach der der Mindestlohn auch bei Mitarbeitern im Yoga-Zentrum zu beachten ist
Nachdem bereits das BAG festgestellt hatte, dass ein bundesweit tätiges Yoga- und Meditationszentrum an Mitarbeitende den Mindestlohn zahlen muss, ist das Ashram mit seinen Verfassungsbeschwerden beim BVerfG gescheitert. Es ging um die Mitglieder, die für eine bestimmte Zeit verpflichtet sind, nach Weisung in den Vereinseinrichtungen zu arbeiten beziehungsweise Yogaunterricht zu geben oder Seminare zu leiten und als "Gegenleistung" lediglich freie Kost und Logis, ein Taschengeld und eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung erhalten. Das BVerfG nahm die gegen die BAG-Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an (Beschlüsse vom 02.07.2024 – 1 BvR 2244/23 und 1 BvR 2231/23) und konnte dabei offen lassen, ob das Yoga- und Meditationszentrum überhaupt eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes sei. Jedenfalls sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die geleisteten Dienste der Aufrechterhaltung des Beherbergungs- und Seminarbetriebs des Vereins und des Vertriebs von Yoga-Produkten, um deren arbeitsrechtliche Beurteilung es hier gehe, für sich genommen religiös geprägt waren.
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BAG: ... und weiter geht es im PingPong zwischen BAG und EuGH zum Thema "Massenentlassung"
Laut Pressemitteilung vom 23.5. (Nr. 13/24) hat der 6. Senat des BAG eine ergänzende Vorlage zum Thema "Massenentlassung - Rechtsfolgen von Fehlern im Anzeigeverfahren" an den EuGH gesandt. Es geht im Ausgangsfall um die Wirksamkeit einer Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung. Entscheidungserheblich ist, ob diese bei der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß angezeigt wurde. In Ergänzung zu vorherigen Vorlagen wurde der EuGH um die Auslegung des Unionsrechts ua. dazu ersucht, ob der Zweck der Massenentlassungsanzeige erfüllt ist, wenn die Agentur für Arbeit eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich damit als ausreichend informiert betrachtet (BAG, Beschluss vom 23. Mai 2024 – 6 AZR 152/22 (A)).
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BAG: Betriebsratswahl - Weniger Kandidaten als Betriebsratssitze
Laut Pressemitteilung Nr. 11/24 hat das BAG mit Beschluss vom 24.04.2024 (Az.: 5 TaBV 7/22) in einem Fall aus Hamburg entschieden, dass dann, wenn sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz bewerben als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, ein „kleinerer“ Betriebsrat errichtet werden kann. Das BAG ist - wie zuvor bereits das LAG Hamburg - davon ausgegangen, dass es der Wahl eines Betriebsrats nicht entgegenstehe, wenn sich nicht genügend Bewerber für das Betriebsratsamt finden. Das folge vor allem aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgedrückten Willen des Gesetzgebers, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden. Bei der Betriebsratsgröße sei in der Konstellation von weniger Kandidaten als zu besetzenden Betriebsratssitzen auf die (jeweils) nächstniedrigere Stufe des § 9 BetrVG so lange zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreiche.
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BAG: Entgeltfortzahlung aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion und behördlicher Absonderungsanordnung
Laut Pressemitteilung vom 20.03.2024 (Nr. 8/24) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom selben Tag (Az.: 5 AZR 234/23) entschieden, dass eine SARS-CoV-2-Infektion auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG darstellt, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt.
Das BAG ist mit der Vorinstanz der Ansicht, dass es nicht darauf ankam, ob bei dem Arbeitnehmer durchgehend Symptome von COVID-19 vorlagen. Die SARS-CoV-2-Infektion stelle einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Die Absonderungsanordnung sei keine eigenständige, parallele Ursache für Arbeitsunfähigkeit, vielmehr beruhe das daraus resultierende Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion (Monokausalität).
Ohne Rechtsfehler habe das LAG des Weiteren auch angenommen, es könne nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das Unterlassen der empfohlenen Corona-Schutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion ursächlich war. Das Berufungsgericht hat hierbei zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Nichtvornahme der Schutzimpfungen einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten darstellte (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG).
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BAG: Betriebsverfassungsrechtler Schulungsanspruch auch in Präsenz statt Online?!
Laut Pressemitteilung Nr. 5/24 vom 07.02.2024 hat das BAG mit Beschluss vom selben Tag (Az.: 7 ABR 8/23) entschieden, dass ein betriebsverfassungsrechtlicher Schulungsanspruch auch dann einschließlich Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar erfasst sein kann, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet.
Der Betriebsrat - bzw. im entschiedenen Fall eine Personalvertretung - habe ebenso wie bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum auch bei der Frage zum Schulungsformat. Dem stehe nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.
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LAG Düsseldorf: Betriebsschließung - Massenentlassung und Sozialauswahl (bei Abwicklungsarbeiten)
Laut Pressemitteilung Nr. 2/2024 hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 09.01.2024 (Az.: 3 Sa 529/23) entschieden, dass bei einer etappenweisen Betriebsstillegung der Arbeitgeber keine freie Auswahl habe, wem er früher oder später kündigt. Es seien grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Die Beklagte habe hier die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet habe. So habe sie diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen.
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BAG: Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Laut Pressemitteilung Nr. 45/23 hat das BAG mit Urteil vom 13.12.2023 (Az.: 5 AZR 137/23) entschieden, dass der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sein könne, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlege, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnehme. Das BAG weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass für die Erschütterung des Beweiswerts der Bescheinigungen nicht entscheidend sei, ob es sich um eine Kündigung des Arbeitnehmers oder eine Kündigung des Arbeitgebers handelt und ob für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit eine oder mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren ggf. seinen Arzt als Beweis für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit anbieten und diesen von der Schweigepflicht entbinden sollte.
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BAG: Abrufarbeit - Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
Laut Pressemitteilung vom 18.10.2023 (Nr.: 42/23) hat das BAG mit Urteil vom selben Tage (Az.: 5 AZR 22/23) entschieden, dass in dem Fall, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf vereinbart haben, aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festlegen, grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart gilt. Eine Abweichung davon könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht sei und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt. Im konkreten Fall genügte dem BAG das Abrufverhalten des Arbeitgebers nicht aus. Ebenso wenig rechtfertige allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschuldet zu arbeiten, die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden.
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BAG: Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei betriebsbedingter Kündigung in der Insolvenz
Laut Pressemitteilung vom 17.08.2023 (Nr. 32/23) hat das BAG mit Urteil vom 17.08.2023 (Az.: 6 AZR 56/23) entschieden, dass eine Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei betriebsbedingter Kündigung in der Insolvenz besteht. Dazu hat es ausgeführt, dass dann, wenn eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG geplant sei und der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat darüber einen Interessenausgleich mit Namensliste schließt, nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO vermutet wird, dass die Kündigung des in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Wichtig sei (nur), dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs sich die Betriebsänderung noch in der Planungsphase befinden müsse, damit dem Betriebsrat entsprechend dem Zweck des § 111 BetrVG eine Einflussnahme auf die unternehmerische Entscheidung möglich ist. In der Praxis führt dies dazu, dass betriebsbedingte Kündigungen für ArbeitnehmerInnen deutlich schwerer angreifbar sind, wenn es eine Namensliste gibt, worauf der/die einzelne leider keinen Einfluss hat, sondern "nur" der Betriebsrat. Nichts desto trotz scheitern auch in diesen Fällen viele Kündigungen insbesondere an Formalien, die es sorgfältig zu prüfen gilt.
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BAG: offene Videoüberwachung - (kein) Verwertungsverbot
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 31/23 mit Urteil vom 29.06.2023 (Az.: 8 Sa 1149/20) entschieden, dass in einem Kündigungsschutzprozess grundsätzlich kein Verwertungsverbot in Bezug auf solche Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung bestehen würden, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen. Das gelte auch dann, wenn die Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts stehe. Diese Entscheidung konzentriert sich laut Pressemitteilung darauf, dass die Datenerhebung wie hier offen erfolgt sei und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede stehe. Das BAG konnte offenlassen, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt, wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das war vorliegend nicht der Fall.
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BAG: Keine Erstattung einer Personalvermittlungsprovision durch den Arbeitnehmer
Laut Pressemitteilung vom 20.06.2023 (Nr. 29/23) hat das BAG mit Urteil vom selben Tag (Az.: 4 Sa 3/22) entschieden, dass eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags an einen Dritten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Laut BAG benachteiligt die genannte Regelung in § 13 des Arbeitsvertrags – bei der es sich um eine kontrollfähige Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelte – den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Kläger werde hierdurch in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt wäre. Der Arbeitgeber habe grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beende. Es bestehe deshalb kein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers, solche Kosten auf den Kläger zu übertragen. Der Kläger erhalte auch keinen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahlfreiheit ausgleichen könnte.
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BAG: Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung - Pfändungsfreibetrag
Laut Pressemitteilung Nr. 26/23 hat das BAG mit Urteil vom 31.5.2023 entschieden, dass die vereinbarte Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung regelmäßig eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit ein Sachbezug iSv. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO sei. Der Wert dieses Sachbezugs belaufe sich grundsätzlich auf 1 % des Listenpreises des PKW zzgl. Sonderausstattungen und Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Erstzulassung. Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO dürfe dieser Wert allerdings nicht die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts übersteigen. Der unpfändbare Betrag des Entgelts müsse dem Arbeitnehmer (immer) in Geld ausgezahlt werden. Zur Ermittlung des pfändbaren Teils des Einkommens seien Geld- und Sachleistungen nach den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften zusammenzurechnen. Nicht einbezogen werde dabei der steuerlich zu berücksichtigende geldwerte Vorteil für die Nutzung des PKW auf dem Weg von der Wohnung zum Betrieb in Höhe von monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer (sog. 0,03 %-Regelung).
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BAG: Profifußballer - pandemiebedingter Saisonabbruch - keine Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags aufgrund einer einsatzabhängigen Verlängerungsklausel
Nicht nur, aber jedenfalls auch für (Profifußball-)Sportinteressierte hat das BAG laut Pressemitteilung vom 24.05.2023 (Nr. 24/23) die interessante Aussage getroffen, dass in Arbeitsverträgen mit Profifußballern Vertragsklauseln geläufig seien, nach denen sich der für eine Spielzeit befristete Arbeitsvertrag um eine weitere Spielzeit verlängere, wenn der Vertragsspieler auf eine bestimmte (Mindest-)Anzahl von Spieleinsätzen komme. Eine solche einsatzabhängige Verlängerungsklausel sei nicht dahin ergänzend auszulegen oder anzupassen, dass im Hinblick auf das pandemiebedingte vorzeitige Ende der Spielzeit 2019/2020 in der Fußball-Regionalliga Südwest der Vertrag sich bei weniger als den festgelegten Einsätzen verlängere. Dabei kam es für die Entscheidung des BAG nicht darauf an, ob die einsatzgebundene Verlängerungsklausel wirksam ist (BAG, Urteil vom 24.5.2023 – Az.: 7 AZR 169/22).
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BAG: Arbeitnehmerstatus eines Vereinsmitglieds im Yoga-Ashram
Laut Pressemitteilung vom 25.04.2023 (Nr. 20/23) hat sich das BAG mit Urteil vom 25.04.2023 (9 AZR 253/22) mit der Frage befasst, ob auch Mitglieder einer "Yoga-Gemeinschaft" einen Anspruch auf Mindestlohn haben, wenn sie zu weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sind. Dies hat das BAG bejaht und entschieden, dass das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nur von einem Verein in Anspruch genommen werden könne, der ein hinreichendes Maß an religiöser Systembildung und Weltdeutung aufweist. Dies hat das BAG für die beklagte Gemeinschaft verneint und sie wie einen "normalen" Arbeitgeber behandelt.
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BAG: Kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot bei Kündigung einer nicht gegen das Coronavirus geimpften medizinischen Fachangestellten
Laut Pressemitteilung vom 30.03.2023 (Nr. 18/23) hat das BAG mit Urteil vom 30.3.2023 (Az.: 2 AZR 309/22) entschieden, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt. Da das Arbeitsverhältnis (noch) nicht dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterlag, war nicht zu prüfen, ob ein Kündigungsgrund i.S.d. KSchG vorlag. Das BAG hatte (nur) festzustellen, dass es an der für § 612 a BGB erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers fehle. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung der Klägerin, sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal.
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BAG: Fristlose Kündigung und Annahmeverzug
Laut Pressemitteilung vom 29.03.2023 (Nr. 17/23) hat das BAG mit Urteil vom 29.3.2023 (Az.: 5 AZR 255/22) entschieden, dass sich ein Arbeitgeber widersprüchlich verhält, wenn er das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer „zur Vermeidung von Annahmeverzug“ die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses anbietet. In einem solchen Fall spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass das Beschäftigungsangebot nicht ernst gemeint sei. Diese Vermutung könne (nur) durch die Begründung der Kündigung zur Gewissheit oder durch entsprechende Darlegungen des Arbeitgebers entkräftet werden.
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Neue Adresse ab April 2023
Ab Anfang April erreichen Sie mich/uns unter unserer neuen Kanzleianschrift in der Friedensallee 23.
Neben der Hausnummer hat sich nur noch die PLZ geändert und ist nun 22765.
Die übrigen Kontaktdaten, insbesondere Email- und Telefondaten sind unverändert.
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BAG: Entgeltgleichheit von Männern und Frauen
Laut Pressemitteilung vom 16.02.2023 (Nr. 10/23) hat das BAG mit Urteil vom selben Tag (Az.: 8 AZR 450/21) entschieden, dass eine Frau Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit hat, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahle. Nachdem die Vorinstanzen die Klage noch abgewiesen hatten, hat das BAG der Klage stattgegeben und dabei darauf hingewiesen, dass das Argument des Arbeitgebers nicht ziehe, dass der männliche Kollege ein höheres Entgelt gefordert habe und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgegeben hätte. Der Anspruch ergibt sich nach Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG. Gleichzeitig wurde der Arbeitgeber auch noch verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts iHv. 2.000,00 Euro zu zahlen.
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BAG: Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen
Laut Pressemitteilung vom 31.01.2023 (Nr. 5/23) hat das BAG mit Urteil vom selben Tage (Az.: 9 AZR 456/20) entschieden, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, grds. der Verjährung unterliegt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018 und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen. Der Senat hatte bereits am 20.12. (- 9 AZR 266/20 – Pressemitteilung Nr. 48/22) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginne, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert habe, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Habe der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, könne der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Es kommt daher für die Verjährung ganz entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten gerecht geworden ist und das Beschäftigungsverhältnis noch besteht.
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BAG: Lohngleichheit (auch) bei Teilzeitbeschäftigung
Laut Pressemitteilung vom 18.01.2023 (3/23) hat das BAG mit Urteil vom selben Tag (Az.: 5 AZR 108/22) entschieden, dass geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten dürfen als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.
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BAG: (keine) Verjährung von Urlaubsansprüchen
Laut Pressemitteilung vom 20.12.2022 (Nr.48/22) hat das BAG mit Urteil vom 20.12.2022 (Az.: 9 AZR 266/20) entschieden, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub zwar der gesetzlichen Verjährung unterliege. Allerdings beginne die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.
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BAG: Berücksichtigung der Rentennähe bei der sozialen Auswahl (möglich)
Laut Pressemitteilung Nr. 46/22 vom 08.12.2022 hat das BAG mit Urteil vom selben Tag (Az.: 6 AZR 31/22) entschieden, dass bei einer betriebsbedingten Kündigung die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers anhand der in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO genannten Kriterien zu erfolgen habe. Bei der Gewichtung des Lebensalters könne hierbei zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, dass er bereits eine (vorgezogene) Rente wegen Alters abschlagsfrei beziehe. Das Gleiche gelte, wenn der Arbeitnehmer rentennah ist, weil er eine solche abschlagsfreie Rente oder die Regelaltersrente spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht genommenen Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen könne. Lediglich eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen dürfe insoweit nicht berücksichtigt werden.
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BAG: Versetzung (eines Piloten) ins Ausland (von Nürnberg nach Bologna)
Laut Pressemitteilung vom 30.11.2022 (45/22) hat das BAG mit Urteil vom selben Tag (Az.: 5 AZR 336/21) entschieden, dass ein Arbeitgeber aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer anweisen könne, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden sei. § 106 GewO begrenze das Weisungsrecht des Arbeitgebers insoweit nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliege nach dieser Bestimmung allerdings einer Billigkeitskontrolle. Die Besonderheit dieses Falles war sicherlich, dass es um Piloten ging, und der Arbeitgeber in Irland saß und der Pilot nunmehr von Nürnberg nach Bologna versetzt werden sollte, nachdem am Flughafen Nürnnerg keine Homebase mehr war.
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BAG: Mehrarbeitszuschläge nach dem Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit - Berücksichtigung von Urlaubsstunden
Laut Pressemitteilung Nr. 44/22 hat das BAG mit Urteil vom 16.11.2022 (Az.: 10 AZR 210/19) entschieden, dass für das Erreichen des Schwellenwertes, ab dem nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrags für die Zeitarbeit ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Mehrarbeitszuschläge besteht, nicht nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern auch genommene Urlaubsstunden zu berücksichtigen sind. Nachdem die Vorinstanzen die darauf gerichtete Klage noch abgewiesen hatten, hatte zunächst der EuGH (Urteil vom 13. Januar 2022 – C-514/20) und dem folgend nunmehr auch das BAG entschieden, dass die tarifliche Regelung des § 4.1.2 MTV bei gesetzeskonformer Auslegung so verstanden werden müsse, dass bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nicht nur tatsächlich geleistete Stunden, sondern auch Urlaubsstunden bei der Frage mitzählen, ob der Schwellenwert, ab dem solche Zuschläge zu zahlen sind, überschritten wurde. Anderenfalls wäre die Regelung geeignet, den Arbeitnehmer von der Inanspruchnahme seines gesetzlichen Mindesturlaubs abzuhalten, was mit § 1 BUrlG in seinem unionsrechtskonformen Verständnis nicht vereinbar wäre.
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BAG: Nachkündigungen des Kabinenpersonals von Air Berlin wirksam
Laut Pressemitteilung vom 08.11.2022 (42/22) hat das BAG mit Urteil vom 08.11.2022 (Az.: 6 AZR 15/22) entschieden, dass die Nachkündigungen des Kabinenpersonals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin vom 27. August 2020 grundsätzlich wirksam sind. Diese Entscheidung war notwendig geworden, da die ersten Kündigungen wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam waren. Massenentlassungen sind grundsätzlich sehr "störanfällig" auch im Hinblick auf die formal zu beachtenden Voraussetzungen. Im Rahmen einer weiteren Massenentlassung hatte der Arbeitgeber nach - nunmehr ordnungsgemäßen - Durchführung der erforderlichen Verfahren den verbliebenen Beschäftigten des Kabinenpersonals erneut gekündigt, und zwar nunmehr laut BAG wirksam.
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BAG: Fortbestand einer Schwerbehindertenvertretung auch bei Absinken der Anzahl der Schwerbehinderten
Laut Pressemitteilung vom 19.10.2022 (41/22) hat das BAG mit Beschluss vom 19.10.2022 (7 ABR 27/21) folgende Grundsätze festgestellt: Die Schwerbehindertenvertretung ist die Interessenvertretung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten. Sie wird nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ua. in Betrieben mit wenigstens fünf – nicht nur vorübergehend beschäftigten – schwerbehinderten Menschen für eine Amtszeit von regelmäßig vier Jahren gewählt. Sinke die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb unter den Schwellenwert von fünf, sei das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig beendet. Anders als die Vorinstanzen hat das BAG darauf abgestellt, dass eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorsieht, im Gesetz nicht bestehe. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit sei auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.
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BAG: überraschende Entscheidung zur Zeiterfassung
Laut Pressemitteilung vom 13.09.2022 (35/22) hat das BAG eine überraschende und in ihren Folgen noch nicht ganz absehbare Entscheidung zu elektronischen Zeiterfassung getroffen. In der Entscheidung ging es zwar "nur" um das - vom BAG verneinte - Initiativrecht des Betriebsrats. Begründet wurde dies vom BAG jedoch damit, dass der Arbeitgeber bereits nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet sei, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden könne. (BAG, Beschluss vom 13.09.2022; Az.: 1 ABR 22/21). Dazu soll der 1. Senat unter Vorsitz der BAG-Präsidentin ausgeführt haben, dass sich dies zwingend aus unionsrechtskonformer Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes ergeben würde. Diese Entscheidung könnte womöglich auch Einfluss auch auf die Geltendmachung und Durchsetzung von Überstunden haben.
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LAG Berlin-Brandenburg: Mindestlohn für Einsatz in der häuslichen Betreuung (24-Stunden-Pflege)
Das LAG Berlin-Brandenburg hat laut Pressemitteilung Nr. 22/22 vom 06.09.2002 der Klage einer im Rahmen einer „24-Stunden-Pflege zu Hause“ eingesetzten Arbeitnehmerin auf Zahlung zusätzlicher Vergütung im Wesentlichen stattgegeben (Az.: 21 Sa 1900/19). Das LAG ist dabei davon ausgegangen, dass die Betreuung der älteren, pflegebedürftigen Dame 24 Stunden am Tag habe sichergestellt werden müssen. Die Klägerin habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme neben ihren vergüteten Arbeitszeiten in erheblichem Umfang vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten zur Sicherstellung der Betreuung erbringen müssen. In den Zeiten, zu denen sich keine andere Person zur Betreuung in der Wohnung der älteren Dame aufgehalten habe, sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Betreuung für den Fall der Fälle sicherzustellen. Das LAG ist hierbei davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beweislast für die erbrachten Bereitschaftszeiten trage. Nur für einen kleinen Teil der eingeklagten Zahlungen hat das LAG die Klage abgewiesen, da für diese Zeiten nach der Beweisaufnahme nicht feststand, dass die Klägerin Bereitschaftszeiten geleistet habe. Hierbei handele es sich um Zeiten, die die ältere Dame mit Familienangehörigen in ihrer Wohnung oder im Restaurant verbracht habe.
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BAG: Berechnung der Karenzentschädigung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverbot
Laut Pressemitteilung Nr. 32/22 hat das BAG mit Urteil vom 25.08.2022 (Az.: 8 AZR 453/21) entschieden, dass bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot die Berechnung der Karenzentschädigung ohne die Einbeziehung von Leistungen Dritter (hier Restricted Stock Units (RSUs)) erfolge. Laut BAG umfasse der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB*, auf deren Grundlage sich bei einem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot die gesetzliche (Mindest-)Karenzentschädigung berechne, nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Deshalb seien, soweit der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Restricted Stock Units (RSUs – beschränkte Aktienerwerbsrechte) nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit der Obergesellschaft der Unternehmensgruppe schließe, der sein Vertragsarbeitgeber angehöre, die dem Arbeitnehmer seitens der Obergesellschaft gewährten RSUs bzw. die ihm – nach Wegfall bestimmter Restriktionen – zugeteilten Aktien grundsätzlich nicht Teil der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB. Etwas anderes könne jedoch gelten, wenn der Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung der RSUs durch die Obergesellschaft ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen sei, was vorliegend nicht der Fall war.
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BAG: (Un-)Pfändbarkeit einer Corona-Sonderzahlung
Laut Pressemitteilung Nr.31/22 vom 25.08.2022 hat das BAG mit Urteil vom 25.08.2022 (Az.: 8 AZR 14/22) entschieden, dass eine Corona-Sonderzahlung unpfändbar ist. Das BAG führt aus, dass dann, wenn ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie auszahle, diese Leistung als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO* unpfändbar sei, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liege, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteige. Im konkreten Fall ging es um eine Corona-Prämie iHv. 400,00 Euro.
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BAG: Annahmeverzug nach Vorlage eines neg. Corona-Tests
Laut Pressemitteilung vom 10.08.2022 (29/22) hat das BAG mit Urteil vom 10.08.2022 (Az.: 5 AZR 154/22) entschieden, dass dann, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände erteilt, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt, der Arbeitgeber grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs schulde. Zur Begründung führt das BAG aus, dass sich die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das von ihr erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt wurde. Dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, habe sie nicht dargelegt. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, sei außerdem unbillig (§ 106 GewO) und daher unwirksam gewesen, da die Beklagte dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet habe, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.
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EuGH entscheidet in der Sache nicht über einen Vorlagebeschluss des BAG zu Nachzuschlägen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 07. Juli 2022 (Az.: C-257/21) einen aus Deutschland vom BAG vorgelegten Streit um unterschiedlich hohe Zulagen für Nachtschichten in der Lebensmittelindustrie zurück verwiesen. Das EU-Recht, auf das sich zwei Kläger beriefen, fände hier keine Anwendung, so der EuGH. Damit sei der Fall keine Frage des Europäischen Rechts, so dass das BAG alleine über eine mögliche Ungleichbehandlung entscheiden könne. In der Sache geht es um zwei Arbeitnehmer von Coca-Cola, die Nachtarbeit im Schichtbetrieb geleistet hatten. Sie machten vor den deutschen Arbeitsgerichten eine Ungleichbehandlung geltend, da nach dem Manteltarifvertrag für regelmäßige Nachtarbeit nur 20% Zuschlag gezahlt wird, während der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit bei 50% liegt. Begründet wurde die höhere Zulage damit, dass sie für die Betroffenen noch belastender sei, weil man sie nicht planen könne. Außerdem gebe es bei regelmäßigen Nachtschichten zusätzliche Vergünstigungen, zum Beispiel freie Tage. Dies halten die Arbeitnehmer für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.
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BAG: Entschädigung nach dem AGG - Kündigung eines Schwerbehinderten ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes
Laut Pressemitteilung vom 02.06.2022 (22/22) hat das BAG entschieden, dass der Verstoß eines Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung iSv. § 22 AGG begründen könne, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren habe, wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehöre § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 –)
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BAG bejaht Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer (wenn vom Arbeitgeber angeordnet)
Laut Pressemitteilung 21/22 hat das BAG mit Urteil vom 01.06.2022 (Az.: 5 AZR 28/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein kann, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen. Dazu hat das BAG ausgeführt, dass der Arbeitgeber nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet sei, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hiernach im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen könne der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen.
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BAG: (Selbst) Mindestlohn nicht gegen Insolvenzanfechtung gesichert
Das BAG hat laut Pressemitteilung vom 25.05.2022 (20/22) mit Urteil vom selben Tag entschieden, dass bei Insolvenz des Arbeitgebers der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO vom Arbeitnehmer das zu bestimmten Zeitpunkten ausbezahlte Arbeitsentgelt zu Gunsten der Insolvenzmasse zurückfordern könne. Dies diene der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nach den insolvenzrechtlichen Verteilungsregeln. Der Rückgewähranspruch umfasse - entgegen der vorinstanzlichen Entscheidungen - das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich des gesetzlichen Mindestlohns. Der Gesetzgeber habe den Mindestlohn nicht anfechtungsfrei gestellt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022 – 6 AZR 497/21 –).
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EuGH: Leiharbeitnehmer haben gleichen Anspruch auf Urlaubsabgeltung wie Stammarbeitnehmer
Der EuGH hat mit Urteil vom 12. Mai 2022 In der Rechtssache C‑426/20 entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 1 Buchst. f dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub und das entsprechende Urlaubsgeld, auf die Leiharbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem entleihenden Unternehmen Anspruch haben, geringer ist als die Abgeltung, auf die sie in einer solchen Situation aus demselben Grund Anspruch hätten, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz und für die gleiche Beschäftigungsdauer eingestellt worden wären.
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BAG: (Es bleibt bei der bekannten) Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess
Laut Pressemitteilung Nr. 16/22 hat das BAG mit Urteil vom 04.05.2022 (Az.: 5 AZR 359/21) die anderweitigen Versuche zB des Arbeitsgerichts Emden, mit europarechtlichen Erwägungen an der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess etwas zu ändern, beendet. Aus Arbeitnehmersicht leider hält das BAG, so wie zuvor schon das LAG Niedersachsen an sein Rechtsprechung fest, wonach der Arbeitnehmer zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen habe, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, habe der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom BAG entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber würden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert. Im Ergebnis bedeutet dies für jeden Arbeitnehmer, auf die Geltendmachung und vor allem Durchsetzung (s)einer Überstundenvergütung nicht zu lange zu warten. In der Praxis scheitern sehr oft entsprechende Klagen, die nachträglich und zB im Zusammenhang mit einer Kündigungsschutzklage geltend gemacht werden schlicht daran, dass der Arbeitgeber diese Überstunden bestreitet.
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LAG Hamburg: Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst wegen Identifikation mit sog. Reichsbürger-Ideologie wirksam
Laut Pressemitteilung vom 25.04.2022 hat das LAG Hamburg mit Urteil vom 22.04.2022 (Az.: 7 Sa 49/21) entschieden, dass die Kündigung eines Angestellten im Polizeidienst wegen Identifikation mit sog. Reichsbürger-Ideologie wirksam ist. Nach Auffassung des LAG lagen begründete Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers vor, womit es dem Kläger an der Eignung für die vertraglich geschuldete Tätigkeit im öffentlichen Dienst mangele. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L sind die Beschäftigten der beklagten Stadt verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimme sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis. Er müsse aber ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als er nicht davon ausgehen dürfe, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen. Die vom Kläger im Internet dargestellten Äußerungen und seine Nähe zur sog. Reichbürger-Ideologie würden zeigen, dass der Kläger – zumal als Angestellter im Polizeidient – nicht das erforderliche Maß an Verfassungstreue aufweise. Der öffentliche Arbeitgeber müsse keine Arbeitnehmer beschäftigen, die das ihnen abzuverlangende Maß an Verfassungstreue nicht jederzeit aufbringen. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, den Kläger auf einem anderen – weniger sicherheitsempfindlichen – Arbeitsplatz einzusetzen.
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ArbG Gießen: Einstweilige Verfügungen auf Beschäftigung Ungeimpfter in Seniorenheim zurückgewiesen
Laut Pressemitteilung Nr. 01/2022 hat das Arbeitsgericht Gießen in zwei Entscheidungen vom 12.04.2022 (Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22) die Anträge eines Wohnbereichsleiters und einer Pflegefachkraft in einem Seniorenheim auf Beschäftigung trotz Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises zurückgewiesen. Zwar sehe § 20 a Abs. Abs.3 Satz 4 IfSG unmittelbar ein Beschäftigungsverbot im Falle der Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nur für ab dem 16. März 2022 neu eingestellte Personen, nicht aber für bislang schon beschäftigte Personen vor. Dennoch stehe es der Arbeitgeberin unter Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des § 20 a IfSG im Rahmen billigen Ermessens frei, im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohnerinnen und Bewohner eines Seniorenheims Beschäftigte, die weder geimpft noch genesen sind und der Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nicht nachkommen, von der Arbeitsleistung freizustellen. Gegenüber dem Interesse der Beschäftigten an der Ausübung ihrer Tätigkeit überwiege insofern das Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner an deren Gesundheitsschutz. Die Frage ob die Vergütung für die Zeit der Freistellung fortzuzahlen ist, war nicht Gegenstand der vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren.
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LAG Kiel: Corona-Quarantäne-Tage auf Jahresurlaub anrechenbar
Laut Pressemitteilung Nr. 1 vom 21.3.2022 hat das LAG Kiel mit Urteil vom 15.2.2022 (Az.: 1 Sa 208/21) eine Entscheidung des ArbG Neumünster bestätigt und sich der Auffassung von LAG Düsseldorf und LAG Köln angeschlossen und für eine Anrechenbarkeit der Quarantäne-Tage auf den Jahresurlaub geurteilt. Die Revision wurde zugelassen. Worum geht es? Es geht um die Frage, ob für einen bereits gewährten Urlaubszeitraum und einer "überholenden" Quarantäne dieser Urlaub dann trotzdem "gilt", d.h. angerechnet bleibt, oder - wie bei einer Arbeitsunfähigkeit - der Urlaub nicht als genommen gilt, weil man während einer Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen kann. Begründet wird dies vom LAG Kiel mit dem Hinweis, dass § 9 BUrlG nicht analog auf den Fall der Anordnung einer Quarantäne anzuwenden sei. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG diese umstrittene Frage beantworten wird, da zB das LAG Hamm schon anders entschieden hat.
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EuGH-Schlussanträge: Hoffnung auf verbesserten Urlaubsanspruch von Kranken?
In den Schlussanträgen vom 17.03.2022 in dem Verfahren C-518/20 und C-727/20 hat der Generalanwalt in einem Vorlageverfahren des BAG ein Gutachten vorgestellt, wonach die Hoffnung von Arbeitnehmern gestärkt wird, dass ihr Urlaub auch bei längerer Krankheit nicht verfällt. Danach müsse der Arbeitgeber seinen Teil dazu beitragen, damit Urlaub gestrichen werden kann. So müsse er den Arbeitnehmer etwa auf entsprechende Fristen hinweisen. Es bleibt jedoch zunächst abzuwarten, ob auch der EuGH entsprechend entscheiden und wie dies dann von dem BAG umgesetzt werden wird.
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BAG: Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl
Das BAG hat laut Pressemitteilung 12/22 am 16.03.2022 entschieden, dass die im Frühjahr 2018 bei der Volkswagen AG am Standort Hannover-Stöcken durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam war. Um was ging es? Die Volkswagen AG betreibt am Standort Hannover-Stöcken ein Werk zur Herstellung von Nutzfahrzeugen. Das mehrere Hektare große Werksgelände ist von einem geschlossenen Werkszaun umgeben; der Zugang erfolgt durch vom Werkschutz kontrollierte Tore. Außerhalb des umzäunten Geländes befinden sich weitere Betriebsstätten, die dem Werk Hannover-Stöcken organisatorisch zugeordnet sind und von dem dort gewählten Betriebsrat vertreten werden. Bei der im April 2018 durchgeführten Betriebsratswahl hatte der Wahlvorstand für die Arbeitnehmer sämtlicher außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegender Betriebsstätten die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) beschlossen. Drei dieser Betriebsstätten liegen unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses haben neun wahlberechtigte Arbeitnehmer die Wahl angefochten und ua. geltend gemacht, die Briefwahl habe nicht für sämtliche außerhalb des geschlossenen Werksgeländes liegende Betriebsstätten beschlossen werden dürfen. Die Vorinstanzen haben die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt, ebenso wie nunmehr das BAG, da der Wahlvorstand die schriftliche Stimmabgabe nur für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschließen könne. Im vorliegenden Fall sei der Wahlvorstand – selbst unter Berücksichtigung eines ihm zustehenden Beurteilungsspielraums – zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung auch bei den drei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten erfüllt sei und dieser Fehler konnte das Wahlergebnis auch beeinflussen (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. März 2022 – 7 ABR 29/20 –).
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EuGH: Kein (unbedingter) Anspruch auf Festanstellung nach EU-Recht bei jahrelanger Leiharbeit
Laut einer Presseveröffentlichung hat der EuGH in einer Deutschland (Daimler) betreffenden Entscheidung festgestellt, dass auch derjenige, der jahrelang als Leiharbeiter den gleichen Job bei einem Unternehmen mache, nicht unbedingt Anspruch auf eine Festanstellung bei dieser Firma habe. In der Entscheidung heißt es, dass "der Leiharbeitnehmer aus dem Unionsrecht kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen ableiten kann". Im konkreten Fall war der Arbeitnehmer 55 Monate als Leiharbeitnehmer bei Daimler beschäftigt. Der EuGH betonte in seinem Urteil zwar auch, dass es missbräuchlich sein könne, einen Arbeitnehmer jahrelang auf demselben Arbeitsplatz einzusetzen, es müssten aber auch sämtliche relevanten Umstände, vor allem Besonderheiten der Branche und nationale Regelungen berücksichtigt werden. Nach deutschem Recht gilt für eine Beschäftigung beim selben Entleiher seit 2017 eine Frist von 18 Monaten, die über einen Tarifvertrag aber ausgeweitet werden kann, was laut EuGH im konkreten Fall zulässig war (EuGH, Urteil vom 17.03.2022 - C‑232/20).
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BAG: Aufhebungsvertrag - Gebot fairen Verhandelns
Laut Pressemitteilung vom 24.02.2022 (8/22) hat das BAG mit Urteil vom 24.02.2022 (Az.: 6 AZR 333/21) entschieden, dass ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein kann. Ob das der Fall ist, sei anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig mache, stelle für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führe, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann. Im konkret entschiedenen Fall (es stand ein ganz erheblicher Vorfall im Raum) dürfe ein verständiger Arbeitgeber sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin sei nicht dadurch verletzt worden, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.
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EuGH: Arbeitnehmer mit Behinderung und Auswirkungen während Probezeit
Laut PRESSEMITTEILUNG Nr. 26/22 des EuGH hat dieser mit Urteil vom 10. Februar 2022 in der Rechtssache C-485/20 HR Rail entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit Behinderung – und zwar auch derjenige, der nach seiner Einstellung eine Probezeit absolviert –, der für ungeeignet erklärt wird, die wesentlichen Funktionen seiner bisherigen Stelle zu erfüllen, einen Anspruch auf Verwendung an einem anderen Arbeitsplatz haben könne, für den er die notwendige Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit aufweise. Eine solche Maßnahme dürfe den Arbeitgeber jedoch nicht unverhältnismäßig belasten. Da diese Entscheidung gegenüber einem belgischen Arbeitgeber erging, bleibt abzuwarten, ob und wie dies in Deutschland "umgesetzt" werden wird.
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BSG: Geschäftsführer und Sozialversicherung
Laut Pressemitteilung hat das Bundessozialgericht (BSG) in einer Verhandlung am 01.02.2022 zum Az.: B 12 KR 37/19 R entschieden, dass Geschäftsführer einer GmbH nur dann eine selbstständige Tätigkeit ausüben würden, wenn sie aufgrund ihrer Gesellschafterstellung die Rechtsmacht besitzen, einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitzubestimmen. Die für einen Minderheitsgesellschafter (hier 49 %) erforderliche "echte", die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität räume der Gesellschaftsvertrag nicht ein, da er nur für bestimmte Beschlüsse ein Mehrheitserfordernis von 75 % vorsehe. Das dem Kläger eingeräumte Sonderrecht zur Geschäftsführung ändere daran nichts. Es verhindere zwar seine jederzeitige Abberufung als Geschäftsführer und schränke womöglich Weisungen im Bereich der gewöhnlichen Geschäftsführung ein, übertrage ihm aber nicht eine Gestaltungsmacht, kraft derer er auf alle Gesellschafterentscheidungen und damit auf die gesamte Unternehmenspolitik Einfluss nehmen könne. Selbst wenn aus dem Sonderrecht abgeleitet würde, ein Geschäftsführer könne sich deshalb sanktionslos weisungswidrig verhalten, wäre eine derartige "Unrechts"-Macht nicht geeignet, die satzungsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse innerhalb der GmbH zu verschieben.
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BAG: Massenentlassungsverfahren - Folges eines Verstoßes gegen § 17 Abs. III S. 1 KSchG
Das BAG hat laut Pressemitteilung vom 27.01.2022 (Nr. 4/22) mit Beschluss vom 27.01.2022 (Az.: 6 AZR 155/21 (A) den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens im Zusammenhang mit der Frage angerufen, welche Sanktion ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nach sich zieht. Es geht um die Frage, ob eine unterlassene Übermittlung der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung gemäß § 17 Abs. 2 KSchG an die Agentur für Arbeit gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL verstößt, und damit eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung darstelle. Das BAG will vom EuGH wissen, welchem Zweck die Übermittlungspflicht nach Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL dient. Hiervon hänge nach Auffassung des Senats ab, ob § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, der unionsrechtskonform in gleicher Weise wie Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL auszulegen sei, ebenso wie andere, den Arbeitnehmerschutz – zumindest auch – bezweckende Vorschriften im Massenentlassungsverfahren als Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB anzusehen sei.
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EuGH stärkt Arbeitnehmerrechte im Zusammenhang von Mehrarbeitszuschlägen und Urlaub
Der EuGH hat sich aufgrund einer Vorlage des BAG in einer Entscheidung vom 13.01.2022 mit der Frage befasst, ob es gegen EU-Recht verstößt, wenn in einem Tarifvertrag geregelt wird, dass der genommene bezahlte Jahresurlaub nicht bei der Schwelle der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigenden Arbeitszeit berücksichtigt wird. Dies hat der EuGH bejaht, und folgenden Leitsatz aufgestellt: "Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegensteht, nach der für die Berechnung, ob die Schwelle der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigenden Arbeitszeit erreicht ist, die Stunden, die dem vom Arbeitnehmer in Anspruch genommenen bezahlten Jahresurlaub entsprechen, nicht als geleistete Arbeitsstunden berücksichtigt werden." (Urteil vom 13.01.2022 C-514-20).
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Hinweis auf weiteren Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei
Liebe Mandanten (und solche, die es noch werden wollen),
seit dem 01.01.2022 gehört mit Rechtsanwalt Marc Wenzel ein weiterer Fachanwalt für Arbeitsrecht zu unserer Partnerschaft.
Weitere Informationen zu Rechtsanwalt Wenzel finden Sie auf der Kanzleihomepage unter www.bmrm.de.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Reineke
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BAG: Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit
Laut Pressemitteilung vom 30.11.2021 (41/21) hat das BAG mit Urteil vom 30.11.2021 (Az.: 9 AZR 225/21) entschieden, dass dann, wenn aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig ausfallen, dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen sei. Das BAG ist der Ansicht, dass der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs rechtfertige. Aufgrund einzelvertraglich (wirksam) vereinbarter Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage seien weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. Entschieden wurde dies für Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist (also Kurzarbeit "Null" vorlag), hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch, der bereits erfüllt sei. Abzuwarten bleibt, was gelten soll, wenn keine Kurzarbeit "Null" vorliegt. Zu prüfen bleibt immer auch, ob überhaupt wirksam Kurzarbeit vereinbart wurde, was laut einer Entscheidung des BAG vom selben Tag grds. auch durch eine Betriebsvereinbarung geschehen könne.
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BAG: Insolvenzrechtlicher Rang des Urlaubsabsgeltungsanspruchs
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 39/21 mit Urteil vom 25.11.2021 (Az.: 6 AZR 94/19) entschieden, dass in der Insolvenz des Arbeitgebers der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung vollständig als Masseverbindlichkeit zu berücksichtigen sei, falls der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter) die Arbeitsleistung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch in Anspruch genommen habe. Demgegenüber hatte die Beklagte dies als nunmehrige Insolvenzverwalterin abgelehnt, weil es sich nur um eine zur Insolvenztabelle anzumeldende Insolvenzforderung handle. Die Vorinstanzen hatten die Klage noch abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts nun Erfolg, da die streitbefangene Urlaubsabgeltung in voller Höhe als Masseverbindlichkeit iS von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO anzuerkennen sei.
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BAG: Arbeitgeber muss Fahrradlieferanten Fahrrad und Handy als notwendiges Arbeitsmittel zur Verfügung stellen
Laut Pressemitteilung 38/21 hat das BAG mit Urteil vom 10.11.2021 (5 AZR 334/21) entschieden, dass ein Arbeitgeber seinen Fahrradlieferanten Fahrrad und Mobiltelefon als notwendige Arbeitsmittel zur Verfügung stellen muss. Eine anderslautende Regelung im Arbeitsvertrag sei zwar grundsätzlich möglich, aber nur, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zusagt werde. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons benachteilige den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm Abs. 1 Satz 1 BGB und sei daher unwirksam. Die Beklagte werde durch diese Regelung von entsprechenden Anschaffungs- und Betriebskosten entlastet und trage nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der essentiellen Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Dieses liege vielmehr beim Kläger. Das widerspreche dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen hat.
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BAG: Diskrimierung von Teilzeitbeschäftigten beim Entgelt?
Mit Beschluss vom 28.10.2021 hat der 8. Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts den Gerichtshof der Europäischen Union ersucht, ua.* die folgenden Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht zu beantworten, und zwar: Sind Art. 157 AEUV*** sowie Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b**** und Art. 4 Satz 1***** der Richtlinie 2006/54/EG so auszulegen, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält? Ist Paragraph 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG****** so auszulegen, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält?
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BAG: Beriebsrisiko und Lockdown
Mit Urteil vom 13.10.2021 (Az.: 5 AZR 211/21) hat das BAG entschieden, dass dann, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen müsse, er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls trage und nicht verpflichtet sei, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen. Die Vorinstanzen hatten der Klage der Arbeitnehmerin noch stattgegeben. Nun hat das BAG entschieden, dass die Klägerin für den Monat April 2020, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs habe.
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EuGH: Ruhepausen als Arbeitszeit?!
Der EuGH hat mit Urteil vom 09.09.2021 (Az.: C-107/19) in einem nicht in Deutschland spielenden Fall entschieden, wann Ruhepausen als Arbeitszeit i.S.d. Art. 2 RL 2003/88/EG anzusehen sind. Er hat dazu ausgeführt, dass in den Fällen, in denen einem Arbeitnehmer während seiner täglichen Arbeitszeit Ruhepausen gewährt werden, in denen er – sofern notwendig – innerhalb von zwei Minuten einsatzbereit sein muss, auch diese „Arbeitszeit“ i.S.d. Art. 2 RL 2003/88/EG sind, wenn eine Gesamtwürdigung der relevanten Umstände ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während dieser Ruhepausen auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich die Möglichkeit des Arbeitnehmers beschränken, die Zeit, in der seine berufliche Leistung nicht in Anspruch genommen wird, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen. Ob Rufbereitschaft nach deutschem Recht arbeitszeitrechtlich „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ ist, muss stets einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Für Ruhepausen nach § 4 ArbZG verlangt das BAG, dass die Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten haben. Ob und wie diese Zeiten dann zu vergüten sind, ist wiederum eine Frage nationalen Rechts und gesondert zu prüfen.
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BAG: Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Laut Pressemitteilung 25/21 vom 08.09.2021 hat das BAG mit Urteil vom 08.09.2021 (Az.: 5 AZR 149/21) festgestellt, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in folgenden Fällen erschüttert sein kann. Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, könne dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasse. Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 gerichteten Zahlungsklage stattgegeben. Die vom Senat nachträglich zugelassene Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin habe die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese sei das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert könne der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlege und ggf. beweise, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelinge das dem Arbeitgeber, müsse der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war.
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LAG München: Arbeitgeber darf Rückkehr aus Homeoffice anordnen
Laut Pressemitteilung vom 31.8. hat das LAG München entschieden, dass ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer gestattet hatte, seine Tätigkeit als Grafiker von zuhause aus zu erbringen, gemäß § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich berechtigt sei, seine Weisung zu ändern, wenn sich später betriebliche Gründe herausstellen, die gegen eine Erledigung von Arbeiten im Homeoffice sprechen (Az.: 3 SaGa 13/21). Ein Anspruch auf Arbeiten im Homeoffice ergebe sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV. Aus § 106 S. 1 GewO lasse sich keine Pflicht des Arbeitgebers herleiten, sein Direktionsrechts im Rahmen billigen Ermessens in der gewünschten Weise auszuüben. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht sei Sache des Arbeitgebers. Die allgemeine Gefahr, sich auf dem Weg zur Arbeit mit Covid-19 anzustecken und das allgemeinen Infektionsrisiko am Arbeitsort und in der Mittagspause würden einer Verpflichtung zum Erscheinen im Büro nicht entgegenstehen. Das LAG München hat weiter ausgeführt, dass der Arbeitgeber unter Wahrung billigen Ermessens den Arbeitsort durch Weisung neu bestimmen durfte. Der Arbeitsort war weder im Arbeitsvertrag noch kraft späterer ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung der Parteien auf die Wohnung des Verfügungsklägers festgelegt. Das Recht, die Arbeitsleistung von zuhause zu erbringen, habe im Februar 2021 auch nicht gem. § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchVO bestanden. Nach dem Willen des Verordnungsgebers vermittele diese Vorschrift kein subjektives Recht auf Homeoffice. Die Weisung habe billiges Ermessen gewahrt, da zwingende betriebliche Gründe der Ausübung der Tätigkeit in der Wohnung entgegenstanden. Die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz habe nicht der am Bürostandort entsprochen und der Arbeitnehmer habe nicht dargelegt, dass die Daten gegen den Zugriff Dritter und der in Konkurrenz tätigen Ehefrau geschützt waren.
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LAG München: Schlußformel in einem Arbeitszeugnis
Zu einem für Arbeitnehmer - meist - leidigen Thema (Formulierungen in Arbeitszeugnis) hat das LAG München mit Datum vom 15.07.2021 (Az.: 3 Sa 188/21) eine der restriktiven Rechtsprechung auch des BAG entsprechende Entscheidung gefällt. Die Leitsätze lauten - laut der Veröffentlichung auf der Homepage des LAG - wie folgt:
1. Eine Arbeitnehmerin, deren Leistung und Verhalten im Endzeugnis mit "gut" bewertet worden ist, hat keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, schon gar nicht auf die Steigerung "wir bedauern sehr".
2. Es besteht kein Anspruch darauf, dass (gute) Wünsche für die private Zukunft in die Schlussformel eines Endzeugnisses aufgenommen werden.
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BAG: Höhe tariflicher Nachtzuschläge -> Vorlage beim EuGH
Laut Pressemittelung vom 04.08.2021 (Nr. 22/21) hat das BAG mit Beschluss vom 28.07.2021 (Az.: 10 AZR 397/20(A)) eine Frage zur Höhe von Nachtarbeitszuschlägen dem EuGH vorgelegt. Es geht um Fragen eines Tarifvertrages. Dieser bestimmt, dass für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22:00 bis 06:00 Uhr fällt, ein Zuschlag von 15 % je Stunde zu zahlen ist. Für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in die Nachtzeit von 22:00 bis 06:00 Uhr fällt, ist ein Zuschlag von 20 % je Stunde geschuldet. Sonstige Nachtarbeit ist mit zusätzlich 60 % je Stunde zu vergüten. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten für die von ihm in der Nachtzeit erbrachten Arbeitsstunden eine höhere als die bereits geleistete Vergütung. Er ist der Auffassung, die Regelungen im Tarifvertrag zu den Zuschlägen für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Arbeit zur Nachtzeit werde in unterschiedlicher Höhe vergütet. Andere Umstände als der Gesundheitsschutz könnten höhere Zuschläge nicht rechtfertigen. Er habe deshalb Anspruch auf die Zuschläge von 60 % je Stunde für sonstige Nachtarbeit. Das BAG setzt den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO aus, bis der Gerichtshof der Europäischen Union über die Vorabentscheidungsersuchen – C-257/21 – und – C-258/21 – [Coca-Cola European Partners Deutschland ua.] entschieden hat.
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FG Hessen: Abfindung im Rahmen einer "Sprinterklausel" ist steuerermäßigt
Das Finanzgericht (FG) Hessen hat mit Urteil vom 27.07.2021 (Az.: 10 K 1597/20) entscheiden, dass eine zusätzliche Abfindung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Wahrnehmung einer sogenannten Sprinterklausel ermäßigt zu besteuern ist. Die Kündigung durch den Arbeitnehmer könne nicht separat, sondern nur im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses insgesamt betrachtet werden, entschied das FG. Die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses erfolge regelmäßig (auch) im Interesse des Arbeitgebers. Eine im Gegenzug gezahlte Abfindung sei daher in der Regel als Entschädigung ermäßigt zu besteuern. Dies gelte grundsätzlich auch für eine (zusätzliche) Abfindung, die für die (vorzeitige) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Wahrnehmung einer sogenannten Sprinterklausel gezahlt wird. Auch in diesem Fall könne die Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht separat, sondern nur im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses insgesamt betrachtet werden. Der weitere Abfindungsbetrag sei daher ebenfalls gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und § 24 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz ermäßigt zu besteuern (laut Redaktion beck-aktuell, 27. Jul 2021).
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BAG: Geseztlicher Mindestlohn für entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten
Laut Pressemitteilung Nr. 16/21 hat das BAG mit Urteil vom 24.06.2021 (Az.: 5 AZR 505/20) eine weitreichende und durch die allgemeine Tagespresse gehende Entscheidung getroffen. Es geht um die Frage, ob nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden haben. Dies hat das BAG bejaht und gleichzeitig festgestellt, dass dies auch für einen "Bereitschaftsdienst" gelte. Ein solcher könne darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen müsse und grundsätzlich verpflichtet sei, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten. Die Sache wurde an das LAG zurückverwiesen, da noch zu klären sei, ob die Klägerin geschätzt täglich lediglich drei Stunden Freizeit gehabt habe.
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BAG: Abmahnung wegen Nichtanzeige einer Nebentätigkeit
Laut Pressemitteilung Nr. 13/21 hat das BAG mit Urteil vom 15-06.2021 (Az.: 9 AZR 413/19) entschieden, dass es eine Abmahnung rechtfertigen kann, wenn ein Arbeitnehmer einer (tarif-)vertraglich vorgesehenen Anzeigepflicht einer Nebentätigkeit (durch Verwertung einer Nachricht) nicht nachkommt. Die Regelung, nach der ein angestellter Zeitschriftenredakteur dem Verlag die anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht anzuzeigen habe, solle dem Verlag regelmäßig die Prüfung ermöglichen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Verstosse der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht, könne dies eine Abmahnung rechtfertigen. Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstose weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag sei zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten.
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Zufahrt und Parkplätze direkt vor dem Büro
Achtung; Zufahrt für Autos und Parkplätze direkt vor dem Büro
Für alle, die mit dem Auto zu unserem Büro fahren, ist die ursprüngliche Zufahrt wieder gegeben. Bitte beachten Sie, dass aktuell die Friedensallee 118 b nicht bzw. nur mit einem Umleitungshinweis ausgeschildert ist.
Folgen Sie bitte den Hinweisen zu der Hausnummer 120. Von dort aus sehen Sie dann schon im Hintergrund rechts ein braun/weißes fünfstöckiges Gebäude: Friedensallee 118 b.
Von der Einfahrt an der Friedensallee bis zur Hausnummer 118 b sind es entlang der Stichstraße gut 400 Meter (ignorieren Sie den Hinweis darauf, dass dort "nur" Parkplätze der Fa. Henkel wären; Sie können alle Parkplätze direkt vor dem Bürogebäude nutzen)
Fahrradfahrer und Fußgänger nutzen wie gewohnt den bekannten / „alten“ Weg.Sie können weiterhin direkt vor unserem Büro parken. Der auf der Zufahrt aufgestellte Hinweis auf Mitarbeiterparkplätze der Fa. Henkel gilt für Sie nicht, d.h. Sie dürfen direkt vor unserem Büro parken.
Bilder der aktuellen Zufahrt finden Sie hier.
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EuGH: Unionsrechtlich verankerter Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen gilt unmittelbar
Laut PM Nr. 95 vom 03.06. hat der EuGH (Az.: C-624/19) entschieden, dass der unionsrechtlich verankerter Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen unmittelbar gilt. Arbeitnehmer könnten sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten sowohl bei „gleicher“ als auch bei „gleichwertiger Arbeit“ unmittelbar auf den unionsrechtlich verankerten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen berufen. Art. 157 AEUV lege eindeutig und bestimmt eine Ergebnispflicht auf und habe zwingenden Charakter. Dies gelte sowohl in Bezug auf eine „gleiche“ als auch in Bezug auf eine „gleichwertige Arbeit“. Art. 157 AEUV entfalte nach ständiger Rechtsprechung unmittelbare Wirkung, indem er für Einzelne Rechte begründe, die die nationalen Gerichte zu gewährleisten haben, u.a. im Fall von Diskriminierungen, die ihren Ursprung unmittelbar in Rechtsvorschriften oder in Kollektivverträgen haben, sowie in dem Fall, dass die Arbeit in ein und demselben privaten oder öffentlichen Betrieb oder Dienst verrichtet werde. Die vorstehende Auslegung werde durch das mit Art. 157 AEUV verfolgte Ziel, bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit in Bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen jede Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu beseitigen, bestätigt. Der in Art. 157 AEUV aufgestellte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gehöre zu den Grundlagen der Union.
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BAG: Schadensersatz bei unterbliener Zielvereinbarung und zugesagtem Bonus
Laut einer Pressemitteilung der Redaktion beck.aktuell vom 7.6.2021 hat das BAG in einem Urteil vom 17.12.2020 (Az.: 8 AZR 149/20) entschieden, dass eine Bonusregelung im Arbeitsvertrag, die noch eine gesonderte Ausgestaltung in Form einer Zielvereinbarung erfordert, grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Höchstbonus, wenn die Zielvereinbarung nicht erfolge. Das BAG habe einem Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe von 90% der Zusatzvergütung zugesprochen, ohne dass dieser zusätzliche Leistungen erbringen musste. Es ging davon aus, dass die Ziele so festgelegt worden wären, dass der Arbeitnehmer diese erreicht hätte. Es stelle eine schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn die Vereinbarung über die nähere Ausgestaltung der Bonuszahlung unterbleibe. Nach § 280 Abs. 1 BGB werde das Verschulden regelmäßig vermutet, diese Vermutung habe die Firma vorliegend nicht widerlegen können. Das BAG nahm bei der Schadensberechnung einen 10% Abzug vom Höchstbonus vor, der Arbeitnehmer es versäumt habe, die Firma um ein Gespräch für die Zielvereinbarung zu bitten, was das BAG als ein Mitverschulden in Höhe von 10% werte.
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BAG: Ersatz von Compliance-Kosten durch Arbeitnehmer nur bei nachgewiesener Erforderlichkeit
Laut Pressemitteilung Nr. 11/21 hat das BAG mit Urteil vom 29.04.2021 (Az.: 8 AZR 276/20) - anders als noch die Vorinstanz - entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht zum Ersatz von Anwaltskosten iHv. 66.500,00 Euro für Ermittlungen im Zusammenhang mit Vorwürfen des Spesenbetrugs, des Abrechnungsbetrugs und von Compliance-Verstößen verpflichtet sei. Der Arbeitnehmer hatte die Auffassung vertreten, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe die Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen. Zudem habe die Beklagte die Erforderlichkeit der Kosten nicht dargetan. Das BAG stellt fest, dass ein Arbeitgeber zwar vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen könne, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt habe und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt werde. Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliege, gehörten auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden. Die Grenze der Ersatzpflicht richte sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde. Dem stehe § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen, sondern auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließe, nicht entgegen. Diese Bestimmung finde in einem solchen Fall keine Anwendung. Der Arbeitgeber habe jedoch nicht dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Kosten erforderlich waren. Es fehle an einer substantiierten Darlegung, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Arbeitnehmer von der beauftragten Anwaltskanzlei ausgeführt wurden.
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BAG: (keine) Erteilung einer "Datenkopie" nach Art. 15 Abs. III DSGVO (bei zu unbestimmten Antrag)
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 8/21 mit Urteil vom 27.4.2021 (Az.: 2 AZR 342/20) entschieden, dass ein Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung beziehe. Im Ergebnis führte dies dazu, dass der Kläger mit seinem weitergehenden Versuch, die Überlassung einer Kopie "seiner" Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; im Folgenden DSGVO) zu verlangen, gescheitert ist. Das BAG konnte offenlassen, ob das Recht auf Überlassung einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Erteilung einer Kopie von E-Mails umfassen könne. Jedenfalls müsse ein solcher zugunsten des Klägers unterstellter Anspruch entweder mit einem iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klagebegehren oder, sollte dies nicht möglich sei, im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO gerichtlich geltend gemacht werden. Daran fehlte es hier.
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BAG: (keine) Vergütung von Umkleide-, Rüst- und Wegezeiten eines Wachpolizisten
Laut Pressemitteilung Nr. 07/21 hat das BAG mit Urteil vom 31.03.2021 (Az.: 5 AZR 292/20) entschieden, dass das An- und Ablegen einer auf Weisung des Arbeitgebers während der Tätigkeit als Wachpolizist zu tragenden Uniform und persönlichen Schutzausrüstung nebst Dienstwaffe keine zu vergütende Arbeitszeit sei, wenn der Arbeitnehmer die dienstlich zur Verfügung gestellten Umkleide- und Aufbewahrungsmöglichkeiten nicht nutzte, sondern sich im privaten Bereich umkleide und rüste. Ebenfalls nicht vergütungspflichtig sei die für das Zurücklegen des Wegs zur Arbeit von der Wohnung zum Einsatzort und zurück aufgewandte Zeit, denn der Arbeitsweg zähle zur privaten Lebensführung. Dagegen sei die für einen Umweg zum Aufsuchen des dienstlichen Waffenschließfachs erforderliche Zeit zu vergüten, da es sich dabei um eine fremdnützige Zusammenhangstätigkeit handele.
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LAG Düsseldorf: Arbeitgeber trögt das Prozessrisiko auch in der Pandemie
Laut Pressemitteilung Nr. 09/21 hat sich das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 30.03.3021 (Az.: 8 Sa 674/20) mit einer konkreten arbeitsrechtlichen Frage im Zusammenhang mit "Corona" befasst, nämlich wer das "Betriebsrisiko" trägt. Dazu weist das LAG darauf hin, dass nach der gesetzlichen Wertung des § 615 Satz 3 BGB der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trage. Dies seien Ursachen, die von außen auf den Betrieb einwirken und die Fortführung des Betriebs verhindern. Nach der bisherigen Rechtsprechung erfasse dies auch Fälle höherer Gewalt, wie z.B. Naturkatastrophen, Erdbeben, Überschwemmungen oder extreme Witterungsverhältnisse. Um ein solches Ereignis handele es sich auch bei der aktuellen Pandemie. Dass die durch die CoronaSchVO bedingte staatliche Schließung dieses Risiko zu Lasten der Spielhalle verwirklichte, ändert daran nichts. Auch eine durch eine Pandemie begründete Betriebsschließung rechne zum Betriebsrisiko i.S.v. § 615 Satz 3 BGB. Es sei mangels klarer Abgrenzbarkeit nicht darauf abzustellen, ob diese Schließung eine gesamte Branche, die zunächst als solche abzugrenzen wäre, oder nur einzelne Betriebe dieser Branche, ggfs. bundesweit, nur in einzelnen Ländern oder aber örtlich begrenzt erfasse. Deshalb könne nicht auf die Reichweite des behördlichen Verbots abgestellt werden. Ein Fall, in dem die Klägerin ihre Arbeitskraft überhaupt nicht mehr verwerten konnte, was ggfs. zu deren allgemeinen Lebensrisiko gehört, war nicht gegeben. Das LAG hat die Revision zugelassen, so dass sich das BAG mit dieser Frage auch noch befassen wird.
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Achtung: Geänderte Zufahrt von April bis November 2021
Für alle, die mit dem Auto zu unserem Büro fahren, ist ab November eine geänderte Zufahrt zu beachten.
Aufgrund von Bauarbeiten auf dem Gelände wird die Zufahrt verlegt.
Aus der Richtung Ottensen/Innenstadt kommend fahren Sie bitte nicht wie bisher die erste Stichstraße nach rechts rein, sondern nunmehr die zweite.
Die Umleitung ist markiert (siehe Anlage) und einen Übersichtsplan der geänderter Zufahrt finden Sie hier (siehe Anlage).
Für Fahrradfahrer und Fußgänger ändert sich nichts; diese können wie gewohnt den bekannten / „alten“ Weg benutzen.
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BAG: Höhe einer betrieblichen Altersversorgung - Auswirkung von Teilzeitbeschäftigung
Laut Pressemitteilung Nr. 5/21 hat das BAG mit Urteil vom 23.03.2021 (Az.: 3 AZR 24/20) entschieden, dass eine Versorgungsregelung wirksam vorsehen könne, dass bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Dienstzeiten im Rahmen der Berechnung des Altersruhegelds die Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung lediglich anteilig berücksichtigt werden. Ebenso könne eine Versorgungsregelung vorsehen, dass eine Höchstgrenze eines Altersruhegelds bei in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern entsprechend dem Teilzeitgrad während des Arbeitsverhältnisses gekürzt wird. Diese Regelungen würden keine unzulässige Diskriminierung wegen der Teilzeitarbeit iSv. § 4 Abs. 1 TzBfG darstellen.
Die Klägerin werde nicht iSv. § 4 Abs. 1 TzBfG wegen ihrer Teilzeitarbeit benachteiligt, weil ihre über annähernd 40 Jahre erbrachte Arbeitsleistung nicht in 34,4 Vollzeitarbeitsjahre umgerechnet wurde. Mit einem Arbeitnehmer, der 34,4 Jahre in Vollzeit gearbeitet und dann in den Altersruhestand getreten ist, sei sie nicht vergleichbar. Auch könne sie nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie wegen ihrer Teilzeitarbeit benachteiligt werde, weil der nach der Leistungsordnung ermittelte Teilzeitfaktor auch auf die Versorgungshöchstgrenze angewandt werde. Sie erhalte vielmehr ein Altersruhegeld in dem Umfang, der ihrer erbrachten Arbeitsleistung im Verhältnis zur Arbeitsleistung eines gleich lange im Unternehmen der Beklagten in Vollzeit tätigen Arbeitnehmers entspreche. Dies sei zulässig.
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LAG Düsseldorf: Kurzarbeit Null kürzt Urlaub
Laut einer Pressemitteilung hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 12.3.2021 (Az.: 6 Sa 824/20) entschieden, dass Kurzarbeit Null den Urlaub kürzen kann. Die Klägerin ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Vereinbarungsgemäß stehen ihr pro Jahr 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu. Ab dem 01.04.2020 galt für die Klägerin infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember wiederholt Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Im August und September 2020 hatte die Beklagte ihr insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub gewährt. Die Klägerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. So unterliege sie während der Kurzarbeit Meldepflichten. Auch könne die Arbeitgeberin die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, weswegen es an einer Planbarkeit der freien Zeit fehle. Sie begehrt deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zustehe, d.h. noch 2,5 Arbeitstage. Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen. Mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null entstünden keine Urlaubsansprüche. Sie habe deshalb den Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 bereits vollständig erfüllt. Die 6. Kammer des LAG Düsseldorf hat die Klage ebenso wie das Arbeitsgericht Essen abgewiesen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 habe die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null war der Urlaub um 1/12 zu kürzen, was sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde. Im Hinblick darauf, dass der Erholungsurlaub bezwecke, sich zu erholen, setzte dies eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben seien, würden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist. Dies entspreche auch dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entstehe. Das deutsche Recht enthalte dazu keine günstigere Regelung. Weder existier diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An alledem habe der Umstand, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona-Pandemie veranlasst sei, nichts geändert. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.
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BAG: Haftung des Betriebserwerbers in der Insolvenz
Laut Pressemitteilung Nr. 2/21 hat das BAG mit Urteil vom 26.01.2021 (Az.: 3 AZR 139/17) entschieden, dass der Erwerber eines Betriebs(teils) in der Insolvenz nach § 613a Abs. 1 BGB für Ansprüche der übergegangenen Arbeitnehmer auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zeitanteilig für die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegte Dauer der Betriebszugehörigkeit haftet. Für die Leistungen, die auf Zeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen, hafte er auch dann nicht, wenn für diesen Teil der Betriebsrente nach dem Betriebsrentengesetz der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) - der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung - nicht vollständig eintrete.
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BAG: Entgeltgleichheitsklage - Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts
Laut Pressemitteilung Nr. 1/21 hat sich das BAG in einer Entscheidung vom 21.1.2021 (Az.: 8 AZR 488/19) mit einer Entgeltgleichheitsklage und dort mit der Frage nach der Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts befasst. Das BAG stellt fest, dass dann, wenn eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG) klage, der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist, begründe. Nachdem das LAG die Klage noch abgewiesen hatte, da schon keine ausreichenden Indizien iSv. § 22 AGG vorgelägen hätten, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe, hatte die Revision der Klägerin vor dem BAG Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergebe sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liege in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhalte. Die Klägerin habe gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts begründe dieser Umstand zugleich die - von der Beklagten widerlegbare - Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung "wegen des Geschlechts" erfahren habe.
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LAG Düsseldorf: Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel - fristlose Kündigung
Laut Pressemitteilung vom 14.1.2021 hat das LAG Düsseldorf in einem Urteil vom 14.01.2021 (Az.: 5 Sa 483/20) die restriktive Rechtsprechung, wonach schon "kleinste" Eigentumsdelikte eine Kündigung rechtfertiges können, bestätigt. Im konkreten Fall ging es um die Entwendung einer nicht angebrochenen Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Der Wert des Desinfektionsmittels betrug zum damaligen Zeitpunkt ca. 40,00 Euro. Das LAG hat wie bereits das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Es liege ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Klägers seien nicht glaubhaft. Auch in Ansehung der langen Beschäftigungszeit wäre keine vorherige Abmahnung erforderlich. Der Kläger habe in einer Zeit der Pandemie, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass auch die Beklagte mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Damit habe er zugleich in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgingen. In Ansehung dieser Umstände musste ihm klar sein, dass er mit der Entwendung von einem Liter Desinfektionsmittel den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdete. Auch die Interessenabwägung fiel angesichts dieser Umstände zu Lasten des Klägers aus.
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BAG: Vergütung von Leiharbeitnehmern
Laut Pressemitteilung Nr. 48/20 hat sich das BAG in einer Entscheidung vom 16.12.2020 (5 AZR 143/19 (A) mit der Frage der Vergütung von Leiharbeitnehmern befasst. Es ging um Fragen im Zusammenhang mit der Abweichung vom Grundsatz der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern und Stammarbeitnehmern durch Tarifvertrag. Dazu hat das BAG ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären (Grundsatz der Gleichbehandlung). Allerdings gestattet Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie den Mitgliedsstaaten, den Sozialpartnern die Möglichkeit einzuräumen, Tarifverträge zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern beim Arbeitsentgelt und den sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen. Eine Definition des „Gesamtschutzes“ enthält die Richtlinie nicht, sein Inhalt und die Voraussetzungen für seine „Achtung“ sind im Schrifttum umstritten. Zur Klärung der im Zusammenhang mit der von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG verlangten Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern aufgeworfenen Fragen hat das BAG entsprechend seiner Verpflichtung aus Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung ersucht.
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Neujahrsgrüße
Liebe Mandanten/innen,
ich hoffe, Sie sind gut über die Weihnachtsfeiertage und in das neue Jahr gekommen. Ich wünschen Ihnen
ein frohes und gesundes Jahr 2021!
Ihr
Reineke
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BAG: Verschieden hohe Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit?
Laut Pressemitteilung Nr. 46/20 hat das BAG mit Beschluss vom 09.12.2020 (Az.: 10 AZR 332/20 (A)) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob verschieden hohe Zuschläge bei regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit europarechtlich zulässig sind. Hintergrund ist eine - duchaus übliche - Regelung in einem Tarifvertrag, wonach der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit 20 % und für unregelmäßige Nachtarbeit 50 % der Stundenvergütung beträgt. Die Klägerin leistete Nachtarbeit in einem Schichtmodell und erhielt dafür einen Zuschlag von 20 %. Sie ist der Auffassung, die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe nicht. Das BAG will vom EuGH wissen, ob tarifvertragliche Regelungen die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG im Sinn von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) durchführen, wenn sie unterschiedlich hohe Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit enthalten? Ist eine tarifvertragliche Regelung gleichbehandlungswidrig nach Art. 20 der Charta, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht, wenn damit neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Nachtarbeit auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit der Arbeitszeit ausgeglichen werden sollen?
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BAG: Arbeitnehmereigenschaft von "Crowdworkern" (bejaht)
Laut Pressemitteilung Nr. 43/20 hat das BAG mit Urteil vom 01.12.2020 (Az.: 9 AZR 102/20) die Arbeitnehmereigenschaft von „Crowdworkern“ bejaht, und damit anderslautende Entscheidung der Vorinstanzen abgeändert. Das BAG hat ausgeführt, dass die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen („Mikrojobs“) durch Nutzer einer Online-Plattform („Crowdworker“) auf der Grundlage einer mit deren Betreiber („Crowdsourcer“) getroffenen Rahmenvereinbarung ergeben könne, dass die rechtliche Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Das BAG befasst sich mit einer neueren "Arbeitsform", die - wie die Bezeichnung schon ahnen lässt - nicht aus Deutschland kommt, aber auch hier immer mehr verbreitet wird. Zur Begründung stellt das BAG auf die bekannte Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft ab. Danach ist gemäß § 611a BGB zu prüfen, ob der Beschäftigte weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leistet. Zeigt die tatsächliche Durchführung eines Vertragsverhältnisses, dass es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Für ein Arbeitsverhältnis spreche es, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten könne, was in dem entschiedenen Fall vom BAG bejaht wurde.
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BAG: Diskrimierung von Teilzeitbeschäftigten bei der Vergütung?
Laut Pressemitteilung Nr. 40/20 hat sich das BAG in seiner Entscheidung vom 11.11.2020 (Az.: 10 AZR 185/20 (A)) mit der Frage: Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei der Vergütung? befasst und die Sache zum EuHG verwiesen. Es ging darum, ob tarifvertragliche Bestimmungen, die eine zusätzliche Vergütung davon abhängig machen, dass dieselbe Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, ohne zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zu unterscheiden, dem europäischen Unionsrecht entsprechen. Diese Fragen müssten durch ein Vorabentscheidungsersuchen geklärt werden, das das BAG an den Gerichtshof der Europäischen Union richtet. Das BAG ersucht den Gerichtshof der Europäischen Union, Fragen nach der Auslegung der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG zu beantworten. Ist für die Prüfung, ob Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden, weil eine zusätzliche Vergütung davon abhängt, dass eine einheitlich geltende Zahl von Arbeitsstunden überschritten wird, auf die Gesamtvergütung und nicht auf den Entgeltbestandteil der zusätzlichen Vergütung abzustellen? Kann eine mögliche schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gerechtfertigt werden, wenn mit der zusätzlichen Vergütung der Zweck verfolgt wird, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen?
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LAG Köln: Kündigung eines Arbeitnehmers bei fortlaufend beschäftigten Leiharbeitnehmern unwirksam
Laut Pressemitteilung Nr. 6/2020 hat das LAG Köln in zwei nunmehr veröffentlichten Urteilen vom 02.09.2020 (Az.: 5 Sa 14/20 und 5 Sa 295/20) entschieden, dass die betriebsbedingte Kündigung von Stammarbeitnehmern wegen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten unwirksam sei, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer beschäftig, mit denen er ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-) Arbeitsvolumen abdecke. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger hätten auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können. Diese seien als freie Arbeitsplätze anzusehen. Zwar fehle es an einem solchen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftige. Eine solche Vertretungsreserve verneint das Landesarbeitsgericht Köln jedoch im vorliegenden Fall. Leiharbeitnehmer, die fortlaufend beschäftigt würden, seien nicht als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf im Unternehmen eingesetzt. Wenn immer wieder (unterschiedliche) Arbeitnehmer in einem absehbaren Umfang ausfielen, sei kein schwankendes, sondern ein ständig vorhandenes (Sockel-) Arbeitsvolumen vorhanden. Dementsprechend habe der für das Befristungsrecht zuständige 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass der Sachgrund der Vertretung nicht vorliege, wenn der Arbeitgeber mit der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers einen dauerhaften Bedarf abdecken wolle. Das Landesarbeitsgericht hat in beiden Verfahren die Revision zugelassen.
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BAG: Verjährung von Urlaubsansprüchen?
Laut Pressemitteilung Nr. 34/20 hat das BAG mit Beschluss vom 29.09.2020 (9 AZR 266/20 (A)) die sehr praxisrelevante Frage, ob und wann Urlaubsansprüchen verjähren, dem EuGH vorgelegt. Im Verlauf eines Prozesses hatte der beklagte Arbeitgeber die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat geltend gemacht, für die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung die Klägerin verlange, sei die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen. Für das BAG sei es entscheidungserheblich, ob die nicht erfüllten Urlaubsansprüche der Klägerin aus dem Jahr 2014 und den Vorjahren bei Klageerhebung bereits verjährt waren. Die Urlaubsansprüche konnten nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann (vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 9 vom 19. Februar 2019). Diese Obliegenheiten hat der Beklagte nicht erfüllt. Vor diesem Hintergrund hat das BAG um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang stehe, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß § 194 Abs. 1, § 195 BGB der Verjährung unterliegt.
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BAG: Betriebliche Alterversorgung - Auslegung einer Versorgungsordnung
Laut Pressemitteilung Nr. 33/20 hat sich das BAG in einem Urteil vom 22.09.2020 (Az.: 3 AZR 433/19) mit einer betrieblichen Altersversorgung und deren Auslegung befasst. Dass BAG hat dabei festgestellt, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Versorgungsregelung, wonach befristet Beschäftigte nicht und Arbeitnehmer, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen, nur dann versorgungsberechtigt sind, wenn sie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dahin zu verstehen sei, dass sie auf das Lebensalter bei Beginn der Beschäftigung abstellt, wenn eine unbefristete Beschäftigung unmittelbar einer befristeten folgt. Würden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in einer Versorgungsordnung davon abhängig gemacht, dass eine schriftliche Vereinbarung über die Versorgungszusage zu treffen sei, sei dies keine echte Anspruchsvoraussetzung.
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BAG: Kopftuchverbot - Benachteiligung wegen der Religion
Laut Pressemitteilung Nr. 28/20 hat sich das BAG mit Urteil vom 27.8.2020 (Az.: 8 AZR 62/19) mit der Frage befasst, ob ein Kopftuchverbot eines Arbeitgebers eine Arbeitnehmerin wegen der Religion benachteilige, und dies im konkreten Fall bejaht. Eine Besonderheit hinsichtlich des Sachverhalts bestand dabei darin, dass es um eine "staatliche" Stelle ging. Das beklagte Land lud die Klägerin zu einem Bewerbungsgespräch ein. Im Anschluss an dieses Gespräch, bei dem die Klägerin ein Kopftuch trug, sprach sie ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz* an. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen. Nachdem ihre Bewerbung erfolglos geblieben war, nahm die Klägerin das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch. Das BAG hat - wie das LAG - festgestellt, dass die Klägerin von dem beklagten Land nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG die Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.159,88 Euro verlangen könne. § 2 Berliner Neutralitätsgesetz sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines sog. islamischen Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr für diese Schutzgüter habe das beklagte Land indes nicht dargetan.
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BAG: Unternehmensmitbestimmung in einer durch Umwandlung gegründeten SE
Laut Pressemitteilung Nr. 27/20 hat das BAG mit (Vorlage-)Beschluss vom 18.08.2020 (Az.: 1 ABR 43/18 (A) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet. Mit diesem sollen die Anforderungen an eine auf Vereinbarung beruhende Unternehmensmitbestimmung bei der Gründung einer Societas Europaea (SE) durch Umwandlung einer paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaft geklärt werden. Die antragstellenden Gewerkschaften haben geltend gemacht, die Regelungen über die Bildung des verkleinerten Aufsichtsrats seien unwirksam; sie verstießen gegen § 21 Abs. 6 SEBG*. Nach der Umwandlung in eine SE müsse den Gewerkschaften weiterhin ein ausschließliches Vorschlagsrecht für eine bestimmte Anzahl von Sitzen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zustehen. Die Vorinstanzen haben das Begehren abgewiesen. Bei der Gründung einer SE durch Umwandlung einer paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaft gebe § 21 Abs. 6 SEBG vor, dass in der Beteiligungsvereinbarung zur Mitbestimmung ein gesondertes Auswahlverfahren für von Gewerkschaften vorgeschlagene Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu gewährleisten sei. Für das BAG sei entscheidungserheblich, ob dieses Verständnis des nationalen Rechts mit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer vereinbar sei und für deren Auslegung sei der EuGH zuständig.
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BAG: Entgelttransparenzgesetz - Anspruch des Betriebsrats im Hinblick auf Bruttoentgeltlisten
Laut Pressemitteilung Nr. 24/20 hat das BAG mit Beschluss vom 28.07.2020 (Az.: 1 ABR 6/19) entschieden, dass der Betriebsrat (BR) nach den Vorgaben im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in das individuelle Verfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit durch die Beantwortung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten eingebunden ist. Zu diesem Zweck sei ein von ihm gebildeter Betriebsausschuss berechtigt, Bruttoentgeltlisten des Arbeitgebers einzusehen und auszuwerten (§ 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG). Dieses Einsichts- und Auswertungsrecht bestehe daher nicht, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung berechtigterweise an sich gezogen habe.
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BAG: Verfall des Urlaubs bei Krankheit?
Mit einer sehr spannenden und praxisrelevanten Frage hat sich das BAG laut Pressemitteilung Nr. 20/20 in einer Entscheidung am 07.07. befasst (Az.: 9 AZR 401/19). Es geht um die Frage, ob bzw. wann Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft krank ist. Das BAG hat zur Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmerin bei seither ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres oder ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verfallen kann, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Diese Bestimmung hat das BAG verschiedentlich unionsrechtskonform ausgelegt und erkannt, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann nach § 7 Abs. 3 BUrlG am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig im Urlaubsjahr zu nehmen, und ihn darauf hingewiesen hat, dass dieser andernfalls verfallen kann, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war, versteht der BAG § 7 Abs. 3 BUrlG außerdem dahin, dass gesetzliche Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlöschen. Für die Entscheidung des Rechtstreits bedarf es nunmehr einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, ob das Unionsrecht den Verfall des Urlaubsanspruchs nach Ablauf dieser 15-Monatsfrist oder ggf. einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können.
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Sind Urlaubszeiten für Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen? BAG legt EuGH vor
Laut Pressemitteilung Nr. 16/20 hat das BAG mit Beschluss vom 17.06.2020 (Az.: 10 AZR 210/19 (A)) die Frage, ob Urlaubszeiten für Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen sind, dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Beantwortung vorgelegt. Im konkreten Tarifvertrag war vorgesehen, dass für die Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt werden und nicht auch die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Mindestjahresurlaub in Anspruch nimmt. Dies könne nach Ansicht des BAG gegen Unionsrecht verstoßen. Nun muss/kann der EuGH entscheiden, ob die tarifliche Regelung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vereinbar ist. Die Auslegung des Tarifvertrags lasse es nicht zu, Urlaubszeiten bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen. Klärungsbedürftig sei, ob der Tarifvertrag damit einen unionsrechtlich unzulässigen Anreiz begründe, auf Urlaub zu verzichten.
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BAG: Grenzen der tariflichen Regelungsmacht - Ansprüche nur bei "arbeitsvertraglicher Nachvollziehbarkeit" eines Tarifwerks
Auch das BAG nimmt mit "Abschwächung" von "Corona" in Deutschland seine Sitzungen wieder auf. Laut Pressemitteilung Nr. 14/20 hat das BAG mit Urteil vom 13.05.2020 (4 AZR 489/19) festgestellt, dass die Parteien eines Tarifvertrags in diesem nicht wirksam vereinbaren können, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Einführung des Tarifwerks durch eine Bezugnahmeklausel auch individualvertraglich nachvollziehen. Eine solche Bestimmung liegt laut BAG außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Der Klägerin standen schon aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus den Tarifverträgen zu. Diese konnten laut BAG nicht von den vorgesehenen individualrechtlichen Umsetzungsmaßnahmen der Arbeitsvertragsparteien abhängig gemacht werden (§ 4 Abs. 1 TVG). Auch das durch § 4 Abs. 3 TVG geschützte Günstigkeitsprinzip stehe einer solchen Regelung entgegen. Die tarifvertraglichen Bestimmungen, die eine "arbeitsvertragliche Nachvollziehung" verlangen, seien daher unwirksam.
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BAG: Vergütung von Fahrtzeiten - Außendienstmitarbeiter
Laut Pressemitteilung Nr. 12/20 hat das BAG mit Urteil vom 18.3.2020 (Az.: 5 AZR 36/19) entschieden, dass die Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters zu vergüten sind. In dem entschiedenen Fall hielt das BAG anderslautende Regelungen in einer Betriebsvereinbarung für unwirksam, da die Bezahlung in einem Tarifvertrag anders geregelt war. In diesem Zusammenhang hat das BAG die allgemein gültige Ansicht vertreten, dass ein Außendienstmitarbeiter (auch) mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erfülle und daraus ein Vergütungsanspruch resultiere.
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BAG: Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers - Schadensersatz
Laut Pressemitteilung Nr. 8/20 hat das BAG mit Urteil vom 18.02.2020 (Az.: 3 AZR 206/18) eine interessante Entscheidung zum Thema "Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers - Schadensersatz" gefällt. Laut BAG habe der Arbeitgeber zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteile er jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssten diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls hafte der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund er fehlerhaften Auskunft erleide.
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BAG: Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam
Laut Pressemitteilung Nr. 7/20 hat das BAG mit Urteil vom 13.02.2020 (Az.: 6 AZR 146/19) in mehreren paarallelen Entscheidungen entschieden, dass die Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam wären. Dies ist insofern überraschend, als dass die Vorinstanzen die Kündigungsschutzklage von diversen Piloten noch abgewiesen hatten. Rechtlich hat das BAG seine Entscheidungen damit begründet, dass nach § 17 Abs. 1 KSchG der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit eine sog. Massenentlassungsanzeige erstatten müsse, bevor er in einem Betrieb eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen entlasse und bezüglich der Kündigungen des Cockpit-Personals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin bei der Anzeige jedoch der für § 17 KSchG maßgebliche Betriebsbegriff der MERL verkannt und deswegen die Anzeige nicht für den richtigen Betrieb erstattet worden sei. Das habe zur Folge, dass die Anzeige bei einer örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit erfolgte und nicht die erforderlichen Angaben enthielt. Dies bewirke die Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen.
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BAG: Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber
Laut Pressemitteilung Nr. 5/20 hat das BAG mit Urteil vom 23.01.2020 (Az.: 8 AZR 484/18) - für den Bereich des öffentlichen Dienstes - entschieden, dass für den Fall, dass dem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugeht, er diese nach § 82 Satz 2 SGB IX aF* zu einem Vorstellungsgespräch einladen müsse. Unterlässt er dies, sei er dem/der erfolglosen Bewerber/in allerdings nicht bereits aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet. Aber das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sei ein Indiz iSv. § 22 AGG**, das die Vermutung begründe, dass der/die Bewerber/in wegen seiner/ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde. Diese Vermutung könne - und müsse - der Arbeitgeber dann nach § 22 AGG widerlegen. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG erhalten.
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BAG: Kein Nachteilsausgleich für Kabinenpersonal von Air Berlin
Laut Pressemitteilung Nr. 2/20 hat sich das BAG in einer seiner ersten Entscheidungen des Jahres 2020 (Urteile vom 21.1.2020, Az.: 1 AZR 149/19 und 295/19) mit einer eher "gesellschaftlich", denn rechtlich relevanten Frage befasst und im Ergebnis - wie die Vorinstanzen - bestätigt, dass es keinen Nachteilsausgleich für Kabinenpersonal von Air Berlin geben würde. Rechtlich wurde dies damit begründet, dass in dem maßgeblichen Tarifvertrag "nur" die Verletzung des personalvertretungsrechtlichen Verhandlungsanspruchs sanktioniert würde. Dieser beziehe sich jedoch ausschließlich auf kabinenpersonalbezogene Maßnahmen. Das folge aus einem gesetzeskonformen Verständnis des tariflich geregelten Beteiligungsrechts der Personalvertretung Kabine. Und insoweit habe es keinen relevanten Verstoß gegeben, so dass es auch keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich geben würde.
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BAG: Rechtskraft eines eine Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils - (kein Schadensersatz)
Laut einer der letzten Pressemitteilungen des BAG aus dem Jahre 2019 (Nr. 47/19) hat das BAG mit Urteil vom 19.12.2019 (Az.: 8 AZR 511/18) entschieden, dass die Rechtskraft einer Entscheidung, mit der eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde, grundsätzlich etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ersatz entgangenen Verdienstes sowie entgangener Rentenansprüche ausschließe. Etwas anderes könne ausnahmsweise bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung iSv. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen. Dies wurde hier jedoch von allen drei Instanzen verneint.
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BAG: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - "Einheit des Verhinderungsfalls"
Laut Pressemitteilung Nr. 45/19 hat sich das BAG mit Urteil vom 11.12.2019 (Az.: 5 AZR 505/18) mit einem in der Praxis häufig vorkommenden "Problem" befasst, nämlich von sich zeitlich überschneidenden Erkrankungen. Rechtlich geht es um die Frage der "Einheit des Verhinderungsfalls". Hintergrund ist, dass der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt ist, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Laut BAG entstehe ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte. Sei der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließe sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, habe der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte.
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BAG: (kein) Ersatz eines Personenschadens
Laut Pressemitteilung Nr. 43/19 hat sich das BAG mit Urteil vom 28.11.2019 (Az.: 8 AZR 35/19) damit befasst, wann bei einem Personenschaden das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII greift. Danach gilt zugunsten des Arbeitgebers gegenüber dem Schadensersatzverlangen eines Beschäftigten, der infolge eines Versicherungsfalls einen Personenschaden erlitten hat, grundsätzlich ein Haftungsprivileg. Nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe oder es sich um einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg (Wegeunfall) handelt. Für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls sei ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich, d.h. der Vorsatz des Schädigers müsse sich nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen. Dies wurde vorliegend von allen Instanzen verneint (es ging dabei u.a. um die Frage, ob es sich um einen Wegeunfall gehandelt hat).
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BAG: Unwirksame Versetzung - Schadensersatz - Reisekosten
Laut Pressemitteilung Nr. 42/19 hat das BAG mit Urteil vom 28.11.2019 (Az.: 8 AZR 125/18) entschieden, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Wege des Schadensersatzes Erstattung der Kosten verlangen könne, die ihm durch die Benutzung seines privaten PKW entstanden seien, die Tatsachengerichte bei der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO die Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) über den Fahrtkostenersatz heranziehen können. In dem entschiedenen Fall hatte sich eine Versetzung des Arbeitgebers als unwirksam herausgestellt. Gleichwohl arbeitete der Kläger weisungsgemäß weiter an einem anderen Ort. Für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen nutzte er seinen privaten PKW. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Klage ua. auf Ersatz der Fahrtkosten für die Monate Juni bis September 2016 in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, er könne entsprechend den steuerrechtlichen Regelungen für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld iHv. 0,30 Euro beanspruchen. Im Ergebnis wurde ihm das dann auch durch das BAG zugesprochen, da die Regelungen des JVEG über den Fahrtkostenersatz für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld iHv. 0,30 Euro vorsehen.
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BAG: vereinbarte Beschäftigung nur während der Saison - zulässig
Laut Pressemitteilung Nr. 39/19 hat das BAG mit Urteil vom 19.11.2019 (Az.: 7 AZR 582/17) entschieden, dass bei einem Saisonarbeitsverhältnis die Vereinbarung einer auf die Badesaison begrenzten Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsvertrag eines in einem Freibad beschäftigten Arbeitnehmers jedenfalls dann wirksam sein könne, wenn für den Arbeitnehmer außerhalb der Badesaison kein Beschäftigungsbedarf bestehe. Die Parteien hätten in dem Vertrag vom 1. April 2006 nicht eine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse für die künftigen Jahre vereinbart. Vielmehr sei das Arbeitverhältnis unbefristet, lediglich die Arbeits- und Vergütungspflicht sei auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt. Diese Vereinbarung sei wirksam. Der Kläger werde dadurch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, da die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrags davon ausgehen durfte, nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf für den Kläger zu haben.
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BAG: Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen genügt nicht zum Nachweis einer Ausschlussfrist
Laut Pressemitteilung Nr. 36/19 hat sich das BAG mit Urteil vom 30.10.2019 (Az.: 6 AZR 465/18) mit einer auf den ersten Blick nur für die Kirchen relevanten Frage beschäftigt. Die Hinweise des BAG können aber auch für "normale" Arbeitsverhältnisse interessant sein, da das BAG auch festgestellt hat, dass Ausschlussfristen eine wesentliche Arbeitsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG seien. Die bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche genüge für den danach erforderlichen Nachweis nicht. Auch ein sog. „qualifizierter Nachweis“ nach § 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG, wonach sich die Ausschlussfrist nach der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung richte, sei nicht ausreichend, weil der abschließende Katalog dieser Bestimmung Ausschlussfristen nicht erfasse. Weise der kirchliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ausschlussfrist nicht im Volltext nach, könne der Arbeitnehmer ggf. im Wege des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, als ob er die Frist nicht versäumt hätte.
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BAG: Ruhegeld - Ablösung - Betriebsübergang
Laut Pressemitteilung Nr. 34/19 hat das BAG mit Urteil vom 22.10.2019 (3 AZR 429/18) festgestellt, dass die Betriebsparteien bei Eingriffen in Versorgungsrechte an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden seien. Das BAG habe diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften durch das sog. dreistufige Prüfungsschema präzisiert. Danach seien den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe der Arbeitgeber gegenüberzustellen. Dieses Schema finde auch Anwendung, wenn eine Versorgungsordnung infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch eine beim Erwerber bereits geltende Betriebsvereinbarung abgelöst werde.
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BAG: Feiertagsvergütung - Zeitungszusteller
Laut Pressemitteilung Nr. 32/19 hat das BAG mit Urteil vom 16.10.2019 (Az.: 5 AZR 352/18) festgestellt, dass eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der ein Zeitungszusteller einerseits Zeitungsabonnenten täglich von Montag bis Samstag zu beliefern habe, andererseits Arbeitstage des Zustellers aber lediglich solche Tage seien, an denen Zeitungen im Zustellgebiet erscheinen, gegen den Grundsatz der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltzahlung an Feiertagen verstoße. Gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz habe der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Danach hätten die Vorinstanzen zunächst zutreffend erkannt, dass der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf die begehrte Feiertagsvergütung habe. Die Beschäftigung des Klägers sei an den umstrittenen Feiertagen einzig deshalb unterblieben, weil in seinem Arbeitsbereich die üblicherweise von ihm zuzustellenden Zeitungen nicht erschienen sind. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Vereinbarung zur Festlegung vergütungspflichtiger Arbeitstage sei, soweit sie darauf ziele, Feiertage aus der Vergütungspflicht auszunehmen, wegen der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Entgeltzahlungsanspruchs unwirksam.
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BAG: Altersteilzeit im Blockmodell - (kein) Urlaub(sabgeltungsanspruch) für die Freistellungsphase
Laut Pressemitteilung Nr. 30/19 hat das BAG mit Urteil vom 24.09.2019 (Az.: 9 AZR 481/18) entschieden, dass nach Beendigung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell kein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub für die sog. Freistellungsphase besteht. Zur Begründung weist das BAG darauf hin, dass einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befinde und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden sei, mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zustehe. Die Freistellungsphase sei mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Vollziehe sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, müsse der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden.
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ArbG Siegburg: Keine fristlose Kündigung nur wegen Mitnahme eines erkrankten Kindes zur Arbeit
Laut Pressemitteilung Nr. 4/2019 hat das ArbG Siegburg mit - noch nicht rechtskräftigem - Urteil vom 04.09.2019 (Az.: 3 Ca 642/19) entschieden, dass die Mitnahme ihrer erkrankten und betreuungsbedürftigen Kinder durch einen Arbeitnehmerin zur Arbeit zwar eine Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten sei, dies jedoch keine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertige. Zwar war sei das Verhalten der Klägerin sowohl aus versicherungsrechtlichen Gründen als auch wegen der bestehenden Ansteckungsgefahr für die älteren Patienten problematisch und eine Pflichtverletzung; einen Grund für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sah das Gericht jedoch nicht. Grundsätzlich reiche in einem solchen Fall eine Abmahnung. Auch andere Gründe für eine sofortige Beendigung konnte der Arbeitgeber nicht darlegen.
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BAG: Sachgrundlose - Vorbeschäftigung (22 Jahre vorher unschädlich)
Laut Pressemitteilung Nr. 29/19 hat das BAG mit Urteil vom 21.08.2019 (7 AZR 452/17) entschieden, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt werde, das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift regelmäßig nicht zur Anwendung gelange. Interessant ist u.a. dass das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht ihr aber stattgegeben hatte, da - weiterhin ? - streitig ist, ob und wenn ja welche zeitliche Unterbrechung gegen eine relevante Vorbeschäftigung sprechen kann. Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung verfassungs- und europarechtlich Bestand haben wird, nachdem das BVerfG am 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) entschieden hatte, dass die Fachgerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken können, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.
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BAG: Heimarbeit - Verdienstsicherung und Urlaubsabgeltung
Laut Pressemitteilung Nr. 28/19 hat das BAG mit Urteil vom 20.08.2019 entschieden, dass ein Heimarbeiter nach Maßgabe des Heimarbeitsgesetzes (HAG) eine Sicherung seines Entgelts für die Dauer der Kündigungsfrist sowie Urlaubsabgeltung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verlangen kann. Dabei hat das BAG u.a. festgestellt, dass Heimarbeiter grundsätzlich keinen Anspruch auf Ausgabe einer bestimmten Arbeitsmenge hätten. Da sie aber regelmäßig auf Aufträge angewiesen seien, würden die Bestimmungen des HAG zum Kündigungsschutz eine Entgeltsicherung vorsehen. Kündige der Auftraggeber das Heimarbeitsverhältnis, könne der Heimarbeiter gemäß § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist Fortzahlung des Entgelts beanspruchen, das er im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor der Kündigung durch Heimarbeit erzielt habe. § 29 Abs. 8 HAG sichere das Entgelt, wenn der Auftraggeber nicht kündigt, jedoch die Arbeitsmenge, die er mindestens ein Jahr regelmäßig an einen Heimarbeiter ausgegeben hat, um mindestens ein Viertel verringert. Die Entgeltsicherung nach § 29 Abs. 7 und Abs. 8 HAG stehe dem Heimarbeiter jedoch nur alternativ zu.
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ArbG Siegburg: Keine Kündigung wegen Abkehrwillens
Laut Pressemitteilung 2/2019 hat das Arbeitsgericht Siegburg mit Urteil vom 17.07.2019 (Az.: 3 Ca 500/19) festgestellt, dass eine Kündigung (nur) wegen des Abkehrwillens des Arbeitnehmers unwirksam ist. Spricht ein Arbeitnehmer eine Eigenkündigung mit längerer Kündigungsfrist aus, reiche der darin liegende Abkehrwille nicht ohne weiteres für eine arbeitgeberseitige Kündigung mit der kürzest möglichen Frist aus. Zwar könne der Abkehrwille eines Arbeitnehmers (im Ausnahmefall) eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies aber nur dann, wenn Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung der Stelle zu erwarten seien und der Arbeitgeber eine sonst schwer zu findende Ersatzkraft gerade an der Hand habe. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
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BAG: (Keine) Pauschalvergütung von Überstunden durch Betriebsvereinbarung
Laut Pressemitteilung Nr. 27/19 hat das BAG mit Urteil vom 26.06.2019 (Az.: 5 AZR 452/18) festgestellt, dass eine tarifvertragsersetzende Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und ihrem Gesamtbetriebsrat unwirksam ist, soweit sie bestimmt, dass Gewerkschaftssekretäre, die im Rahmen vereinbarter Vertrauensarbeitszeit regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich hierfür pauschal eine näher bestimmte Anzahl freier Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten. Sie bestimme die Voraussetzungen des Mehrarbeitsausgleichs nicht hinreichend klar und verletzt zudem den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Anwendungsbereich der Norm verstoße mit der Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit“ gegen das Gebot der Normenklarheit, weil für die Beschäftigten nicht hinreichend klar ersichtlich sei, in welchem Fall eine solche anzunehmen ist und in welchem Fall nicht. Außerdem genüge die Regelung nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine - wie auch immer geartete - „Regelmäßigkeit“ von Überstunden sei kein taugliches Differenzierungskriterium dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschaliert oder „spitz“ nach den tatsächlich geleisteten Überstunden gezahlt werde.
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BAG: Massenentlassung - Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig
Laut Pressemitteilung Nr. 25/19 hat das BAG mit Urteil vom 13.6.2019 (Az.: 6 AZR 459/18) entschieden, dass bei Massenentlassungen eine Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig ist. Die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige könne auch dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen sei. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren seien daher - vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen - wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingehe, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.
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BAG: (Kein) Schadensersatz eines schwerbehinderten Beschäftigten wegen Ablehnung einer stufenweisen Wiedereingliederung
Laut Pressemitteilung Nr. 22/19 hat das BAG mit Urteil vom 16.05.2019 (Az.: 8 AZR 530/17) - anders als noch zuvor das LAG - in einem Einzelfall festgestellt, dass eine beklagte Stadt nicht verpflichtet gewesen sei, den Kläger entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans zu beschäftigen. Zwar könne der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (aF) verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung derart mitzuwirken, dass er die/den Beschäftigte/n entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans beschäftige. Im Fall des Klägers hätten allerdings besondere Umstände vorgelegen, aufgrund derer die beklagte Stadt ihre Zustimmung zum Wiedereingliederungsplan verweigern durfte. Es bestand aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin die begründete Befürchtung, dass der Gesundheitszustand des Klägers eine Beschäftigung entsprechend diesem Wiedereingliederungsplan nicht zulassen würde. Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich auch nicht bis zum vorgesehen Beginn der Maßnahme ausräumen.
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BAG: Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs schwerbehinderter Menschen zur unternehmerischen Organisationsfreiheit
Laut Pressemitteilung Nr. 21/19 hat das BAG mit Urteil vom 16.5.2019 (Az.: 6 AZR 329/18) festgestellt, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4 SGB IX (bis 31. Dezember 2017: § 81 Abs. 4 SGB IX aF) von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen können. Dies gebe schwerbehinderten Menschen jedoch keine Beschäftigungsgarantie. Der Arbeitgeber könne eine unternehmerische Entscheidung treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch eine Organisationsänderung entfallen lasse. Dessen besonderer Beschäftigungsanspruch sei dann erst bei der Prüfung etwaiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.
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LAG Berlin-Brandenburg: Bildungsurlaub für Yogakurs
Laut Pressemitteilung Nr. 13/19 vom 16.04.2019 hat das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 11. April 2019 (Az.: 10 Sa 2076/18) entschieden, dass ein Yogakurs unter bestimmten Voraussetzungen Bildungsurlaub rechtfertigen könne. Es ging um einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Bildungsurlaub für einen von der Volkshochschule angebotenen fünftägigen Kurs „Yoga I – erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“.Zur Begründung hat das LAG ausgeführt, der Kurs erfülle die Voraussetzungen gemäß § 1 Berliner Bildungsurlaubsgesetz. Es reiche aus, dass eine Veranstaltung entweder der politischen Bildung oder der beruflichen Weiterbildung diene. Der Begriff der beruflichen Weiterbildung sei nach der Gesetzesbegründung weit zu verstehen. Hiernach solle unter anderem Anpassungsfähigkeit und Selbstbehauptung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels gefördert werden. Auch ein Yogakurs mit einem geeigneten didaktischen Konzept könne diese Voraussetzungen erfüllen. Interessant finde ich, dass vielen Arbeitnehmer und auch Arbeitgebern der in vielen Bundesländern gesetzlich geregelte Bildungsurlaub gar nicht bekannt ist.
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BAG: Kürzung von Urlaubsansprüchen für Elternzeit europarechtlich ok
Laut Pressemitteilung Nr. 16/19 hat das BAG mit Urteil vom 19.03.2019 (Az.: 9 AZR 362/19) entschieden, dass die in § 17 BEEG vorgesehene Kürzung von Urlaubsansprüchen europarechtlich in Ordnung ist. Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG bestehe zwar auch für den Zeitraum der Elternzeit, er könne jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG stehe im Einklang mit dem Unionsrecht. Möchte der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, müsse er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu sei es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar sei, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen wolle. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasse auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart hätten.
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BAG: Verhältnis unbezahlter Sonderurlaub zu gesetzlichem Urlaubsanspruch
Laut Pressemitteilung Nr. 15/19 hat das BAG mit Urteil vom 19.03.2019 (Az.: 9 AZR 315/17) festgestellt, dass für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt bleiben. Dies könnte man als arbeitsrechtlicher Laie aber missverstehen. Daher die Erläuterung: Ausgangspunkt ist § 3 Abs. 1 BUrlG, wonach sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage beläuft. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Das BAG hat nunmehr festgestellt, dass dann, wenn sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub befinde, bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen sei, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führe dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zustehe.
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BAG: Unterrichtung des BR über Arbeitsunfälle vom Fremdpersonal
Laut Pressemitteilung Nr. 12/19 hat das BAG mit Beschluss vom 12.3.2019 (Az.: 1 ABR 48/17) entschieden, dass der Betriebsrat (BR) vom Arbeitgeber verlangen kann, über Arbeitsunfälle unterrichtet zu werden, die Beschäftigte eines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung der betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers erleiden. Nachdem die Vorinstanzen die Anträge des Betriebsrats noch abgewiesen hatten, hat das BAG festgestellt, dass nach § 89 Abs. 2 BetrVG der BR vom Arbeitgeber bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzugezogen werden müsse und hiermit ein entsprechender Auskunftsanspruch des BRs korrespondiere. Dieser umfasse im Streitfall auch Unfälle, die Arbeitnehmer erleiden, die weder bei der Arbeitgeberin angestellt noch deren Leiharbeitnehmer sind. Aus den Arbeitsunfällen des Fremdpersonals könnten arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer, für die der BR zuständig ist, gewonnen werden.
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BAG: (Kein) Verfall von Urlaubsansprüchen - Pflichten des Arbeitgebers
Laut Pressemitteilung Nr. 9/19 hat das BAG mit Urteil vom 19.02.2019 (Az.: 9 AZR 541/15) seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen den europäischen Vorgaben angepasst. Laut dieser neuen Rechtsprechung erlische der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe. Zwar sei es nach § 7 Abs. I S. 1 BUrlG weiter dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Entgegen der Annahme des LAG zwinge die Vorschrift den Arbeitgeber damit auch nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Danach sei der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber habe klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen werde, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nehme.
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BAG: (kein) Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen / (aber) Gebot des fairen Verhandelns
Laut Pressemitteilung Nr. 6/19 hat das BAG mit Urteil vom 7.2.2019 (Az.: 6 AZR 75/18) zwar ein Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen nicht besteht, aber das Gebot fairen Verhandelns beachtet werden muss. Laut BAG könne eine Arbeitnehmerin einen Vertrag, durch den das Arbeitsverhältnis beendet wird (Aufhebungsvertrag), auch dann nicht widerrufen, wenn er in ihrer Privatwohnung abgeschlossen wurde. Ein Aufhebungsvertrag könne jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Das BAG hat eine anderslautende Entscheidung des LAG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Das LAG habe nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet wurde. Dieses Gebot sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht und werde verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schaffe, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwere. Dies könne hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre.
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EuGH-Generalanwalt sieht Unternehmen zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet
Laut PRESSEMITTEILUNG Nr. 8/19 vom 31.01.2019 schlägt der Generalanwalt laut seiner Schlussanträge in der Rechtssache C-55/18 dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass Unternehmen verpflichtet sind, ein System zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit einzuführen. Den Mitgliedstaaten stehe es aber frei,die Formen und Wege der Umsetzung dieser Verpflichtung zu bestimmen. Der Generalanwalt hebt erstens hervor, dass es im Fall des Fehlens eines Systems zur Messung der Arbeitszeiten keine Garantie gebe, dass die von der Richtlinie 2003/88 festgelegten zeitlichen Beschränkungen tatsächlich beachtet würden, und daher auch nicht dafür, dass die Rechte, die die Richtlinie den Arbeitnehmern gewähre, ohne Hindernisse ausgeübt werden könnten. Ohne ein solches System könnten weder das Ausmaß tatsächlich geleisteter Arbeit und die Lage der Arbeitszeiten objektiv und sicher festgestellt werden noch zwischen Regelarbeitszeit und Überstunden unterschieden werden. Auch die für die Kontrolle der Einhaltung des Systems für die Sicherheit am Arbeitsplatz zuständige Behörde habe keine konkrete Möglichkeit, eine etwaige Nichterfüllung der Verpflichtungen festzustellen und zu beanstanden. Zweitens mache das Fehlen dieses Systems es für den Arbeitnehmer viel schwieriger, die Rechte, die ihm die Richtlinie 2003/88 gewähre, in einem Gerichtsverfahren zu wahren, da ihm dadurch eine erste wesentliche Nachweismöglichkeit genommen werde. Ohne ein solches System wäre es nämlich, wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen unter Verstoß gegen die von dieser Richtlinie vorgesehenen Beschränkungen der Arbeitszeit vorschriebe, sehr schwierig, eine wirksame Abhilfe gegen diese rechtswidrigen Verhaltensweisen zu schaffen.
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BAG: (Kein) Anspruch auf Mindestlohn bei einem Praktikum
Laut Pressemitteilung Nr. 5/19 hat das BAG mit Urteil vom 30.01.2019 (Az.: 5 AZR 556/17) entschieden, dass bei einem "echten" Praktikum (Anm. Reineke: Darüber wird oft gestritten), Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn hätten, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigen würde. Das Praktikum könne jedenfalls aus Gründen in der Person des Praktikanten/der Praktikantin rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehe und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten werde.
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BAG: Wirksamkeit eines Kopftuchverbots?
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 4/19 mit Beschluss vom 30.01.2019 (Az.: 10 AZR 299/18 (A)) den EuGH um Entscheidung darüber gebeten, ob europarechtlich Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Kopftuchverbots bestehen. Das Verbot eines Unternehmens der Privatwirtschaft, auffällige großflächige Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen am Arbeitsplatz zu tragen, werfe Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht auf. Diese Fragen müssten im Zusammenhang mit Konventions- und Verfassungsrecht durch ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH geklärt werden.Die Beklagte ist ein Unternehmen des Einzelhandels. Die Klägerin ist muslimischen Glaubens. Sie ist als Verkaufsberaterin und Kassiererin beschäftigt. Nach Rückkehr aus der Elternzeit trug die Klägerin - anders als zuvor - ein Kopftuch. Sie erfüllt damit ein islamisches Bedeckungsgebot, das sie als zwingend empfindet. Der Aufforderung der Beklagten, das Kopftuch am Arbeitsplatz abzulegen, kam die Klägerin nicht nach. Die Beklagte stützt sich zuletzt auf eine für alle Verkaufsfilialen geltende Kleiderordnung. Nach ihr ist das Tragen auffälliger großflächiger religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Zeichen am Arbeitsplatz verboten. Mit ihrer Klage will die Klägerin festgestellt wissen, dass die darauf beruhende Weisung der Beklagten unwirksam ist. Sie ist der Auffassung, die Weisung sei unwirksam, weil sie dadurch wegen ihrer Religion diskriminiert werde. Die Beklagte beruft sich auf ihre unternehmerische Freiheit und den Schutz der negativen Religionsfreiheit ihrer Kunden und Arbeitnehmer.
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BAG: Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung
Laut Pressemitteilung Nr. 3/19 hat das BAG mit Urteil vom 23.1.2019 (Az.: 7 AZR 733/16) seine Rechtsprechung geändert und festgestellt, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig ist, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Jahr 2011 hatte das BAG zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung könne jedoch auf Grund der Entscheidung des BVerfG vom 6.6.2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht aufrechterhalten werden. Allerdings könnten und müssten die Fachgerichte auch nach der Auffassung des BVerfG durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sei, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung könne danach (weiterhin) insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliege, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend aber nicht, insbesondere läge das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und damit nicht sehr lang zurück.
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BAG: Erben erben auch einen Urlaubsabgeltungsanspruch
Laut Pressemitteilung Nr. 1/19 hat das BAG mit Urteil vom 22.01.2019 (Az.: 9 AZR 45/16) - dem EuGH folgend - nunmehr entschieden, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, dessen Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) einen Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs haben. Das BAG weist darauf hin, dass Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden könne, nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten sei. Die nach dem europäischen Unionsrecht gebotene Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG ergebe, dass der Resturlaub auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasse dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aF.
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LAG Berlin-Brandenburg weist Kündigungsschutzklagen von Beschäftigten der Air Berlin ab
Laut Pressemitteilung Nr. 04/19 vom 18.01.2019 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in mehreren Entscheidungen die Kündigungsschutzklagen von Pilotinnen und Piloten der ehemaligen Air Berlin abgewiesen. Die ausgesprochenen Kündigungen seien aufgrund der Einstellung des Betriebs wirksam. Es habe weder einen Betriebsübergang der ehemaligen Air Berlin insgesamt noch von Betriebsteilen auf andere Fluggesellschaften gegeben. Für einen von Klägerseite insbesondere geltend gemachten Betriebsteilübergang fehle es bereits an einer abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit innerhalb der ehemaligen Air Berlin als Voraussetzung eines Übergangs dieser Einheit. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Weitere Entscheidungen über die zahlreichen Klagen stehen in den nächsten Wochen an.
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BAG: Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitarbeit
Laut Pressemitteilung Nr. 70/18 hat das BAG mit Urteil vom 19.12.2018 (Az.: 10 AZR 231/18) zum Thema "Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitarbeit" entschieden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG dahin auszulegen sein könne, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeitquote hinausgeht, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch nicht überschreitet. Es ging um ein Arbeitsverhältnis, auf das der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung findet. Laut BAG ergebe die Auslegung des Tarifvertrags, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgehe. Diese Auslegung entspreche höherrangigem Recht und sei mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar. Zu vergleichen seien die einzelnen Entgeltbestandteile, nicht die Gesamtvergütung. Teilzeitbeschäftigte würden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entstehe, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würden würde. Der 10. Senat gebe damit seine gegenläufige Ansicht auf und schließe sich der Auffassung des 6. Senats an.
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BAG: Altersgrenze - Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts
Laut Pressemitteilung Nr. 69/18 hat sich das BAG mit Urteil vom 19.12.2018 (Az.: 7 AZR 70/17) mit dem Thema "Altersgrenze - Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts" befasst und festgestellt: Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, im Falle der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, sei wirksam. Sie sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Es konnte unentschieden bleiben, ob eine Hinausschiebensvereinbarung voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird.
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"Guten Rutsch" bzw. "Frohes Neues Jahr"
... je nachdem, wann Sie sich das erste/nächste Mal wieder auf meiner Homepage befinden.
Und etwas "Aktuelles" gibt es auch noch: Laut Pressemitteilung Nr. 68/18 hat das BAG mit Urteil vom 13.12.2018 (Az.: 2 AZR 378/18) festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen, die ein Arbeitgeber ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, gem. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der vom 30. Dezember 2016 bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (seit dem 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) unwirksam sei. Der erforderliche Inhalt der Anhörung und die Dauer der Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung richte sich nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen (§ 102 BetrVG). Die Kündigung sei jedoch nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF (seit dem 1. Januar 2018: § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichte oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt habe.
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BAG: (erlaubte) Streikmobilisierung auf Firmenparkplatz
Laut Pressemitteilung Nr. 62/18 hat das BAG mit Urteil vom 20.11.2018 (Az.: 1 AZR 189/17) entschieden, dass das Streikrecht die Befugnis einer streikführenden Gewerkschaft umfasse, die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebes anzusprechen, um sie für die Teilnahme am Streik zu gewinnen. Eine solche Aktion könne - abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten - mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein. Die Arbeitgeberin ist ein weltweit tätiges Versand- und Logistikunternehmen, deren Name jedem bekannt und in der "normalen" Presse auch genannt worden ist., das sich vergeblich gegen die streitgegegenständliche Maßnahme der Gewerkschaft zu wehren versucht hat.
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EuGH: Die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers können von dessen ehemaligem Arbeitgeber eine finanzielle Vergütung für den von dem Arbeitnehmer nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen
Laut Pressemitteilung Nr. 164/18 hat der EuGH mit Urteil vom 6.11.2018 (in den verbundenen Rechtssachen C-569/16 und C-570/16) bestätigt, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nach dem Unionsrecht nicht mit seinem Tod untergehe. Außerdem könnten die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers eine finanzielle Vergütung für den von ihm nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen. Sofern das nationale Recht eine solche Möglichkeit ausschließe und sich daher als mit dem Unionsrecht unvereinbar erweise, können sich die Erben unmittelbar auf das Unionsrecht berufen, und zwar sowohl gegenüber einem öffentlichen als auch gegenüber einem privaten Arbeitgeber.
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EuGH: Ein Arbeitnehmer darf seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat
Laut Pressemitteilung des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Nr. 165/18 hat der EuGH am 06.11.2018 entschieden, dass das Unionsrecht es nicht zulasse, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon allein deshalb verliere, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt habe. Diese Ansprüche könnten nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen habe.
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EuGH: Arbeitnehmer der Stiftungen für Oper und Orchester dürfen nicht vom Schutz gegen den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge ausgeschlossen werden
Laut Pressemitteilung Nr. 160/18 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil in der Rechtssache C-331/17 festgestellt, dass Arbeitnehmer der Stiftungen für Oper und Orchester nicht vom Schutz gegen den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge ausgeschlossen werden dürfen. In der Begründung wird ua darauf hingewiesen, dass Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Rahmenvereinbarung (am 18. März 1999 geschlossene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 1) Mindestschutzbestimmungen vorsehe, mit denen die Prekarisierung der Beschäftigten verhindert werden solle. Die Mitgliedstaaten müssen daher mindestens eine der von der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen ergreifen, verfügen dabei insoweit aber über ein Ermessen und hätten die Möglichkeit, die besonderen Anforderungen spezifischer Branchen und/oder bestimmter Arbeitnehmerkategorien zu berücksichtigen, was im vorliegenden Fall aber nicht europarechtsgemäß erfolgt sei.
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BAG: Benachteiligung wegen der Relegion - Entschädigung
Laut Pressemitteilung Nr. 53/18 hat das BAG mit Urteil vom 25.10.2018 (Az.: 8 AZR 501/14) festgestellt, dass bei einer Benachteiligung wegen der Religion eine Entschädigung nach dem AGG gerechtfertigt sein kann, und zwar auch, wenn es sich um einen kirchlichen Arbeitgeber handelt. Der Beklagte ist ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er schrieb eine Stelle eines Referenten/einer Referentin (60 %) aus. Gegenstand der Tätigkeit sollten schwerpunktmäßig die Erarbeitung des Parallelberichts zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland sowie Stellungnahmen und Fachbeiträge und die projektbezogene Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschrechtsorganisationen sowie die Mitarbeit in Gremien sein. In der Stellenausschreibung heißt es ferner: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“ Die konfessionslose Klägerin bewarb sich auf die Stelle. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. mindestens 9.788,65 Euro verlangt. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen der Religion benachteiligt. Sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Der Beklagte hat eine Benachteiligung der Klägerin wegen der Religion in Abrede gestellt; jedenfalls sei die Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 AGG* gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin eine Entschädigung iHv. 1.957,73 Euro zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 3.915,46 Euro zu zahlen. Der Beklagte habe die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung sei auch nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG scheide aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG sei einer unionsrechtskonformen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG** nicht zugänglich und müsse deshalb unangewendet bleiben. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG lägen nicht vor. Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG - in unionsrechtskonformer Auslegung - sei eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstelle. Vorliegend beständen erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung. Jedenfalls sei die berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestehe, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Der Höhe nach sei die Entschädigung auf zwei Bruttomonatsverdienste festzusetzen.
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BAG: Vergütung von Reisezeiten bei Auslandseinsatz
Laut Pressemitteilung Nr. 51/18 hat das BAG mit Urteil vom 17.10.2018 (Az.: 5 AZR 553/17) festgestellt, dass dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland entsende, die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten seien. Entsende der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und seien deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich sei dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug anfalle.
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Laut BAG: Keine Verzugskostenpauschale für Arbeitnehmer nach § 288 Abs. V BGB
Laut Pressemitteilung Nr. 46/18 hat das BAG die Frage, ob ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung von Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB* bei Verzug des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung bestehe im Ergebnis verneint. Zwar finde § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befinde. Allerdings schließe § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus. Ich habe erhebliche Zweifel, ob dies den europarechtlichen Vorgaben zu Sinn und Zweck der Verzugskostenpauschale gerecht wird (BAG, Urteil vom 25. September 2018, Az.: 8 AZR 26/18).
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BAG: Mindestlohn - (keine) arbeitsvertragliche Ausschlussfrist
Laut Pressemitteilung Nr. 43/18 hat das BAG mit Urteil vom 18.09.2018 (Az.: 9 AZR 162/18) und entgegen einer Entscheidung des LAG Hamburg festgestellt, dass eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 1. Januar 2015 von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasse, gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße und sei - jedenfalls dann - insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde. Nachdem das Arbeitsgericht eine Zahlungsklage des Arbeitnehmers stattgegeben und das LAG sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen hatte, führte die Revision des Klägers vor dem BAG zum Erfolg und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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EuGH: Kündigung eines katholischen Arbeitnehmers (nur) wegen neuer Heirat kann Diskrimierung sein
Laut PRESSEMITTEILUNG Nr. 127/18 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 11.09.2018 (Az.: C-68/17) festgestellt, dass die Kündigung eines katholischen Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen erneuter Eheschließung nach Scheidung eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen könne. Zur Begründung weist der EuGH darauf hin, dass die Anforderung an einen katholischen Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung erscheine. Die Sache wurde an das BAG - von dem die Anfrage kam - zurückverwiesen, um darüber im vorliegenden Fall abschließend zu befinden.
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BAG: Frühere befristete Arbeitsverhältnisse müssen bei der Stufenzuordnung im TvÖD berücksichtigt werden
Laut Pressemitteilung Nr. 42/18 hat das BAG mit Urteil vom 06.09.2018 (Az.: 6 AZR 836/16) entschieden, dass die Stufenzuordnung im TVöD (VKA) unter Berücksichtigung früherer befristeter Arbeitsverhältnisse zu erfolgen hat. Bei der Stufenzuordnung nach Begründung eines Arbeitsverhältnisses, auf das der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung anzuwenden ist, seien Zeiten einschlägiger Berufserfahrung aus vorherigen befristeten Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber zu berücksichtigen, wenn die Wiedereinstellung für eine gleichwertige oder gleichartige Tätigkeit erfolge („horizontale“ Wiedereinstellung) und es zu keiner längeren als einer sechsmonatigen rechtlichen Unterbrechung zwischen den Arbeitsverhältnissen gekommen sei. Bei der nach der Einstellung vorzunehmenden Zuordnung der Klägerin zu einer Stufe ihrer Entgeltgruppe wären unter Berücksichtigung des Benachteiligungsverbots des § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG alle Zeiten einschlägiger Berufserfahrung als Erzieherin aus den vorherigen befristeten Arbeitsverhältnissen mit der Beklagten zu berücksichtigen. Dem stehe die rechtlichen Unterbrechungen zwischen den einzelnen Befristungen nicht entgegen. Solche seien jedenfalls dann unschädlich, wenn sie wie im Fall der Klägerin jeweils nicht länger als sechs Monate dauern.
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LAG Berlin-Brandenburg: Kein 3-Minuten-Takt für Taxifahrer
Laut Pressemitteilung Nr. 16/18 vom 04.09.2018 hat das LAG Berlin Brandenburg mit Urteil vom 30.08.2018 (Az.: 26 Sa 1151/17) festgestellt, dass ein Taxiunternehmen von einem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen könne, während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. Das LAG Berlin-Brandenburg hat wie bereits das Arbeitsgericht einen Anspruch auf den Mindestlohn auch für Standzeiten ohne Betätigung der Signaltaste bejaht. Bei den Standzeiten handle es sich um vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten, das unterbliebene Betätigen des Signalknopfes stehe der Vergütungspflicht nicht entgegen. Die Weisung, einen solchen Signalknopf zur Bestätigung der Arbeitsbereitschaft alle drei Minuten zu drücken, sei nicht durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gedeckt und in Abwägung der beiderseitigen Belange unverhältnismäßig. Dass es sich hier bei den nicht erfassten Standzeiten nicht um Pausenzeiten handeln könne, werde auch an der Verteilung der Zeiten deutlich. Bei einer Zeit von knapp zwölf Stunden zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende entsprächen als Arbeitszeit erfasste Standzeiten von elf Minuten, wie sie hier beispielsweise angefallen sind, nicht den Arbeitsabläufen im Taxigewerbe.
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BAG: Offene Videoüberwachung - (kein) Verwertungsverbot
Laut Pressemitteilung Nr. 40/18 hat das BAG mit Urteil vom 23.08.2018 (Az.: 2 AZR 133/18) festgestellt, dass eine Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig werde, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich sei. Nachdem die Vorinstanzen die Verwertung der Videos aus datenschutzrechtlichen Gründe für unzulässig hielten, stellt das BAG darauf ab, ob es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt habe. Dann wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF* zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Der Beklagte müsste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er dürfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Da noch nicht abschließend feststellbar sei, ob es sich um eine rechtmäßig offene Videoüberwachung gehandelt habe, wurde die Sache zurückverwiesen.
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BAG: Arbeitskampf - Streikbruchprämie als zulässiges Kampfmittel
Laut Pressemitteilung Nr. 39/18 hat das BAG mit Urteil vom 14.08.2018 (Az.: 287/17) festgestellt, dass ein bestreikter Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt sei, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Prämie (Streikbruchprämie) von einer Streikbeteiligung abzuhalten. In der Zusage der Prämienzahlung an alle arbeitswilligen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber liege zwar eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Beschäftigten. Diese sei aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Der Arbeitgeber wolle mit der freiwilligen Sonderleistung betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit dem Streikdruck entgegenwirken. Vor dem Hintergrund der für beide soziale Gegenspieler geltenden Kampfmittelfreiheit handele es sich um eine grundsätzlich zulässige Maßnahme des Arbeitgebers. Für diese gelte das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Danach sei die ausgelobte Streikbruchprämie - auch soweit sie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches überstieg - nicht unangemessen.
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LAG Düsseldorf: Eigenbeurlaubung führt zu Kündigung
Laut Pressemitteilung Nr. 28/18 hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 11.07.2018 entschieden (Az.: 8 Sa 87/18), dass ein „Spontan-Urlaub“ als eigenmächtige Inanspruchnahme von Urlaub ein Kündigungsgrund sein könne, der an sich sogar eine fristlose Kündigung rechtfertige würde. Dadurch, dass die Klägerin ernsthaft zu erkennen gegeben habe, dass sie an dem eigenmächtig genommenen Urlaub festhalte und nicht zur Arbeit kommen werde, habe sie die falschen Prioritäten gesetzt und ihre vertragliche Pflicht zur Arbeit beharrlich verletzt. Einer Abmahnung habe es wohl nicht bedurft und die Interessenabwägung falle in Anbetracht der kurzen Beschäftigungsdauer zu Lasten der Klägerin aus.
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BAG: Rückzahlung einer tarifvertraglichen Sonderzuwendung bei Ausscheiden bis zum 31.3. des Folgejahres
Laut Pressemitteilung Nr. 36/18 hat das BAG mit Urteil vom 27.06.2018 (Az.: 10 AZR 290/17) festgestellt, dass in Tarifverträgen der Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums im Folgejahr abhängig gemacht werden könne. Eine Besonderheit ergab sich in dem entschiedenen Fall daraus, dass auf das Arbeitsverhältnis aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme ein Tarifvertrag Anwendung fand, der eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung vorsah. Das BAG hat darauf hingewiesen, dass die Rückzahlungsregelung nach der Rechtsprechung des Senats allerdings unwirksam wäre, wenn sie als arbeitsvertragliche Allgemeine Geschäftsbedingung einer Klauselkontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen wäre (ausführlich BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231). Arbeitsvertraglich in ihrer Gesamtheit einbezogene Tarifverträge unterlägen jedoch keiner solchen Inhaltskontrolle, weil sie nur bei einer Abweichung von Rechtsvorschriften stattfinde (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) und Tarifverträge nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften im Sinn von § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen würden.
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BAG: Hemmung einer Ausschlussfrist wegen Vergleichsverhandlungen
Laut Pressemitteilung Nr. 32/18 hat das BAG mit Urteil vom 20.06.2018 (5 AZR 262/17) die Hemmung einer Ausschlussfrist wegen Vergleichsverhandlungen bejaht und folgendes festgestellt: Verlange eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden müsse, sei die Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 Satz 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen würden. Der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern würden, werde entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet. § 203 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, finde auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechende Anwendung.
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Arbeitnehmer sollen Recht auf zeitlich begrenzte Teilzeit bekommen
Laut verschiedener Presseveröffentlichungen (u.a. bei beck aktuell) sollen Arbeitnehmer in Deutschland ein Recht auf eine zeitlich begrenzte Teilzeitstelle bekommen. Nach Ablauf dieser "Brückenteilzeit" sollen sie dann in Vollzeit zurückkehren können. Das Bundeskabinett habe am 13.06.2018 in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschlossen. Das neue Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit solle in Unternehmen mit mindestens 45 Beschäftigten gelten. Das Gesetz solle nun das parlamentarische Verfahren durchlaufen und vom 01.01.2019 an gelten. Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland habe Bundearbeitsminister Heil seinen Entwurf noch zugunsten der Arbeitgeber entschärft. Ursprünglich sei vorgesehen gewesen, dass der Arbeitgeber die Beweislast für das Fehlen eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes zu tragen habe, wenn ein Arbeitnehmer in Vollzeit zurückkehren wolle. Der Gesetzentwurf sei nun durch eine Klarstellung ergänzt worden, in der es heiße: "Ein freier zu besetzender Arbeitsplatz liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen."
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BAG: Schadensersatz - Arbeitnehmerhaftung - Ausschlussfrist - Fristbeginn
Laut Pressemitteilung Nr. 30/18 hat das BAG mit Urteil vom 07.06.2018 (Az.: 8 AZR 96/17) u.a. festgestellt, dass etwaige Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Ausschlussklausel verfallen seien. Es ging um einen Autoverkäufer, dem ein Auto "abhanden" gekommen war, wofür der Arbeitgeber Schadensersatz haben wollte. Laut BAG habe die Ausschlussfrist spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, als sich die Klägerin entschlossen habe, Klage gegen den Kunden zu erheben. Ob das Schreiben an den Arbeitnehmer überhaupt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfülle, könne dahinstehen, da die Ausschlussfrist nicht gewahrt sei. Etwas anderes folge im Hinblick auf den Fristbeginn weder aus § 254 Abs. 2 BGB noch aus § 241 Abs. 2 BGB. Danach sei aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls keine vorrangige gerichtliche Inanspruchnahme des Kunden durch die Klägerin geboten, da es dieser nicht ohne weiteres möglich wäre, den Kunden mit rechtlichem und vor allem wirtschaftlichem Erfolg in Anspruch zu nehmen. Als die Klägerin sich entschloss, Klage gegen den Kunden zu erheben, sei erkennbar gewesen, dass eine solche Klage keine realistische Aussicht bot, von dem Kunden überhaupt irgendeine Leistung zu erlangen.
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EuGH: Streit um die Kündigung eines geschiedenen und wiederverheirateten Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus geht in die nächste Runde: EuGH-Generalanwalt Wathelet hält die Kündigung für nicht gerechtfertigt
Laut PRESSEMITTEILUNG Nr. 73/18 des EuGH vom 31.05.2018 enthalten die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-68/17 "Streitstoff" für die "kirchenfreundlichere" Rechtsprechung des BVerfG und des BAG. Nach Ansicht von Generalanwalt Wathelet stehe das Verbot der Diskriminierung wegen der Religion dem entgegen, dass einem katholischen Chefarzt eines katholischen Krankenhauses aufgrund seiner Scheidung und Wiederheirat gekündigt werde. Die Anforderung, dass ein katholischer Chefarzt den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche beachtet, stelle keine echte berufliche Anforderung und erst recht keine wesentliche und gerechtfertigte berufliche Anforderung dar. Die Kündigung gegenüber dem Kläger wäre dann als unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion offenkundig rechtswidrig, wenn die Kirchen und Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruhe, nicht aufgrund des deutschen Verfassungsrechts und der Richtlinie eine rechtliche Sonderstellung hätten. Das BAG habe daher zu prüfen, ob die GmbH eine private Organisation sei, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruhe. Des Weiteren stelle nach der Richtlinie eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung dar, wenn die Religion oder Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellte. Im Streitfall sei die Anforderung nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, sondern die Zustimmung zu einer bestimmten Überzeugung der katholischen Kirche, nämlich dem Eheverständnis. Eine solche Überzeugung stelle nach Ansicht des Generalanwalts offenkundig keine berufliche Anforderung und erst recht keine wesentliche und gerechtfertigte berufliche Anforderung dar, denn die Anforderung stehe in keinem Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Klägers, der Erbringung von Gesundheits- und Pflegediensten für Kranke.
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EuGH-Generalanwalt: Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers können "Urlaubsabgeltung" für nicht genommenen Urlaub fordern
Auch wenn es sich dabei noch nicht um eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) handelt, sind die Schlußanträge des Generalanwalts in zwei vom BAG kommenden Verfahren sehr interessant. Dieser hat dem EuGH vorgeschlagen, die Vorlagefragen des Bundesarbeitsgerichts (Deutschland) in den verbundenen Rechtssachen Bauer (C‑569/16) und Willmeroth (C‑570/16) wie folgt zu beantworten:
1. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie den in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Anspruchs auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub untergeht und die Zahlung einer solchen Vergütung an die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers somit ausgeschlossen ist.
2. Außerdem schlage ich in der Rechtssache Bauer (C‑569/16) vor, dem Bundesarbeitsgericht Folgendes zu antworten:
Wenn ein mit einem Rechtsstreit zwischen einer Privatperson und einer Körperschaft des öffentlichen Rechts befasstes nationales Gericht das einschlägige nationale Recht nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 auslegen kann, ist es verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus diesem Artikel erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für dessen volle Wirksamkeit zu sorgen, indem es erforderlichenfalls von der Anwendung jeder entgegenstehenden nationalen Vorschrift absieht.
3. Schließlich schlage ich dem Gerichtshof vor, in der Rechtssache Willmeroth (C‑570/16) wie folgt zu entscheiden:
Wenn ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht das einschlägige nationale Recht nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 auslegen kann, ist es verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls von der Anwendung jeder entgegenstehenden nationalen Vorschrift absieht.
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BAG: Kein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Tagesmütter
Laut Pressemitteilung Nr. 24/18 hat das BAG mit Urteil vom 23.05.2018 (Az.: 5 AZR 263/17) festgestellt, dass es keinen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Tagesmütter gibt. Zur Begründung weist das BAG darauf hin, dass die Klägerin als Tagespflegeperson keine Arbeitnehmerin des beklagten Landkreises sei, und zwar auch nicht im Sinne des Unionsrechts. Sie verrichte für diesen nicht Tätigkeiten nach dessen Weisung. Aus der Richtlinie 2010/41/EU folge kein unmittelbarer Anspruch auf die begehrte Zahlung gegen den beklagten Landkreis, denn die Richtlinie bestimme den Schuldner nicht hinreichend konkret. Gleiches gelte für die UN-Frauenrechtskonvention.
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LAG Thüringen: (keine) Abmahnung - Muss der Arbeitnehmer zur Absicherung eines Notfalldienstes außerhalb einer Rufbereitschaft seine private Mobilfunknummer herausgeben?
Laut Medieninformation Nr. 3/18 hat das Thüringer Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 16.05.2018 (Az.: 6 Sa 442 / 17 und 6 Sa 444 / 17) in den entschiedenen Fällen diese Frage verneint und deshalb die eingelegte Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen. Ein kommunaler Arbeitgeber hatte das System seiner Rufbereitschaft zur Einrichtung eines Notdienstes geändert. In diesem Zusammenhang hatte er von den Arbeitnehmern die Bekanntgabe ihrer privaten Mobilfunknummer verlangt, um sie außerhalb des Bereitschaftsdienstes im Notfall erreichen zu können. Es könne offen bleiben, ob überhaupt eine Anspruchsgrundlage bestünde. Zumindest sei ein Anspruch durch das Thüringer Landesdatenschutzgesetz begrenzt. Die Pflicht zur Herausgabe der privaten Mobilfunknummer stelle einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, welcher durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt sein müsse. Der Abwägungsprozess der beiderseitigen Interessen müsse ergeben, dass der Eingriff angemessen sei. Eine Pflicht zur Bekanntgabe der privaten Mobilfunknummer greife besonders tief in die persönliche Sphäre des Arbeitnehmers ein. Der Arbeitnehmer könne sich aufgrund der ständigen Erreichbarkeit dem Arbeitgeber ohne Rechtfertigungsdruck nicht mehr entziehen und so nicht zur Ruhe kommen. Auf die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich kontaktiert und im Notfall herangezogen zu werden, komme es nicht an. Der Arbeitgeber habe durch die Änderung seines bestehenden Systems der Rufbereitschaft selbst die Problemlage herbeigeführt und ihm stünden andere Möglichkeiten zur Absicherung gegen Notfälle zur Verfügung.
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LAG Düsseldorf: "Roomboy" erstreitet mehr als € 20.000,--
Laut Pressemitteilung Nr. 21/18 hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 09.05.2018 – 7 Sa 278/17 für einen Roomboy eine Nachzahlung von über 20.000 Euro ausgeurteilt. Der Arbeitgeber (= Beklagte) erbringt u.a. Dienstleitungen im Bereich Hotelservice. Der Kläger war bei dieser als sog. Roomboy beschäftigt und reinigte in einem Hotel Gästezimmer und Suiten. Der Kläger hatte vorgetragen, die Stundenzettel habe er im Voraus blanko unterzeichnen müssen. Es handele sich um die rein statistische Wiedergabe der ihm zugewiesenen Zimmerzahl multipliziert mit 30 Minuten bzw. bei Suiten mit 45 Minuten. Tatsächlich habe er von November 2015 bis Juni 2016 monatlich Arbeitsleistungen erbracht, die zwischen 127,33 und 243 Stunden monatlich gelegen hätten. Die Vereinbarung zur Arbeitszeit sei unwirksam, weil sie das Betriebsrisiko einseitig auf den Kläger verlagerte und eine Arbeitszeit von 0 bis 48 Wochenstunden zulassen würde.
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BAG: Entgeltumwandlung - (keine) Kündigung einer Direktversicherung im bestehenden Arbeitsverhältnis
Laut Pressemitteilung Nr. 21/18 hat das BAG mit Urteil vom 26.04.2016 (Az.: 3 AZR 586/16) entschieden, dass der bloße Geldbedarf eines Arbeitnehmers, für den der Arbeitgeber eine Direktversicherung zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung abgeschlossen habe, für sich genommen keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber begründe, den Versicherungsvertrag gegenüber der Versicherungsgesellschaft zu kündigen, damit der Arbeitnehmer den Rückkaufswert erhalte. Die im Betriebsrentengesetz geregelte Entgeltumwandlung diene dazu, den Lebensstandard des Arbeitnehmers im Alter zumindest teilweise abzusichern. Mit dieser Zwecksetzung wäre es nicht vereinbar, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen könnte, die Direktversicherung lediglich deshalb zu kündigen, um dem versicherten Arbeitnehmer die Möglichkeit zu verschaffen, das für den Versorgungsfall bereits angesparte Kapital für den Ausgleich von Schulden zu verwenden.
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EuGH: Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht bei jeder Stelle eine Relegionszugehörigkeit der Bewerber forden
Laut Pressemitteilung Nr. 46/18 hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 17.04.2018 in der Rechtssache C-414/16 (Vera Egenberger / Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.) festgestellt, dass das Erfordernis, dass Bewerber um eine bei der Kirche zu besetzende Stelle einer bestimmten Religion angehören, Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein müsse. Dieses Erfordernis müsse notwendig und angesichts des Ethos der Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Anderenfalls könne eine europarechtlich unzulässige Benachteiligung aus Gründen der Religion vorliegen. Diese Entscheidung erging auf Vorlage des BAG, welches manchmal bereits jetzt etwas "skeptischer" ist gegenüber irgendwelchen "Sonderwegen" im Kirchenarbeitsrecht; anders zB als das insoweit vermeintlich "kirchenfreundlichere" Bundesverfassungsgericht.
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BAG: Dynamische Bezugnahmeklausel - (keine) Änderung durch Betriebsvereinbarung
Laut Pressemitteilung Nr. 18/18 hat das BAG mit Urteil vom 11.04.2018 (Az.: 4 AZR 119/17) entschieden, dass eine individualvertraglich vereinbarte Vergütung nach tariflichen Grundsätzen durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgeändert werden könne. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen noch abgewiesen wurde, hat das BAG dem Kläger nunmehr Recht gegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Kläger nach der jeweiligen Entgelttabelle des TVöD/VKA zu vergüten. Der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten die Vergütung nach den jeweils geltenden Regelungen des BAT und nachfolgend des TVöD/VKA arbeitsvertraglich vereinbart und diese habe durch eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1993 nicht wirksam abgeändert werden können. Es habe sich bei der Vereinbarung der Vergütung nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um eine individuell vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfene Regelung der Hauptleistungspflicht gehandelt.
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BAG: (erfolglose) Vollstreckungsabwehrklage - Beschäftigungstitel - Unmöglichkeit
Laut Pressemitteilung Nr. 17/18 hat das BAG mit Urteil vom 21.03.2018 (Az.: 10 AZR 560/16) entschieden, dass ein Arbeitgeber im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO nicht erfolgreich einwenden kann, ihm sei die Erfüllung eines rechtskräftig zuerkannten Beschäftigungsanspruchs auf einem konkreten Arbeitsplatz wegen dessen Wegfalls unmöglich, wenn er den arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch durch Zuweisung einer anderen vertragsgemäßen Tätigkeit erfüllen könnte. Zur Begründung weist das BAG darauf hin, dass selbst wenn die Beschäftigung des Beklagten infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich sei, die Klägerin mit dieser Einwendung im Verfahren nach § 767 ZPO jedenfalls wegen des aus § 242 BGB abzuleitenden, von Amts wegen zu berücksichtigenden sog. Dolo-agit-Einwands* nicht durchdringen könne. Nach diesem Grundsatz verstößt gegen "Treu und Glauben", wer eine Leistung verlangt, die er sofort zurückgewähren muss.
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Hessisches LAG: Schiedsrichter sind keine Arbeitnehmer
Laut Pressemitteilung Nr. 03/2018 vom 15.03.2018 hat das Hesssisches Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 15.03.2018 (Az.: 9 Sa 1399/16) die - zumindest für Fußballinteressierte relevante - Entscheidung getroffen, dass die Vereinbarung zwischen einem Schiedsrichter und dem DFB e. V. über Einsätze für eine Spielzeit kein Arbeitsvertrag sei. Der Kläger hatte darauf abgestellt, er sei wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden zu bestimmten Spielen nach einem Dienstplan eingesetzt worden, gebunden durch fachliche und inhaltliche Weisungen. Da er über die Dauer von insgesamt 9 Spielzeiten herangezogen wurde, habe der DFB seinen Vertrag nicht mehr befristen dürfen. Der Vertrag gelte deshalb fort, er müsse weiter im Profi-Bereich eingesetzt werden. Dagegen hat das LAG festgestellt, dass der für eine Spielzeit geschlossene Vertrag kein Arbeitsvertrag sei, sondern nur eine Rahmenvereinbarung. Diese Rahmenvereinbarung regele die Bedingungen der – erst im Laufe der Saison – abgeschlossenen Einzelverträge für die Leitung der jeweiligen Spiele. Die Vereinbarung sehe keine Verpflichtung des Schiedsrichters vor, bestimmte Spiele zu übernehmen. Auch könne der Schiedsrichter nach der Rahmenvereinbarung ausdrücklich nicht verlangen, dass man ihm Spiele zuweise. Da der im Streit stehende Schiedsrichtervertrag kein Arbeitsvertrag sei, könne er daher nicht nach den Befristungsregeln für Arbeitsverträge überprüft werden.
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BSG: Geschäftsführer einer GmbH sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig
Laut Pressemitteilung 14/2018 vom 15. März 2018 hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteilen vom 14.03.2018 (Az.: B 12 KR 13/17 R und B 12 KR 5/16 R) festgestellt, dass Geschäftsführer einer GmbH regelmäßig sozialversicherungspflichtig sind. Zur Begründung weist das BSG darauf hin, dass Geschäftsführer einer GmbH regelmäßig als Beschäftigte der GmbH anzusehen seien und daher der Sozialversicherungspflicht unterliegen würden. Ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter der GmbH ist, sei nur dann nicht abhängig beschäftigt, wenn er die Rechtsmacht besitzte, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Das sei regelmäßig der Fall, wenn er mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital halte (Mehrheitsgesellschafter). Ist der Geschäftsführer kein Mehrheitsgesellschafter, sei eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht ausnahmsweise auch dann anzunehmen, wenn er exakt 50 % der Anteile halte oder bei einer noch geringeren Kapitalbeteiligung kraft ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag (Satzung) über eine umfassende ("echte"/qualifizierte) Sperrminorität verfüge, sodass es ihm möglich ist, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.
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BAG: Hinterbliebenenversorgung - Altersabstandsklausel - Altersdiskriminierung
Laut Pressemitteilung Nr. 9/18 hat das BAG mit Urteil vom 20.02.2018 (Az.: 3 AZR 43/17) entschieden, dass keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Diskrimierung wegen des Alters vorliegen würde, wenn eine Regelung in einer Versorgungsordnung vorsehe, dass Ehegatten nur dann eine Hinterbliebenenversorgung erhalten, wenn sie nicht mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte sind. Nach Ansicht des BAG sei die durch diese "Altersabstandsklausel" bewirkte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt. Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, habe ein legitimes Interesse, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen. Die Altersabstandsklausel sei auch erforderlich und angemessen.
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ArbG Gießen: Leiharbeitnehmer scheitert mit Klage auf Equal Pay
Laut Pressemitteilung Nr. 1/2018 vom 14.02.2018 hat das ArbG Gießen eine Klage eines eines Leiharbeitnehmers gegen seinen früheren Arbeitgeber auf Zahlung von Equal Pay abgewiesen. Der Kläger hatte geltend gemacht, die Vergütung auf der Grundlage der auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen bleibe in einem Maße hinter der aufgrund der Tarifverträge in der Metall- und Elektrobranche zu zahlenden Vergütung zurück, dass jedenfalls bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung der Tariföffnungsklausel in § 8 Abs. 2 S. 1 AÜG die Abweichung des Lohns hiervon nicht gedeckt sei. Er habe daher einen Anspruch auf Vergütung nach den in der Metall- und Elektrobranche geltenden Regelungen. Dies hat das ArbG abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass durch die Tarifverträge der Leiharbeitsbranche in zulässiger Weise vom Grundsatz des Equal Pay abgewichen werden würde. Die Richtlinie 2008/104/EG (Leiharbeitsrichtlinie) ermögliche es dem nationalen Gesetzgeber, die Abweichung vom Grundsatz der gleichen Vergütung bei Leiharbeit durch Tarifvertrag zuzulassen. § 8 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in seiner aktuellen Fassung berücksichtige den von der Richtlinie geforderten Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer in ausreichendem Maße, indem das Gesetz die Tarifvertragsparteien auf die Einhaltung jedenfalls der Lohnuntergrenze in der Leiharbeit verpflichte und ihnen gleichzeitig eine zeitliche Grenze zur Abweichung vom Equal Pay Grundsatz sowie einen Anreiz zur zeitnahen Heranführung der Löhne an diejenigen der Stammarbeitnehmer setze. Unter Berücksichtigung der auch den Tarifverträgen in der Leiharbeitsbranche zukommenden Richtigkeitsvermutung seien nähere Vorgaben hinsichtlich der Entgelthöhe nicht geboten. (Arbeitsgericht Gießen, Urteil vom 14.02.2018, Az. 7 Ca 246/17)
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BAG: Karenzentschädigung - Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbwerbsverbot
Laut Pressemitteilung Nr. 5/18 hat das BAG mit Urteil vom 31.1.2018 (Az.: 10 AZR 392/17) gleich zwei wichtige Grundsätze im Zusammenhang mit einem "Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot" durch den Arbeitnehmer aufgestellt. Zunächst einmal hat das BAG bestätigt, dass es sich bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB um einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB handeln würde. Die Karenzentschädigung sei Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Erbringe eine Vertragspartei ihre Leistung nicht, könne die andere Vertragspartei vom Wettbewerbsverbot zurücktreten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§§ 323 ff. BGB). Dabei weist das BAG aber weiter darauf hin, dass ein solcher Rücktritt Rechtswirkungen erst für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung (ex nunc) entfalte. Ab dem diesem Zeitpunkt stehe dem Arbeitnehmer dann aber auch keine Karenzentschädigung mehr zu.
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BAG: Kein Betriebsübergang bei fehlendem Wechsel des "verantwortlichen Arbeitgebers"
Laut Pressemitteilung Nr. 4/18 hat das BAG mit Urteil vom 25.1.2018 (Az.: 8 AZR 338/16) festgestellt, dass kein Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB bei fehlendem Wechsel in der für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit verantwortlichen Person vorliegt. Das BAG stellt darauf ab, dass ein Betriebsübergang voraussetze, dass die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die insoweit die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingehe, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechseln würde. Diese Voraussetzung seit nicht erfüllt gewesen, da der "frühere" Arbeitgeber ihre Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens nicht an die "neue" Gesellschaft abgegeben habe.
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BAG: Befristung des Arbeitsvertrags eines Lizenzspielers der Fußball-Bundesliga
Laut Pressemitteilung Nr. 2/18 hat sich das BAG in einer seiner ersten Entscheidungen des Jahres 2018 (Urteil vom 16.01.2018, Az.: 7 AZR 312/16) mit einem - auch/nur - für Fußballinteressierte wichtigem Thema befasst. Es ging um die Befristung des Arbeitsvertrags eines Lizenzspielers der Fußball-Bundesliga. Das BAG hat dazu festgestellt, dass die Befristung von Arbeitsverträgen mit Lizenzspielern der Fußball-Bundesliga regelmäßig wegen der Eigenart der Arbeitsleistung des Lizenzspielers nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt sei. Das BAG meint, dass im kommerzialisierten und öffentlichkeitsgeprägten Spitzenfußballsport von einem Lizenzspieler im Zusammenspiel mit der Mannschaft sportliche Höchstleistungen erwartet und geschuldet würden, die dieser nur für eine begrenzte Zeit erbringen könne.
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BAG: Zur Frage der Berücksichtigung von Unterbrechungen bei tariflichen Regelungen
Laut Pressemitteilung Nr. 57/17 hat sich das BAG mit Urteil vom 21.12.2017 (Az.: 6 AZR 863/16) mit einer einerseits sehr speziellen, andererseits aber auch allgemein gültigen Frage beschäftigt. Konkret ging es um die Berücksichtigung von Zeiten ärztlicher Tätigkeit für andere Arbeitgeber bei der Einstellung nach dem TV-Ärzte Hessen. In diesem Zusammenhang hat das BAG festgestellt, dass bei der Einstellung Zeiten ärztlicher Tätigkeit, die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt worden waren, uneingeschränkt zu berücksichtigen seien. Darauf, ob und welche Unterbrechungen zwischen den einzelnen Arbeitsverhältnissen gelägen hätten, komme es nicht an. Zur Begründung weist das BAG darauf hin, dass die allein maßgeblichen Regelungen in dem einschlägigen Tarifvertrag keine "schädlichen Unterbrechungen" kennen würde.
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BAG: (zulässige) Befristung des Arbeitsvertrages einer Maskenbildnerin
Laut Pressemitteilung Nr. 56/17hat das BAG mit Urteil vom 13.12.2017 (Az.: 7 AZR 369/16) festgestellt, dass die Vereinbarung überwiegend künstlerischer Tätigkeit im Arbeitsvertrag einer Maskenbildnerin an einer Bühne geeignet sei, die Befristung des Arbeitsvertrags wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG zu rechtfertigen. Das BAG ist - wie die Vorinstanzen - der Ansicht, dass die Befristung des Arbeitsvertrags wirksam sei, da sie wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt wäre. Auf der Grundlage des NV Bühne vereinbarte Befristungen von Arbeitsverträgen des künstlerisch tätigen Bühnenpersonals seien im Hinblick auf die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit des Arbeitgebers sachlich gerechtfertigt. Maskenbildner gehörten zum künstlerisch tätigen Bühnenpersonal, wenn sie nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen überwiegend künstlerisch tätig seien.
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BAG: Dynamische arbeitsvertragliche Verweisung auf kirchliches Arbeitsrecht gilt auch nach Betriebsübergang auf weltlichen Erwerber weiter
Laut Pressemitteilung Nr. 54/17 hat das BAG mit Urteil vom 23.11.2017 (Az.: 6 AZR 683/16) festgestellt, dass dann, wenn der Betrieb eines kirchlichen Arbeitgebers im Wege eines Betriebsübergangs von einem weltlichen Erwerber übernommen werde, der Erwerber gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintrete. Teil der weitergeltenden Pflichten sei dabei auch die arbeitsvertraglich vereinbarte Bindung an das in Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) geregelte kirchliche Arbeitsrecht. Werde im Arbeitsvertrag auf die AVR in der „jeweils geltenden Fassung“ verwiesen, verpflichte diese dynamische Inbezugnahme den weltlichen Erwerber, Änderungen der AVR wie zB Entgelterhöhungen im Arbeitsverhältnis nachzuvollziehen. Auch wenn diese Entscheidung Besonderheiten zum "Kirchenarbeitsrecht" aufweist, sind die Ausführungen auch für die Wirkung bei dynamischer Inbezugnahme von tariflichen Vorschriften allgemein von Bedeutung.
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BAG: Betriebsratswahl - Sitzverteilung - d´Hondtsches Höchstzahlverfahren
Laut Pressemitteilung Nr. 53/17 hat sich das BAG mit Beschluss vom 22.11.2017 (Az.: 7 ABR 35/16) mit dem Thema "Betriebsratswahl - Sitzverteilung - d´Hondtsches Höchstzahlverfahren" befasst. Es ging um die Frage, ob die Anordnung des d´Hondtschen Höchstzahlverfahrens zur Verteilung der Betriebsratssitze bei der Betriebsratswahl in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO BetrVG verfassungsgemäß sei. Dies hat das BAG bejaht und festgestellt, dass das d´Hondtsche Höchstzahlverfahren weder den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit verletzte.Die antragstellenden Arbeitnehmer hatten eine BR-Wahl angefochten mit der Begründung, das in der Wahlordnung vorgesehene d´Hondtsche Höchstzahlverfahren sei verfassungswidrig, da es kleinere Gruppierungen benachteilige. Bei einer Verteilung der Sitze nach dem Verfahren Hare/Niemeyer oder dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers hätte "ihre" Listen mehr Sitze erhalten. Der Antrag blieb beim Bundesarbeitsgericht - wie bereits in den Vorinstanzen - ohne Erfolg.
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BAG: Massenentlassungsanzeige - Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern? Vorlage an den EuGH
Laut Pressemitteilung Nr. 51/17 hat das BAG mit Beschluss vom 16.11.2017 (Az.: 2 AZR 90/17 (A)) entschieden, den EuGH mit der Frage, ob und wie bei einer Massenentlassungsanzeige Leiharbeitnehmern zu berücksichtigen sind, zu befassen. Hintergrund ist eine Klage, in der die Klägerin geltend gemacht habe, es habe sich um eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtige Maßnahme gehandelt. Bei der Beklagten seien nicht mehr als 120 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Deshalb hätten bereits zwölf Kündigungen dazu geführt, dass die Beklagte 10 vH der in ihrem Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer entlassen habe. Demgegenüber habe die Beklagte gemeint, die bei ihr eingesetzten vier Leiharbeitnehmer müssten bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl berücksichtigt werden. Daher habe sie keine Massenentlassungsanzeige erstatten müssen. Für das BAG sei entscheidungserheblich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen seien. Für die Beantwortung der Fragen sei der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig.
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BAG: Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund einer Verlängerung seiner Kündigungsfrist im Vertrag
Laut Pressemitteilung Nr. 48/17 hat sich das BAG mit Urteil vom 26.10.2017 (Az.: 6 AZR 158/16) mit der Frage befasst, ob eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund einer Verlängerung seiner Kündigungsfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegen kann. Dazu hat das BAG folgendes festgestellt: Werde die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erheblich verlängert, könne darin auch dann eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinn von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert werde. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhalte, aber wesentlich länger sei als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, sei nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstelle. Das LAG habe hier ohne Rechtsfehler eine solche unausgewogene Gestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht.
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BAG: Versetzung von Nachtschicht in Wechselschicht - Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Laut Pressemitteilung Nr. 45/17 hat das BAG mit Urteil vom 18.10.2017 (Az.: 10 AZR 47/17) festgestellt, dass die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements iSv. § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung sei. Dies gelte auch in den Fällen, in denen die Anordnung des Arbeitgebers (auch) auf Gründe gestützt werde, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen würden. Das BAG vertritt die Ansicht, dass maßgeblich vielmehr (nur) sei, ob die Weisung des Arbeitgebers insgesamt billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB entspräche. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Mangels hinreichender Feststellungen des LAG zu diesen Umständen konnte der Senat nicht abschließend entscheiden und hat die Sache an das LAG zurück verwiesen.
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BAG: Mindestlohn - Feiertagsvergütung - Nacharbeitszuschlag
Laut Pressemitteilung Nr. 40/17 hat das BAG mit Urteil vom 20.09.2017 (10 AZR 171/16) entschieden, dass sich die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen - soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch bestehe - nach § 2 EFZG iVm. § 1 MiLoG bestimmen. Sehe ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen sei, sei auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen. Zwar gewähre das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG habe der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfalle, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gelte auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimme; dieses enthalte keine hiervon abweichenden Be-stimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheide aus.
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BAG: Versetzung - (Un-)Verbindlichkeit einer unbilliger Weisung; Rechtsprechungsänderung
Laut Pressemitteilung Nr. 37/17 des BAG vom 19.9. kommt es beim Thema "Versetzung - Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung" zu einer wichtiger Änderung der Rechtsprechung eines (weiteren) Senats beim BAG. Ich hatte bereits davon berichtet, dass der Zehnte Senat des BAG beim Fünften Senat angefragt hatte, ob dieser an seiner Rechtsauffassung zur Verbindlichkeit von Weisungen des Arbeitgebers im Anwendungsbereich des § 106 GewO festhalten würde. Der Fünfte Senat hatte bisher angenommen, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam sei - nicht hinwegsetzen dürfe, sondern entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen müsse. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststehe. Nunmehr hat der Fünfte Senat auf diese Anfrage mitgeteilt, dass er an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festhalte. Dies erweitert die Reaktionsmöglichkeiten für jeden Arbeitnehmer, der eine Weisung seines Arbeitgebers für "unwirksam" hält.
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LAG Düsseldorf: Verkehrsicherungspflicht im Arbeitsverhältnis bei einem Sturm
Laut Pressemitteilung Nr. 39/17 hat sich das LAG Düsseldorf in einem Urteil vom 11.09.2017 (Az.: 9 Sa 42/17) mit dem angesichts der aktuellen Herbststürmen praxisrelevanten Thema befasst, welche Verkehrssicherungspflicht im Arbeitsverhältnis bei einem Sturm bestehen. Es ging, wenn sollte es wundern, um einen Schaden an einem auf dem Betriebshof seinen Arbeitgebers zulässiger Weise abgestellten Privat-PKW. Anders als vor dem Arbeitsgericht hatte die Klage vor dem LAG weitgehend Erfolg. Der Arbeitgeber hafte, weil er seiner Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt habe. Nach einer Sturmwarnung sei verpflichtet gewesen, ihr Betriebsgelände abzugehen und etwaige Gefahrenquellen zu sichern. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers hat das LAG verneint, weil dieser seinen PKW morgens um 07.00 Uhr zu Arbeitsbeginn auf dem Betriebsgelände geparkt habe und den ganzen Tag über im Außeneinsatz gewesen sei. Er durfte davon ausgehen, dass die beklagte Gemeinde die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Betriebshofs ergriffen hatte bzw. ergreifen werde.
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BSG: (ggf.) Keine Sperrzeit nach Altersteilzeit
Laut Pressemitteilung Nr. 43/2017 hat das Bundesozialgericht (BSG) mit Urteil vom 12.09.2017 (Az.: B 11 AL 25/16 R) entschieden, dass eine Sperrzeit nicht eintrete, wenn eine Arbeitnehmerin am Ende der Altersteilzeit entgegen ihrer ursprünglichen Planung nicht sofort Altersrente in Anspruch nehme, sondern zunächst Arbeitslosengeld beantrage, weil sie - bedingt durch eine Gesetzesänderung - zu einem späteren Zeitpunkt abschlagsfrei in Rente gehen könne. Die Arbeitsagentur lehnte zunächst die Zahlung von Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit für einen Zeitraum von zwölf Wochen ab. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Das BSG hat demgegenüber entschieden, dass das Verhalten der Klägerin den Eintritt einer Sperrzeit nicht rechtfertige. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis zwar dadurch gelöst, dass sie durch eine Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt habe, wodurch sie nach dem Ende der Freistellungsphase beschäftigungslos geworden sei. Jedoch könne sich die Klägerin für ihr Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen.
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BAG: Eigenart der Arbeitsleistung iSv § 14 Abs. I S. 2 Nr. 4 TzBfG als Befristungsgrund
Laut Pressemitteilung Nr. 36/17 hat sich das BAG in einem Urteil vom 30.08.2017 (Az.: 7 AZR 864/15) mit einem öffentlich bekannten Sachverhalt befasst. Es ging um einen Schauspieler einer Krimiserie im ZDF. Das BAG hatte sich mit der arbeitsrechtlichen Frage zu befassen, ob die Eigenart der Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG die Befristung des Arbeitsvertrags einer Filmproduktionsgesellschaft mit einem Schauspieler sachlich rechtfertigen könne, der aufgrund einer Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen langjährig in derselben Rolle einer Krimiserie beschäftigt wurde. Das BAG hat diese Frage bejaht und die Klage des Schauspieler abgewiesen ,da durch den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG geregelten Sachgrund die Befristung von Arbeitsverhältnissen ua. in dem durch die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geprägten Gestaltungsinteresse des Arbeitgebers ermöglicht werden solle. Die Entscheidung der Beklagten, die Rolle des Klägers nur befristet zu besetzen, beruhe auf künstlerischen Erwägungen, die von der Beklagten umgesetzt wurden.
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BAG: Dynamik einer Verweisungsklausel (bleibt auch) nach Betriebsübergang
Laut Pressemitteilung Nr. 35/17 hat das BAG mit Urteil 30.08.2017 (Az.: 4 95/14) festgestellt, dass eine zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweise, ihre Dynamik im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber nicht allein aufgrund des Betriebsübergangs verliere. Zunächst hatt das mit Beschluss vom 17. Juni 2015 (- 4 AZR 95/14 (A) -) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit dem Unionsrecht ersucht. Mit Urteil vom 27. April 2017 (- C-680/15 - und - C-681/15 - [Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt]) hatte der EuGH entschieden, dass die RL 2001/23/EG in Verbindung mit Art. 16 GRC der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nicht entgegen stehe, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsehe. Daraus folgert das BAG nunmehr im entschiedenen Fall, dass die für die Betriebsveräußererin und die Klägerin verbindliche dynamische Bezugnahmeklausel auch im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien weiterhin dynamisch wirke.
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BAG: Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszulagen
Laut Pressemitteilung Nr. 34/17 hat das BAG mit Urteil vom 23.8.2017 (Az.: 10 AZR 859/16) festgestellt, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar seien. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit seien dagegen der Pfändung nicht entzogen. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar iSv. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen seien, könne an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden. Zur Begründung weist das BAG u.a. darauf hin, dass der Gesetzgeber in § 6 Abs. 5 ArbZG die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt habe, die von ihm als besonders erschwerend bewertet werde. Sonntage und gesetzliche Feiertage ständen kraft Verfassung (Art. 140 GG iVm. Art. 139 WRV) unter besonderem Schutz. § 9 Abs. 1 ArbZG ordne an diesen Tagen ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot an. Damit gehe der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet werde. Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gebe es für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit hingegen nicht.
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LAG Hamm: Verdachtskündigung ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist unwirksam
Laut Pressemitteilung hat sich das LAG Hamm in einem Urteil vom 14.8.2017 (Az.: 17 Sa 1540/16) mit der in der Praxis häufiger vorkommenden Verdachtskündigung befasst. Wie schon das vorhergehende Arbeitsgericht hat das LAG bestätigt, dass in Abgrenzung zur Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeit eine Kündigung allein wegen eines insoweit bestehen Verdachts (Verdachtskündigung) zum Schutze des Arbeitnehmers nur unter engen Voraussetzungen in Betracht komme. Insbesondere sei eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür erforderlich, dass dem betroffenen Arbeitnehmer das fragliche Fehlverhalten wirklich vorzuwerfen sei (Dringlichkeit des Verdachts). Daran fehle es vorliegend, denn die Täterschaft anderer Personen sei nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Das LAG hat weiter Urteil betont, dass als weitere Voraussetzung einer Verdachtskündigung in deren Vorfeld regelmäßig eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu erfolgen habe. Diese müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen durchführen und dabei den Arbeitnehmer regelmäßig konkret mit den verdachtsbegründenden Umständen konfrontieren.
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BAG: Illegal erworbene Überwachungsergebnisse dürfen nicht verwertet werden
Laut Pressemitteilung Nr. 31/17 hat das BAG mit Urteil vom 27.07.2017 (Az.: 2 AZR 681/16) festgestellt, dass bei einer illegealen Überwachung mittels Keylogger die dabei gewonnenen Erkenntnisse vom Arbeitgeber nicht verwertet werden dürfen. Laut BAG ist der der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet würden, nach § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung bestehe.
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BAG: Versetzung - Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung
Mit einer für die Praxis sehr spannenden Frage hat sich laut Pressemitteilung Nr. 25/17 der 10. Senat des BAG in einem Beschluss vom 14. Juni 2017 (Az.: 10 AZR 330/16) befasst. Es geht um die Frage nach der Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung. Der 10. Senat möchte dabei die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 106 GewO eine unbillige Weisung des Arbeitgebers auch dann nicht befolgen müsse, wenn in dem jeweils konkreten Fall (noch) keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung eines Arbeitsgerichts vorliege. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des 5. Senats (22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11; damals ging es allerdings "nur" um Annahmeverzugslohnansprüche) ab. Der 10. Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der 5. Senat an seiner Rechtsauffassung festhält. Über den Ausgang werde ich berichten.
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LAG Düsseldorf: fristlose Kündigung wegen Morddrohung - rechtswirksam
Laut Pressemitteilung Nr. 22/17 hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 08.06.2017 (Az.: 11 Sa 823/16) die - nicht allzu überraschende - Entscheidung getroffen, dass eine Morddrohung eine Kündigung rechtfertigt. Auch wenn es keine sog. "aboluten" Kündigungsgründe gibt, sondern immer alle Einzelumstände zu prüfen sind, was das LAG der Ansicht, dass die Drohung "Ich stech dich ab" eine Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. Dazu hat das LAG ua ausgeführt, dass die ernsthafte Bedrohung eines Vorgesetzten durch den Kläger dazu führe, dass dem beklagten Land eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht weiter zumutbar sei, selbst wenn diese aufgrund ggfs. eingeschränkter Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt schuldlos erfolgt sein sollte. Die Schwere der vom Kläger begangenen Pflichtverletzung mache auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich.
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BAG: Fristlose Kündigung einer Geschäftsführerin wegen illoyalen Verhaltens
Laut Pressemitteilung Nr. 24/17 hat das BAG mit Urteil vom 01.06.2017 (6 AZR 720/15) entschieden, dass eine fristlose Kündigung einer Geschäftsführerin wegen illoyalen Verhaltens gerechtfertigt sein könne, wenn die Geschäftsführerin eines Vereins auf intrigante Weise zielgerichtet die Abwahl des Vereinsvorsitzenden betreibe. Durch ein solch illoyales Verhalten werde die für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensbasis zerstört und der Betriebsfriede erheblich gestört. Da das BAG aber nicht abschließend beurteilen konnte, ob die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von den maßgebenden Tatsachen erklärt wurde, wurde die Sache an das LAG zurückverwiesen.
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Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts vom Bundesrat beschlossen
Nachdem am 12. Mai auch der Bundesrat der Neuregelung des Mutterschutzrechts zugestimmt hat, treten die wesentlichen Änderungen zum 01.01.2018 in Kraft. Mit der Neuregelung wurde u.a. folgendes geändert (laut DIP ID: 18-74059): Ausweitung auf alle Frauen in Beschäftigung, betrieblicher Berufsausbildung und Studium einschl. Scheinselbständiger, Interessenausgleich zwischen Gesundheitsschutz und selbstbestimmter Teilhabe am Erwerbsleben, Überarbeitung und Zusammenfassung der Kataloge unzulässiger Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen, Beschäftigungsverbote und Verpflichtungen der Arbeitgeber, Einzeländerungen zur Weiterentwicklung (Geburt eines Kindes mit Behinderung, stille Geburt nach der 12. Schwangerschaftswoche); Ausschuss für Mutterschutz zur Erstellung praxisnaher Fachinformationen zur Umsetzung und Weiterentwicklung des Mutterschutzes.
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BAG: Keine unmittelbare Anwendung griechischer Spargesetze in Deutschland
Laut Pressemitteilung Nr. 22/17 hat sich das BAG in einem Urteil vom 26.04.2017 (Az.: 5 AZR 962/13) mit einer auf den ersten Blick recht exotisch wirkenden Frage befasst, ob nämlich griechische Spargesetze in Deutschland unmittelbar anzuwenden sind. Im entschiedenen Fall ging es um die Klage eines griechischen Staatsangehöriger, der als Lehrer an einer von der beklagten Republik Griechenland getragenen Schule in Nürnberg beschäftigt ist. Das Arbeitsverhältnis unterliege deutschem Recht. Der Kläger forderte weitere Vergütung für den Zeitraum Oktober 2010 bis Dezember 2012 iHv. rd. 20.000,00 Euro. Um diese Beträge hatte die beklagte Republik die Bruttovergütung des Klägers unter Berufung auf die griechischen Gesetze 3833/2010 und 3845/2010 gekürzt. Das BAG hat die Klage für begründet gehalten, da die griechischen Spargesetze nicht unmittelbar auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland gelten würden. Da das deutsche Arbeitsrecht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers kenne, aus Rücksicht auf die finanzielle Lage des Arbeitgebers dauerhafte Gehaltskürzungen ohne eine wirksame Vertragsänderung hinzunehmen, könne sich auch die Beklagte nicht auf griechische Spargesetze berufen.
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BAG: (Kein) Kündigungsschutz nach einem Entlassungsverlangen des BR
Laut Pressemitteilung Nr. 19/17 hat das BAG mit Urteil vom 28.03.2017 (Az.: 2 AZR 551/16) festgestellt, dass für eine ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers dann ein dringendes betriebliches Erfordernis vorliege, wenn nach einem Entlassungsverlangen des Betriebsrats einem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats in einem Verfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG rechtskräftig aufgegeben worden sei, diesen Arbeitnehmer zu entlassen. Im konkreten Fall konnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zwar nicht wirksam fristlos kündigen, die ordentliche Kündigung hatte jedoch Bestand.
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BAG: Abgekürzte Kündigungsfrist in der Probezeit nur bei eindeutiger Vertragsgestaltung
Laut Pressemitteilung Nr. 17/17 hat sich das BAG in einem Urteil vom 23.03.2017 (Az.: 6 AZR 705/15) mit einer in der Praxis häufig vorkommenden Thematik befasst, der Verkürzung der Kündigungsfrist in der Probezeit. In dem maßgebliche Arbeitsvertrag war in § 1 pauschal bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag richten würden; dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. In § 8 des Vertrags, der mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben war, war ohne Bezugnahme auf § 1 oder § 3 des Vertrags festgelegt, dass eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelte. Laut BAG seien die Bestimmungen des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrags als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer verstehe. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers lasse eine Vertragsgestaltung wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht erkennen, dass dem Verweis auf den Manteltarifvertrag und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukomme. Nach Wortlaut und Systematik des Vertrags sei vielmehr allein die Bestimmung einer sechswöchigen Kündigungsfrist maßgeblich. Diese Frist gelte auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit.
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BAG: Wettbewerbsverbot - fehlende Karenzentschädigung - salvatorische Klausel
Laut Pressemitteilung Nr. 16/17 hat sich das BAG mit Urteil vom 22.03.2017 (Az.: 10 AZR 448/15) mit einem in der Praxis durchaus regelmäßig vorkommenden - nachvertraglichen - Wettbewerbsverbot befasst. Die entsprechenden Voraussetzungen und Regelungen sind für viele Arbeitnehmer - und auch Arbeitgeber - nur schwer verständlich. Das BAG hat dazu entschieden, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nichtig sei, wenn die Vereinbarung entgegen § 110 GewO iVm. § 74 Abs. 2 HGB keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Karenzentschädigung beinhalte. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer könnten aus einer solchen Vereinbarung Rechte herleiten. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene salvatorische Klausel führe auch nicht - auch nicht einseitig zugunsten des Arbeitnehmers - zur Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots. Damit hat das BAG vorhergehende Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz zu Lasten der Arbeitnehmerin aufgehoben.
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BAG: Tarifliche Stufenzuordnung - zulässige Priviligierung einschlägiger Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber
Laut Pressemitteilung Nr. 14/17 hat das BAG mit Urteil vom 23.02.2017 (Az.: 6 AZR 843/15) festgestellt, dass es nicht gegen die unionsrechtlichen Freizügigkeitsvorschriften in Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) 492/2011 verstoße, dass § 16 Abs. 2 TV-L die beim selben Arbeitgeber erworbene einschlägige Berufserfahrung gegenüber entsprechenden Zeiten bei anderen Arbeitgebern privilegiere. Zur Begründung hat das BAG darauf hingewiesen, dass § 16 Abs. 2 TV-L keinen hinreichenden Auslandsbezug aufweise, wenn Arbeitnehmer nur in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt waren und keine Qualifikationen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erworben haben. Der sachliche Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Freizügigkeitsvorschriften sei in solchen Fällen nicht eröffnet.
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BAG: Zusage einer Witwenrente nur für "jetzige" Ehefrau ist diskriminierend
Laut Pressemitteilung Nr. 11/17 hat das BAG mit Urteil vom 21.02.2017 (Az.: 3 AZR 297/15) zum Thema "Hinterbliebenenversorgung - Angemessenheitskontrolle" entschieden, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, mit der nur der „jetzigen“ Ehefrau des Arbeitnehmers eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt werde, den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Laut BAG sei diese Einschränkung der Zusage daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bei Versorgungszusagen, die vor dem 1. Januar 2002 erteilt wurden, führe dies dazu, dass lediglich dann, wenn die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestand, Rechte geltend gemacht werden könnten. Im entschiedenen Fall hat dies der Klägerin allerdings nichts genützt, da es sich um einen "Altfall" handelte.
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LAG Köln: Keine fristlose Kündigung wegen Änderung des XING-Profils
Laut Pressemitteilung 1/2017 hat das LAG Köln in einem Urteil vom 07.02.2017 (Az.: 12 Sa 745/16) festgestellt, dass die falsche Angabe des beruflichen Staus als „Freiberufler“ auf XING ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine fristlose Kündigung wegen einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit rechtfertigen könne. Einem Arbeitnehmer sei zwar grundsätzlich während des gesamten rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit untersagt. Zulässig wären jedoch Handlungen, mit denen eine spätere Konkurrenztätigkeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses lediglich vorbereitet werde. Die Grenze der noch zulässigen Vorbereitungshandlung werde erst bei einer aktiv nach außen tretenden Werbung für eine Konkurrenztätigkeit überschritten. Dies könne bei der fehlerhaften Angabe, der – aktuelle – berufliche Status sei „Freiberufler“, ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht angenommen werden.
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ArbG Berlin: Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern – Arbeitsgericht weist Klage einer Reporterin des ZDF ab
Laut Pressemitteilung Nr. 03/17 vom 01.02.2017 hat das ArbG Berlin mit Urteil vom selben Tage (Az.: 56 Ca 5356/15) festgestellt, dass der von einer Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch abzuweisen sei, weil für ihn eine gesetzliche Grundlage fehle. Auch habe die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die auf eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Vergütung von Männern und Frauen hindeuten würden. Die von ihr benannten Mitarbeiter seien nicht vergleichbar, weil sie anders als die Klägerin beschäftigt würden; weitere Anhaltspunkte für die behauptete Ungleichbehandlung seien nicht gegeben. Da eine Diskriminierung der Klägerin nicht festgestellt werden könne, stehe ihr auch ein Entschädigungsanspruch nicht zu. In der nachfolgenden Pressemitteilung Nr. 04/17 vom 03.02.2017 wurde sodann klargestellt, dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin in Bezug auf ihre Vergütung nicht vorliege, da die die von der Klägerin benannten Mitarbeiter nicht vergleichbar seien, weil diese zum Teil in einem anderen Rechtsverhältnis tätig seien oder – soweit sie in einem vergleichbaren Rechtsverhältnis stehen – über längere Beschäftigungszeiten verfügen würden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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BAG. Schadensersatz wegen unterbliebener Erhöhung der Wochenarbeitszeit - Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung
Laut Pressemitteilung Nr. 5/17 hat das BAG mit Urteil vom 26.01.2017 (Az.: 8 AZR 736/15) festgestellt, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nur bestehe, wenn Indizien vorliegen würden, die mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" darauf schließen lassen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund ursächlich für die Benachteiligung sei und dass damit die vom Landesarbeitsgericht angenommene "Möglichkeit" einer Ursächlichkeit nicht ausreiche. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen konnte das BAG den Rechtsstreit allerdings nicht abschließend entscheiden. Die Sache wurde deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
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BAG: Elternzeit darf beim Massenentlassungsschutz nicht zu Nachteilen führen
Laut Pressemitteilung Nr. 4/17 hat das BAG mit Urteil vom 26.01.2017 (Az.: 6 AZR 442/16) bestätigt, dass es sich an die "nationalrechtliche Erweiterung des Entlassungsbegriffs bei Massenentlassungen durch das BVerfG gebunden sieht. Eine - zunächst - entgegenstehnde Entscheidung des BAG war durch das BVerfG mit Beschluss vom 8. Juni 2016 (Az.: 1 BvR 3634/13) Urteil aufgehoben worden, weil es eine Klägerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 iVm. Art. 6 GG verletze. Das BVerfG hat entschieden, dass die Klägerin unzulässig wegen der von ihr in Anspruch genommenen Elternzeit und wegen ihres Geschlechts benachteiligt werde, wenn ihr der Schutz vor Massenentlassungen versagt werde, weil das Abwarten der wegen der Elternzeit notwendigen behördlichen Zustimmung zur Kündigung dazu geführt habe, dass die Kündigung erst nach Ablauf des 30-Tage-Zeitraums erklärt wurde. In diesen Fällen gelte der 30-Tage-Zeitraum auch dann als gewahrt, wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sei. Das BAG hat deshalb nun auf die Revision der Klägerin festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei.
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BAG: Betriebsratstätigkeit - Arbeitszeit
Laut Pressemitteilung Nr. 1/17 hat sich das BAG in einer Entscheidung vom 18.01.2017 (Az.: 7 AZR 224/15) mit Fragen der Arbeitszeit beschäftigt. In der insoweit für jeden Arbeitnehmer wichtigen Passage weist das BAG noch einmal darauf hin, dass nach § 5 Abs. 1 ArbZG dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren ist. In konkreten Fall könne es dahinstehen, ob die Zeit der Erbringung von Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG sei und § 5 Abs. 1 ArbZG deshalb Anwendung finde. Jedenfalls sei bei der Beurteilung, ob dem Betriebsratsmitglied in einer solchen Situation die Fortsetzung der Arbeit in der Nachtschicht wegen der bevorstehenden Betriebsratstätigkeit unzumutbar ist, die Wertung des § 5 Abs. 1 ArbZG zu berücksichtigen.
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BAG: Verfall von Urlaubsansprüchen
Laut Pressemitteilung Nr. 63/16 hat sich das BAG mit Beschluss vom 13.12.2016 (9 AZR 541/15 (A)) mit der für die Praxis sehr wichtigen Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen befasst und diese nunmehr einer eurpäischen Klärung zugeführt. Hintergrund ist § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Danach verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, wenn - wie im entschiedenen Fall - keine Übertragungsgründe nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Der Arbeitgeber sei nach nationalem Recht nicht verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und somit dem Arbeitnehmer den Urlaub aufzuzwingen. Die Frage, ob europäisches Recht dem entgegensteht, sei laut BAG noch nicht eindeutig beantwortet worden. Teilweise werde bereits jetzt davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichtet sei, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen. Ein Teil der nationalen Rechtsprechung verstehe die bisherigen Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union so, dass der Mindestjahresurlaub gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG auch dann nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen (vgl. LAG Köln 22. April 2016 - 4 Sa 1095/15 -). Ob dies zutrifft, soll nunmehr der EuGH entscheiden. Ich werde berichten.
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BAG: Inhaltskontrolle von Arbeitsvertragsänderungen
Laut Pressemitteilung Nr. 61/16 hat das BAG mit Urteil vom 15.11.2016 (Az.: 3 AZR 539/15) entschieden, dass vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gestellte Vertragsbedingungen, mit denen der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses abgeändert werd, einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht unterlägen, wenn sich der Arbeitgeber im Vorfeld der Vertragsänderung im Hinblick auf die geänderten Regelungen einer Rechtsposition berühmt. Im Ergebnis stellte das BAG fest, dass der Kläger mit seiner Erklärung aus dem Jahr 2010 ein Angebot der Beklagten angenommen habe, das auch die Aufgabe des Anspruchs auf Erteilung des Versorgungsrechts enthielt. Damit kam eine Vereinbarung über eine Vertragsänderung zustande. Der Inhalt der Vereinbarung war nicht unklar oder überraschend. Die Vertragsänderung unterliege zwar der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht. Prüfungsmaßstab sei das § 779 BGB zugrunde liegende Rechtsprinzip, welches eine Streitbeilegung durch gegenseitiges Nachgeben vorsehe. Die Inhaltskontrolle gehe hier zugunsten der Beklagten aus, da die Vertragsänderung nicht unangemessen sei.
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BAG: (keine) Teilnahme an einem Personalgespräch im Betrieb während der Arbeitsunfähigkeit
Laut Pressemitteilung Nr. 59/16 hat das BAG mit Urteil vom 02.11.2016 (Az.: 10 AZR 596/15) festgestellt, dass ein erkrankter Arbeitnehmer regelmäßig nicht verpflichtet sei, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen. Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen müsse, sei er grundsätzlich auch nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen. Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei es dem Arbeitgeber allerdings nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung sei jedoch immer, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeige. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer sei jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies sei ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich in der Lage.
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BAG: Tarifliche Regelungen über sachgrundlose Befristungen
Laut Pressemitteilung Nr. 58/16 hat sich das BAG mit Urteil vom 26.10.2016 (Az.: 7 AZR 140/15) mit tarifvertragliche Regelungen über sachgrundlose Befristungen beschäftigt.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer darf ein befristeter Vertrag nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 TzBfG höchstens dreimal verlängert werden. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können jedoch durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegt werden. Diese Befugnis der Tarifvertragsparteien gelte laut BAG aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht schrankenlos. Der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Gestaltungsrahmen der Tarifvertragsparteien ermögliche nur Regelungen, durch die die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Werte für die Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden.
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BAG: Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums
Laut Pressemitteilung Nr. 57/16 hat das BAG mit Urteil vom 20.10.2016 (Az.: 6 AZR 471/15) eine fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums für gerechtfertigt gehalten. Ein Berufskraftfahrer dürfe seine Fahrtüchtigkeit nicht durch die Einnahme von Substanzen wie Amphetamin oder Methamphetamin („Crystal Meth“) gefährden. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung könne die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit konsumiert wurde. Es sei dabei auch unerheblich, ob die Fahrtüchtigkeit des Arbeitnehmers den durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt war und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand, oder nicht.
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BAG: Betriebsrente - versicherungsmathematische Abschläge - (keine) Benachteiligung wegen der Behinderung
Laut Pressemitteilung Nr. 54/16 hat sich das BAG mit Urteil vom 13. Oktober 2016 (Az.: 3 AZR 439/159 mit der Frage befasst, ob versicherungsmathematische Abschläge bei einer Betriebsrente eine Benachteiligung wegen der Behinderung darstellen können. Im entschiedenen Fall sah die Versorgungsordnung bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen, „festen Altersgrenze“ Abschläge vor. Das BAG hat entschieden, dass darin keine unerlaubte Benachteiligung wegen einer Behinderung liege. Laut BAG scheide eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG aus, weil die Abschläge nicht an die Behinderteneigenschaft anknüpfen würden. Ebenso scheide eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG aus.
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Beschäftigungsverbot für Schwangere ab dem 1. Tag des Arbeitsverhältnisses – Lohnanspruch
Laut Pressemitteilung Nr. 34/16 vom 04.10.2016 hat das LAG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 30.09.2016 (Az.: 9 Sa 917/16) über Lohnansprüche im Falle eines Beschäftigungsverbotes ab dem ersten Tag eines Arbeitsverhältnisses entschieden.
Die Parteien hatten im November 2015 ein Arbeitsverhältnis beginnend zum 1. Januar 2016 vereinbart. Im Dezember 2015 wurde aufgrund einer Risikoschwangerschaft der Arbeitnehmerin ein ärztliches Beschäftigungsverbot erteilt. Die Arbeitnehmerin forderte unter Berufung auf § 11 Mutterschutzgesetz den Lohn, den sie bei Arbeitsaufnahme ab Januar 2016 erhalten hätte. Der Arbeitgeber lehnte dies unter Hinweis auf die zu keinem Zeitpunkt erfolgte tatsächliche Arbeit der Arbeitnehmerin ab.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat der Arbeitnehmerin die geforderten Beträge zugesprochen. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten setze keine vorherige Arbeitsleistung voraus. Es komme nur auf ein vorliegendes Arbeitsverhältnis und allein aufgrund eines Beschäftigungsverbotes unterbliebene Arbeit an. Der Arbeitgeber werde hierdurch nicht unverhältnismäßig belastet, weil er die zu zahlenden Beträge aufgrund des Umlageverfahrens in voller Höhe erstattet erhalte.
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Gesetzliche Neuregelung in § 309 Nr. 13 BGB (Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen)
Bei Arbeitsverträgen, die mit Wirkung ab dem 01.10.2016 abgeschlossen werden, ist die bisher übliche Formulierung bei Ausschlussfristen (siehe bei FAQ), wonach die Ansprüche schriftlich geltend zu machen sind, unwirksam.
Die gesetzliche Neuregelung in § 309 Nr. 13 BGB sieht vor, dass nur noch die Textform verlangt werden darf.
Was Textform bedeutet, ist in § 126 b BGB geregelt. Es muss sich um eine lesbare Erklärung handeln, in der der Erklärenden genannt wird und auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden, dh es reicht dann eine per Email, aber weiterhin nicht eine mündlich erfolgte Geltendmachung.
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BAG: Insolvenzsicherung bei Kapitalleistungen - Reichweite von § 7 Abs. 1a Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)
Laut Pressemitteilung Nr. 49/16 hat das BAG mit Urteil vom 20. September 2016 (Aktenzeichen 3 AZR 411/15) entschieden, dass nach § 7 Abs. 1a Satz 3 BetrAVG rückständige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch den Pensions-Sicherungs-Verein nur insolvenzgeschützt sind, wenn der Anspruch darauf bis zu zwölf Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Diese Bestimmung sei nicht anwendbar auf Leistungen, die nach der Versorgungsregelung als Kapitalleistungen und nicht als Renten zu erbringen sind.
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LAG Düsseldorf: Betriebsübergang bei Aufgliederung eines Möbelhauses in Einzelgesellschaften
Laut Pressemitteilung Nr. 55/16 hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 30.08.2016 (14 Sa 274/16) im konkreten Fall keine "Funktionsnachfolge" angenommen, sondern einen Betriebsübergang. Dafür spreche, dass der Möbelverkauf als Teilbetrieb des Möbelhauses, d.h. Tischlerei und Restaurant ausgenommen, durchgehend als identische wirtschaftliche Einheit erhalten geblieben sei. Auch der Kundenstamm sei ebenso wie die Verkaufsstelle gleich geblieben, auch das Warensortiment habe sich nicht geändert. Aufgrund der Zusammenarbeit der Firmen ab dem 01.08.2015 und der dazu vom Kläger vorgetragenen Indizien werde ein Gemeinschaftsbetrieb vermutet. Die Zuordnung der Arbeitnehmer zu den neuen Gesellschaften erfolge danach, wer das Direktionsrecht ausübe. Da die Revision zugelassen wurde, bleibt ein etwaiges Rechtsmittel und dann die Klärung durch das BAG abzuwarten.
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BAG: Ausslussfristen und Mindestentgelt
Laut Pressemitteilung Nr. 44/16 hat das BAG mit Urteil vom 24.08.2016 (Az.: 5 AZR 703/15) festgestellt, dass eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG verstösst und damit unwirksam ist. Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Die Klägerin habe für den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Arbeitsausfall nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diesen musste sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vorgesehenen Fristen geltend machen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstoße gegen § 9 Satz 3 AEntG und sei deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlösche. Für andere Ansprüche könne die Klausel nicht aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstehe.
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BAG: Bonusanspruch - Leistungsbestimmung durch das Gericht
Laut Pressemitteilung Nr. 41/16 hat das BAG mit Urteil vom 03.08.2016 (Az.: 10 AZR 710/14) folgendes entschieden: Behält sich der Arbeitgeber vertraglich vor, über die Höhe eines Bonusanspruchs nach billigem Ermessen zu entscheiden, unterliegt diese Entscheidung der vollen gerichtlichen Überprüfung. Entspreche die Entscheidung nicht billigem Ermessen, sei sie gemäß § 315 Abs. 3 BGB unverbindlich und die Höhe des Bonus durch das Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien festzusetzen. Der Kläger hatte nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Anspruch auf einen Bonus, der nach billigem Ermessen festzusetzen war. Mangels hinreichender Darlegungen des Arbeitgebers zur Berechtigung der Festsetzung auf Null für das Jahr 2011 sei diese Festsetzung unverbindlich. Die Leistungsbestimmung habe in einem solchen Fall gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu erfolgen. Grundlage sei dafür der Sachvortrag der Parteien; eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn gebe es nicht. Äußere sich der bestimmungsberechtigte Arbeitgeber zu bestimmten Faktoren nicht, gehe dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Von diesem könne kein Vortrag zu Umständen verlangt werden, wie zB der Höhe eines Bonustopfes, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegen. Auf die Erhebung einer Auskunftsklage könne er regelmäßig nicht verwiesen werden. Vielmehr sei die Leistung durch das Gericht aufgrund der aktenkundig gewordenen Umstände (zB Höhe der Leistung in den Vorjahren, wirtschaftliche Kennzahlen, Ergebnis einer Leistungsbeurteilung) festzusetzen.
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BAG: Kirchlicher Arbeitnehmer - Kündigung - Loyalitätsverstoß
Laut Pressemitteilung Nr. 39/16 hat sich das BAG in einem Beschluss vom 28.07.2016 (2 AZR 746/14 (A) mit der auf den ersten Blick exotisch klingenden Frage befasst, ob die Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederverheiratung wirksam sein kann. Nach einer vereinbarten "Grundordnung" handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Die Weiterbeschäftigung war grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von einem leitenden Mitarbeiter begangen wurde (Art. 5 Abs. 3 GrO 1993). Zu diesen zählen nach kirchlichem Recht auch Chefärzte.
Das BAG hat mit Beschluss vom heutigen Tage entschieden, den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16) zu ersuchen. Für den Senat sei erheblich, ob die Kirchen nach dem Unionsrecht bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten unterscheiden dürfen zwischen Arbeitnehmern, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören.
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BAG: Betriebsrente - Gleichbehandlung
Laut Pressemitteilung Nr. 37/16 hat das BAG mit Urteil vom 19.07.2016 (Az.: 3 AZR 134/15) eine Entscheidung zum Thema "Betriebsrente - Gleichbehandlung" getroffen.
Laut BAG dürfen Arbeitnehmer, denen bereits einzelvertraglich eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde, nur dann vollständig von einem auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden kollektiven Versorgungssystem des Arbeitgebers ausgenommen werden, wenn die Betriebsparteien im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen könnten, dass diese Arbeitnehmer im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten würden.
Im konkret entschiedenen Fall wurde der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da noch nicht feststehe, ob die Betriebsvereinbarung tatsächlich unwirksam sei, weil er zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit einzelvertraglicher Zusage führe. Es sei zu klären, ob die von der Beklagten erteilten einzelvertraglichen Zusagen annähernd gleichwertig wären.
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BAG: Einsichtsrecht in die Personalakte
Laut Pressemitteilung Nr. 36/16 hat sich das BAG in einem Urteil vom 12.07.2016 (Az.: 9 AZR 791/14) mit dem Thema "Einsicht in die Personalakten" befasst.
In dem konkret entschiedenen Fall ging es darum, ob ein Anspruch darauf besteht, "zusätzlich" auch noch ein Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Die hat das BAG mit der Begründung abgelehnt, dass der Arbeitnehmer zwat das Recht habe, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen und hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG).
Diese Norm begründe jedoch keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers folge jedenfalls dann weder aus der Rücksichtspflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) noch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG), wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaube, für sich Kopien von den Schriftstücken in seinen Personalakten zu fertigen. In diesem Fall sei dem einem Beseitigungs- oder Korrekturanspruch vorgelagerten Transparenzschutz genügt, dem das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in die Personalakten diene.
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BAG: Gesetzlicher Mindestlohn (auch) für Bereitschaftszeiten
Laut Pressemitteilung Nr. 33/16 hat das BAG mit Urteil vom 29.06.2016 (Az.: 5 AZR 716/16) festgestellt, dass der gesetzliche Mindestlohn für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen sei. Dabei rechnen zur vergütungspflichtigen Arbeit auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort - innerhalb oder außerhalb des Betriebs - bereithalten muss, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen. Im Ergebnis hat dies dem Kläger jedoch nichts genützt, da die insgesamt gezahlte Monatsvergütung den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu 8,50 Euro = 1.938,00 Euro brutto monatlich) nicht nur erreicht habe, sondern übersteige.
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BAG: Kosten der Reinigung von Hygienekleidung in Schlachtbetrieben (trägt der Arbeitgeber)
Laut Pressemitteilung Nr. 31/16 hat das BAG mit Urteil vom 14.06.2016 (Az.: 9 AZR 181/15) festgestellt, dass in lebensmittelverarbeitenden Betrieben der Arbeitgeber dafür zu sorgen habe, dass seine Arbeitnehmer saubere und geeignete Hygienekleidung tragen. Zu seinen Pflichten gehöre auch die Reinigung dieser Kleidung auf eigene Kosten. Der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, die Kosten der Reinigung der Hygienekleidung zu tragen und diese der Beklagten gemäß § 670 BGB zu erstatten. Die Vorschrift beruhe auf dem allgemeinen Grundsatz, dass die Kosten von demjenigen zu tragen sind, in dessen Interesse das Geschäft oder die Handlung vorgenommen wurde.
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BAG: Institutioneller Rechtsmissbrauch bei Befristungen
Laut Pressemitteilung Nr. 29/16 hat sich das BAG in einem Urteil vom 08.06.2016 (Az.: 7 AZR 259/16) mit Fragen des Befristungsrechts, und zwar im Hochschulbereich beschäftigt.
Von allgemeiner Bedeutung sind die Hinweise in dieser Entscheidung, wonach die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines Sachgrunds für die Befristung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein kann. Zu prüfende Kriterien sind dabei laut BAG u.a. eine sehr lange Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses und/oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sein.
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BAG: Erfüllung des Mindestlohns
Laut Pressemitteilung Nr. 24/16 hat das BAG in seinem Urteil vom 25.05.2016 (Az.: 5 AZR 135/16) sich mit dem Thema des gesetzlichen Mindestlohns befasst.
Es ging dabei um die Frage, ob und wie das Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen der Klägerin und die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit zu berechnen sind.
Dazu hat das BAG festgestellt, dass die Klägerin aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen sowie erhöhte Lohnzuschläge habe. Der gesetzliche Mindestlohn trete als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändere diese aber nicht. Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Klägerin für den Zeitraum Januar bis November 2015 ist erfüllt, denn auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen kommt Erfüllungswirkung zu.
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BAG: Inanspruchnahme von Elternzeit - Schriftformerfordernis
Laut Pressemitteilung Nr. 23/16 hat sich das BAG in einem Urteil vom 10.05.2016 (Az.: 9 AZR 145/15) mit der Frage befasst, in welcher Form Elternzeit beantragt werden muss.
Im Ergebnis hat das BAG - sehr formstreng - darauf abgestellt, dass das Elternzeitverlangen die strenge Schriftform iSv. § 126 Abs. 1 BGB erfordere. Es müsse deshalb von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Ein Telefax oder eine E-Mail wahre die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene Schriftform nicht und führt gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit der Erklärung. Daher dringend darauf achten!
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BAG: Keine Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung bei unterlassener Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses
Laut Pressemitteilung Nr. 19/16 hat das BAG in einem Urteil vom 21. 04.2016 (Az.: 8 AZR 402/14) u.a. festgestellt, dass keine Diskriminierung wegen einer Schwerbehinderung bei unterlassener Durchführung des Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses vorliege. Zur Begründung weist das BAG darauf hin, dass das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine "angemessene Vorkehrung" iSv. Art. 2 UN-BRK und des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sei. Zudem sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG) ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
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LAG Düsseldorf: Abfindungsprogramm nach dem Windhundprinzip zulässig
Laut Pressemitteilung Nr. 27/16 hat das LAG Düsseldorf in einem Urteil vom 12.04.2016 (Az.: 14 Sa 1344/15) festgestellt, dass ein Abfindungsprogramm nach dem Windhundprinzip zulässig sein soll. Bei einem ganz erheblichen Personalabbau gab es ein sog. „Offenes Abfindungsprogramm“. In diesem hieß es u.a: „c. Es wird eine externe Koordinationsstelle … eingerichtet. Der Mitarbeiter sendet seine verbindliche Erklärung zur Teilnahme am Offenen Abfindungsprogramm ... an die bekannt gegebene Externe Koordinationsstelle. ... d. Für den Fall, dass es mehr Interessenten als Plätze im Kontingent gibt, werden die zeitlich früheren Eingänge berücksichtigt.“
Der Kläger verlangte mit seiner Klage den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 30.09.2015 und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 298.777,00 Euro. Ebenso wie vor dem Arbeitsgericht hatte die Klage vor dem LAG keinen Erfolg. Das LAG meint, dass es keinen rechtlichen Bedenken begegne, wenn der Arbeitgeber in Abstimmung mit dem Konzernbetriebsrat Mitarbeitern das Ausscheiden gegen Abfindung anbiete, die Anzahl der ausscheidenden Mitarbeiter begrenze und die Auswahl nach dem zeitlichen Eingang der Meldungen treffe. ... Da kein Anspruch auf ein Ausscheiden gegen eine Abfindung bestehe, sei der Arbeitgeber – abgesehen von unzulässigen Diskriminierungen, frei, wie er die Auswahl gestalte. Es kann sich daher auch in solchen Fällen sehr lohnen, sich möglichst zeitnah von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen, ob man möglichst schnell "zuschlagen" oder abwarten sollte.
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BAG: Mitbestimmung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 16/16 mit einem Thema befasst, dass individualarbeitsrechtlich oft eine Rolle spielt, dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM). In der genannnten Entscheidung ging es (mal) um die kollektivarbeitsrechtliche Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats (BR) beim betrieblichen Eingliederungsmanagement. Dazu hat das BAG festgestellt, dass das Mitbestimmungsrecht des BR bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG aufgrund der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen zur Klärung der Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann, erfasse. BAG, Beschluss vom 22. März 2016 (Az.: 1 ABR 14/14)
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BAG: Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung?
Laut Pressemitteilung Nr. 12/16 hat das BAG mit Urteil vom 16.03.2016 (Az.: 4 AZR 421/15) eine für den juristischen Laien schwer verständliche Entscheidung getroffen. Es ging um die Frage, ob bzw. wann eine tarifliche Ausschlussfrist durch Klageerhebung gewahrt wird. Im Ergebnis hat das BAG festgestellt, dass es zur Fristwahrung nicht ausreiche, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht eingegangen sei und dem Anspruchsgegner ggf. später zugestellt werde. Entscheidend sei der Zugang beim Anspruchsgegner selbst. § 167 ZPO finde für die Wahrung einer einfachen tariflichen Ausschlussfrist bei der außergerichtlichen Geltendmachung keine Anwendung. In § 167 ZPO ist geregelt, dass es für die Frage der Rechtzeitigkeit einer Klage an sich ausreicht, wenn diese rechtzeitig eingereicht und "demnächst" auch zugestellt wurde.
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LAG Rheinland-Pfalz: Befristete Arbeitsverträge bei Profi-Fußballern sind sachlich gerechtfertigt
Laut Pressemitteilung des LAG Rheinland-Pfalz vom 17.02.2016 hat sich das LAG in einer Entscheidung (Az. 4 Sa 202/15) mit einer (auch/jedenfalls) für die "Fußballwelt" sehr wichtigen Frage der Befristung von Profispielerverträgen befasst.
Anders als noch das ArbG hat das LAG festgestellt, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zwischen einem Fußballverein der ersten Bundesliga und einem Lizenzspieler zulässig sei, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt wäre (§ 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG liege ein sachlicher Grund vor, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertige. Im Übrigen hat das LAG noch festgestellt, dass die Entscheidung darüber, ob der Spieler in Bundesligaspielen eingesetzt werde, dem freien Ermessen des Trainers unterliege.
Das LAG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache das Rechtsmittel der Revision zum Bundesarbeitsgericht für den unterlegenen Kläger zugelassen.
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ArbG Berlin: Personalleiter müssen bei Begünstigung eines Verwandten mt einer fristlosen Kündigung rechnen
Laut Pressemitteilung Nr. 8/16 hat das ArbG Berlin mit Urteil vom 02.02.2016 (Az.: 16 Ca 10908/15 und 16 Ca 932/16) die außerordentliche Kündigung der Leiterin des Dezernats Personal und Organisation der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für rechtswirksam gehalten. Die Klägerin hatte in ihrer Funktion u.a. die Höhe der Vergütungen und Ruhegehälter der Mitarbeiter der KBV anhand der getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen festzulegen. Sie setzte die Vergütung bzw. das Ruhegehalt ihres Ehemannes, der seinerzeit als Vorstandsvorsitzender der KBV tätig war, zu hoch an, ohne zuvor auf einen möglichen Interessenkonflikt hinzuweisen und den Inhalt der mit ihrem Ehemann getroffenen Vereinbarungen zu klären. Das Arbeitsgericht hat in diesem Verhalten einen erheblichen Verstoß der Klägerin gegen ihre arbeitsvertragliche Pflichten gesehen, der auch ohne eine vorherige Abmahnung zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigte. Die Klägerin habe vorsätzlich und unter Überschreitung ihrer Befugnisse ihrem Ehemann vermögenswerte Vorteile verschaffen wollen und sich damit gegenüber ihrem Arbeitgeber grob illoyal verhalten. Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung zulässig.
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LAG Hamm: Wertsachen im Betrieb gestohlen - Wann haftet der Arbeitgeber?
Laut Pressemitteilung vom 21.01.2016 hat sich das LAG Hamm in einer Entscheidung vom 21.01.2016 (Az.: 18 Sa 1409/15) mit einer in der Praxis durchaus häufiger auftauchenden Frage befasst. Auch wenn es um einen eher ungewöhnlichen Sachverhalt (sehr wertvolle Gegenstände) ging, wurden grundsätzliche und auf andere Situationen durchaus übertragbare Fragen beantwortet. Nachdem bereits die erste Instanz die Klage abgewiesen hatte, hat das LAG im Berufungstermin betont, dass sich Schutzpflichten des Arbeitgebers bezüglich vom Arbeitnehmer in den Betrieb mitgebrachter Sachen regelmäßig nur dann begründen lasse, wenn es sich um Sachen handele, die ein Arbeitnehmer zwingend, mindestens aber regelmäßig mit sich führe oder aber unmittelbar oder mittelbar für die Arbeitsleistung benötige. Nur bezüglich solcher Sachen oder Gegenstände habe der Arbeitgeber ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um den Arbeitnehmer vor Verlust oder Beschädigung der eingebrachten Sachen zu schützen. Hinsichtlich anderer, ohne jeden Bezug zum Arbeitsverhältnis und insbesondere ohne Kenntnis und Einverständnis des Arbeitgebers mitgebrachter (Wert-)Gegenstände ließen sich Obhuts- und Verwahrungspflichten hingegen nicht begründen, schon um den Arbeitgeber nicht ebenso unerwarteten wie unkalkulierbaren Haftungsrisiken auszusetzen.
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LAG Berlin-Brandenburg: Anrechnung von Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn / Mindestlohn als Berechnungsgrundlage (nur) für Nachtarbeitszuschläge
Laut Pressemitteilung Nr. 6/16 vom 27.01.2016 hat das LAG Berlin-Brandenburg in einer Entscheidung vom 12. Januar 2016 (Az.: 19 Sa 1851/15) über die Anrechnung von Sonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn und die Berechnungsgrundlage für vereinbarte Zuschläge entschieden und dies teilweise bejaht. Danach soll es sich bei den Sonderzahlungen im vorliegenden Fall um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung der Klägerin handeln, weshalb eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich sei. Die Betriebsvereinbarung, die die Fälligkeit der Sonderleistungen zu einem Zwölftel auf jeden Monat verschiebe, sei wirksam und verstoße nicht gegen den Arbeitsvertrag der Klägerin. Die vertraglich geregelten Mehrarbeits-, Sonntags- und Feiertagszuschläge habe die Arbeitgeberin zulässig auf der Basis der vereinbarten vertraglichen Vergütung berechnet. Dagegen seien die Nacharbeitszuschläge auf der Basis des Mindestlohns von 8,50 Euro zu berechnen, weil § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer „zustehende Bruttoarbeitsentgelt“ vorschreibe. Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien die vom Landesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zugelassene Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Ich werde zur gegebener Zeit weiter berichten.
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ArbG Solingen: Teilzeitbeschäftigung, Elternzeit, Verfügungsanspruch, Verfügungsgrund
Laut des auf der NRW-Justiz-Seite veröffentlichten Textes hat sich das ArbG Solingen in einem Urteil vom 05.01.2016 (Az.: 3 Ga 20/15) mit der in der Praxis öfters vorkommenden Frage befasst, wann eine Teilzeitbeschäftigung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchgesetzt werden kann. Das ArbG hat dazu folgenden Leitsatz aufgestellt: "1. Der zutrefefnde Antrag zur Durchsetzung einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit bestimmt sich nach dem Rechtsschutzziel. Lehnt die Arbeitgeberin eine Teilzeitbeschäftigung ab und bietet weiterhin eine Vollzeitbeschäftigung an, dann geht es dem Verfügungskläger um die Gestattung, der Arbeit in einem bestimmten Umfang fernbleiben zu dürfen. 2. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist nicht in jedem Fall das Bestehen eines Verfügungsanspruchs erforderlich. Gemäß § 940 ZPO geht es um die Regelung eines Rechtsverhältnisses. Aus diesem müssen noch keine Ansprüche abschließend entstanden sein." Im konkreten Fall wurde der Antrag jedoch abgelehnt, da dass ArbG keinen Verfügungsgrund gesehen hat. Das ArbG stellt darauf ab, dass ein Verfügungsgrund i. S. 940 ZPO voraussetze, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich sei. Dabei seien hohe Anforderungen zu stellen. Dabei werde verlangt, dass bei Versagen einer solchen Maßnahme der Eintritt irreparabler Schäden oder eines irreparablen Zustands vom Gläubiger zu befürchten sei. Ein solcher Verfügungsgrund könne etwa dann vorliegen, wenn die Verringerung der Arbeitszeit aus familiären Gründen dringend und unumgänglich sei. In entsprechenden Fällen sollte man daher immer die Sach- und Rechtslage zügig durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen.
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BAG: Schenkungsanfechtung bei Entgeltzahlung an die freigestellte Ehefrau
Laut Pressemitteilung Nr. 65/15 hat sich das BAG mit Urteil vom 17.12.2015 (Az.: 6 AZR 186/14) mit der - insolvenzrechtlich relelvaten - Frage befasst, ob eine Ehefrau "unentgeltlich" arbeitet, wenn sie freigestellt ist. Nach § 134 Abs. 1 InsO können unentgeltliche Leistungen des Schuldners, die in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind, ohne weitere Voraussetzungen angefochten werden. Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Empfänger einer solchen Leistung nicht schutzwürdig ist. Wird eine Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht vereinbart, obwohl Arbeit vorhanden ist, sind laut BAG die auf dieser Vereinbarung beruhenden Entgeltzahlungen in der Regel unentgeltlich und nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar.
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BAG: Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags
Laut Pressemitteilung Nr. 63/15 hat sich das BAG mit Urteil vom 9.12.2015 (Az.: 10 AZR 423/14) erklärt zur Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags - Dauerhafte Nachtarbeit und folgendes festgestellt:
"Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag iHv. 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch regelmäßig auf 30%."
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BAG: Ausschluss von Sozialplanabfindung und Klageverzichtsprämie
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 61/15 in einem Urteil vom 08.12.2015 (Az.: 1 AZR 595/14) mit in der Praxis häufiger vorkommenden Fragen im Zusammenhang mit Sozialplanabfindungen und Klageverzichtsprämie befasst.
Das BAG hat dazu festgestellt, dass ein Sozialplan die Zahlung einer Abfindung auf Arbeitnehmer beschränken könne, die wegen der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Hingegen dürfe eine Betriebsvereinbarung, nach der Arbeitnehmer eine Sonderprämie erhalten, wenn sie auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, nicht solche ausschließen, die im Anschluss an ihre Entlassung anderweitig beschäftigt werden und von der Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens absehen würden.
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LAG Düsseldorf: Verkaufsleiter haftet bei Etablierung eines kartellrechtswidrigen Absprachessystems durch den Arbeitgeber nicht für Kartellbußgeld
Laut Pressemitteilung hat das LAG Düsseldorf in einem Urteil vom 27.11.2015 (Az.: 14 Sa 800/15) festgestellt, dass in dem entschiedenen Fall die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers an dem überwiegenden Mitverschulden der Organe der Beklagten und ihrer Konzernobergesellschaft scheitere. Diese treffe ein erhebliches Organisationsverschulden, denn sie habe das kartellrechtswidrige Absprachesystem geschaffen und den Arbeitnehmern nahe gebracht. Die Anwesenheit der Geschäftsführer und der Vorstände sollte hierbei den Mitarbeitern die kartellrechtswidrige Strategie mit dem nötigen Nachdruck vermitteln. Bei dieser Sachlage sei ein – unterstellter – Tatanteil des Arbeitnehmers zwar als grob pflichtwidrig zu bewerten, aber als deutlich geringer anzusehen als derjenige der Beklagten. Diese habe es als Arbeitgeberin durch ihre Organe in der Hand, ihren Betrieb so zu organisieren, dass kartellrechtswidrige Absprachen, wie sie jahrelang flächendeckend praktiziert worden wären, unterbleiben würden.
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BAG: Keine Anrechnung eines vorausgegangenen Praktikums auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis
Laut Pressemitteilung Nr. 59/15 hat das BAG mit Urteil vom 19.11.2015 (Az.: 6 AZR 844/14) festgestellt, dass § 20 Satz 1 BBiG zwingend anordne, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. Beide Vertragspartner sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Dies sei nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich. Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums sei deshalb nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen. Auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums komme es nicht an. Dahingestellt lassen konnte BAG nach seiner Ansicht die in der Praxis immer wieder aufkommenden Frage, ob es sich bei einem "Praktikum" in arbeitsrechtlicher Hinsicht nicht doch um ein ganz normales Arbeitsverhältnis handelt.
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BAG: Sozialplanabfindung - Benachteiligung wegen Behinderung
Laut Pressemitteilung Nr. 56/15 hat das BAG mit Urteil vom 17.11.2015 (Az.: 1 AZR 938/13) festgestellt, dass eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Bemessung einer Sozialplanabfindung unwirksam ist, wenn sie schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in gleicher Weise wie sie von einem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind, schlechter stellt.
Differenziere ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, habe ein damit einhergehender Systemwechsel die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten. In der Regelung über den pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt sind, liege eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Ungleichbehandlung. Diese benachteilige behinderte Arbeitnehmer, denen nach einer für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Berechnungsformel ein höherer Abfindungsbetrag zustehen würde. Sie dürfe gemäß § 7 Abs. 2 AGG ihnen gegenüber nicht angewendet werden.
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BAG: Gleichbehandlung von Arbeiter und Angestellte
Auch wenn den meisten Menschen die arbeitsrechtliche Unterscheidung zwischen "Arbeitern" und "Angestellten" gar nicht (mehr) geläufig ist, gibt es ab und zu doch noch Entscheidungen dazu. So hat das BAG laut Pressemitteilung Nr. 55/15 mit Urteil vom 10. November 2015 (Az.: 3 AZR 575/14) festgestellt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten nicht zu beanstanden sei, wenn mit der Anknüpfung an den Statusunterschied gleichzeitig auf einen Lebenssachverhalt abgestellt wird, der geeignet ist, die Ungleichbehandlung sachlich zu rechtfertigen. Es ging im entschiedenen Fall um eine als Betriebsvereinbarung abgeschlossene Versorgungsordnung, wonach die Höhe der Betriebsrente ua. von der Einreihung in eine der 21 Versorgungsgruppen abhängt. Die Zuordnung der Angestellten zu den Versorgungsgruppen richtet sich nach sog. Rangstufen, die Zuordnung der Arbeiter nach sog. Arbeitswerten. Bis zur Versorgungsgruppe 14 können in die Versorgungsgruppen sowohl Arbeiter als auch Angestellte eingereiht werden. Die Versorgungsordnung der Beklagten verstosse nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die unterschiedliche Zuordnung der Arbeiter und Angestellten zu den Versorgungsgruppen knüpfe an die bei Erlass der Versorgungsordnung geltenden unterschiedlichen Vergütungssysteme für beide Beschäftigtengruppen an.
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BAG: Leiharbeitnehmer zählen zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer
Laut Pressemitteilung Nr. 52/15 hat sich das BAG mit Beschluss vom 04.11.2015 (Az.: 7 ABR 42/13) - erneut - mit Fragen der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei bestimmten "Vertretungen" beschäftigt. Nachdem bereits vor einiger Zeit entschieden wurde, dass bei der Größe eines Betriebsrats auch die Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, hat das BAG nunmehr festgestellt, dass Leiharbeitnehmer auch bei Aufsichtsratswahlen eine Rolle spielen.
Es heißt dazu beim BAG: "Wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen sind für den Schwellenwert von in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern mitzuzählen, ab dessen Erreichen die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Wahl, sondern als Delegiertenwahl durchzuführen ist."
Das MitbestG definiere den Begriff „Arbeitnehmer“ nicht selbst, sondern verweise in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG. Das BAG hat unter Fortführung seiner neueren Rechtsprechung, nach der die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs insbesondere von einer normzweckorientierten Auslegung des jeweiligen gesetzlichen Schwellenwertes abhänge, entschieden, dass für die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG jedenfalls wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen mitzuzählen seien.
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BAG: Urlaubsdauer bei kurzfristiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses
Laut Pressemitteilung Nr. 47/15 hat sich das BAG in einem Urteil vom 20.10.2015 (9 AZR 224/14) mit der Frage befasst, welche Folgen eine kurzfristige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses auf die Urlaubsdauer hat. Das BAG hat dazu festgestellt, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BurlG ein Anspruch auf Abgeltung des wegen der Beendigung nicht erfüllten Anspruchs auf Urlaub entstehe. Werde danach ein neues Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber begründet, sei dies in der Regel urlaubsrechtlich eigenständig zu behandeln. Der volle Urlaubsanspruch werde erst nach (erneuter) Erfüllung der Wartezeit des § 4 BurlG erworben. Der Teilurlaub gemäß § 5 BurlG berechne sich grundsätzlich eigenständig für jedes Arbeitsverhältnis.
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LAG Berlin-Brandenburg: Änderungskündigung zur Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld aufgrund des höheren Stundenlohnes nach dem Mindestlohngesetz unwirksam
Laut Pressemitteilung Nr. 32/15 vom 08.10.2015 hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in verschiedenen Urteilen, zuletzt mit Urteilen vom 02.10.2015 (Az. 9 Sa 570/15 und 9 Sa 569/15, 9 Sa 591/15, 9 Sa 1727/15) festgestellt, dass eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber aufgrund des ab 1. Januar 2015 maßgeblichen Mindestlohns bisher zusätzlich zu einem Stundenlohn unterhalb des Mindestlohns gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld streichen will, unwirksam sei.
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LAG Düsseldorf: (keine) Fristlose Kündigung wegen Telefonanrufs bei Gewinnspiel
Mit einem Fall aus dem Leben, hat sich das LAG in einem Urteil vom 16.09.2015 (12 Sa 630/15) befasst. Laut Presseerklärung war die Klägerin seit dem 01.02.2014 bei der Beklagten, einem Kleinbetrieb, als Bürokauffrau tätig. Den Mitarbeitern der Beklagten war es gestattet, über die Telefonanlage der Beklagte private Anrufe zu tätigen, ohne diese zu bezahlen. Der Anruf bei kostenpflichtigen Sonderrufnummern war weder ausdrücklich genehmigt noch ausdrücklich untersagt. Im Januar 2015 hatte die Klägerin in den Arbeitspausen mehrere Anrufe bei der Hotline eines lokalen Radiosenders im Rahmen des Gewinnspiels "Das geheimnisvolle Geräusch" getätigt. Jeder Anruf kostete 0,50 Euro. Die Telefonrechnung für Januar 2015 mit 37 Einheiten für Sonderrufnummern scannte die Klägerin ein, ohne auf die von ihr getätigten Anrufe bei dem Gewinnspiel hinzuweisen. Da die Rechnung per Lastschrift eingezogen wurde, bedurfte es keiner Überweisung durch die Beklagte. Nachdem dem Geschäftsführer die 37 Einheiten aufgefallen waren, sprach er die Klägerin darauf an. Sie antwortete, dass aufgrund der Einzelverbindungsnachweise herauszufinden sein müsse, wer angerufen habe. Am nächsten Morgen räumte die Klägerin die Anrufe bei der Gewinnspielhotline ein und bot an, einen Betrag von 18,50 Euro zu erstatten. Drei Tage später, am 23.02.2015, kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht. Ebenso wie das ArbG Wesel hat das LAG Düsseldorf die fristlose Kündigung der Klägerin für unwirksam erachtet. Es liege zwar eine Pflichtverletzung vor. Auch wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz gestattet ist, sei es pflichtwidrig, diese Gestattung dazu zu benutzen, um bei einer kostenpflichtigen Gewinnspielhotline anzurufen. Die Pflichtverletzung hatte zur Überzeugung der Kammer in diesem Fall aber nicht das Gewicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass bei der Beklagten der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt war, mindere den Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerin. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgten, so dass nicht von einem Arbeitszeitbetrug auszugehen war.
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EuGH: Arbeitzeit und Fahrzeit zum ersten und letzten Kunden
Ausweislich einer auf der Homepage des EuGH einsehbaren Entscheidung, hat die Dritte Kammer mit Urteil vom 10.09.2015 festgestellt, dass Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung dahin auszulegen sei, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, unter denen die Arbeitnehmer keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort haben, die Fahrzeit, die diese Arbeitnehmer für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden aufwenden, „Arbeitszeit“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt (C‑266/14). Da die Entscheidung nicht zu einem "deutschen" Vorverfahren erging, bleiben die Folgen für parallele Sachverhalte in Deutschland abzuwarten.
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BAG: Annahmeverzug bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 42/15 in einem Urteil vom 19.08.2015 (Az.: 5 AZR 975/13) mit der Frage des Annahmeverzugs bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses befasst. Das BAG hat festgestellt, dass der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs ein erfüllbares, dh. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraussetze. Bei rückwirkender Begründung des Arbeitsverhältnisses liege ein solches für den vergangenen Zeitraum nicht vor. Es ging in dem zugrundeliegenden Fall um ein garantiertes Rückkehrrecht einer Arbeitnehmerin und die Folgen darauf, dass durch die Arbeitsgerichte rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage rückständiges Arbeitsentgelt und hatte damit keinen Erfolg, da laut BAG ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nicht tatsächlich durchführbar sei. Die Beklagte schulde die Vergütung auch nicht nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB, weil sie die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung für die Vergangenheit nicht zu verantworten hat. Die Beklagte befand sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.
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BAG: Altersdiskiminierende Kündigung im Kleinbetrieb
Laut Pressemitteilung Nr. 37/15 hat sich das BAG mit Urteil vom 23.07.2015 (Az.: 6 AZR 457/14) mit einer altersdiskriminierenden Kündigung im Kleinbetrieb befasst.
Falls bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten sei und gelinge es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.
Nachdem die Vorinstanzen die Klage noch abgewiesen hatten, stellte das BAG fest, dass die Kündigung gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoße und deshalb unwirksam sei
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BAG: Außerordentliche Kündigung - Nutzung dienstlicher Ressourcen zur Herstellung privater „Raubkopien“
Laut Pressemitteilung Nr. 36/15 hat das BAG mit Urteil vom 16. Juli 2015 (2 AZR 85/15) festgestellt, dass ein Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darin liegen kann, dass ein Arbeitnehmer privat beschaffte Bild- oder Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienstlichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche „DVD-“ bzw. „CD-Rohlinge“ kopiert. Dies gelte unabhängig davon, ob darin zugleich ein strafbewehrter Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz liege.
Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das LAG hat angenommen, die Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Zudem habe die Beklagte durch lediglich eigene Ermittlungen - ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden - weder eine umfassende, den Kläger möglicherweise entlastende Aufklärung leisten, noch den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung hemmen können. Im Übrigen habe es gegenüber den anderen Beteiligten keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen und den Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Eine (fristlose) Kündigung komme auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht habe. Aus dem Umstand, dass es ihm erlaubt gewesen sein mag, seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, konnte er nicht schließen, ihm seien die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet. Die fristlose Kündigung sei ebenso wenig deshalb unwirksam, weil die Beklagte Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet habe. Ein solches Vorgehen sei dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen. Solange er die Ermittlungen zügig durchführe, werde auch dadurch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt. Nicht entscheidend sei, welche Maßnahmen die Beklagte gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen habe. Der Gleichbehandlungsgrundsatz finde im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung. -
BAG: Eingruppierung einer Lehrerin für herkunftssprachlichen Unterricht
Laut Pressemitteilung Nr. 35/15 verbirgt sich hinter dem etwas sperrigen Titel eine Entscheidung des BAG vom 25.06.2015 (Az.: 6 AZR 383/14) in der es ganz einfach darum geht, ob das beklagte Land Nordrhein-Westfalen Lehrern mit ausschließlich deutscher Lehrbefähigung eine zumindest eine Entgeltgruppe niedrigere Vergütung zahlen dürfen, wenn eine ausländische Lehrbefähigung fehlt. Das BAG hat festgestellt, dass diese Differenzierung im Hinblick auf die Einstellungsanforderungen des beklagten Landes sachlich nicht gerechtfertigt sei. Den betroffenen Lehrern mit deutscher Lehrbefähigung sei deshalb eine Vergütung aus derselben Entgeltgruppe des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu zahlen wie den Lehrern mit der Lehrbefähigung ihres Heimatlandes. Im entschiedenen Fall ging es um eine in der Türkei geborene Klägerin mit der (deutschen) Lehrbefähigung für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen. Seit dem 30. August 2013 erteilt sie an einer Grundschule des beklagten Landes ausschließlich herkunftssprachlichen Unterricht in der türkischen Sprache. Die vom einschlägigen Eingruppierungserlass geforderte türkische Lehrbefähigung hat sie nicht nachgewiesen. Nachdem die Vorinstanzen die Klage noch abgewiesen hatten, hat das BAG der Klage nunmehr stattgegeben.
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BAG: (Kein) Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung
Laut Pressemitteilung Nr. 34/15 hat das BAG mit Beschluss vom 18.06.2015 (Az.: 8 AZR 848/13 (A)) dem Gerichtshof der Europäischen Union ua. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können? Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte ein Kläger eine Entschädigung iHv. 14.000,00 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab und schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen. Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens gehe das BAG davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben habe. Das Bewerbungsschreiben stehe einer Einstellung als „Trainee“ entgegen. Die Einladung zu einem Personalgespräch habe er ausgeschlagen. Damit sei der Kläger nach nationalem Recht nicht „Bewerber“ und „Beschäftigter“ iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Das Unionsrecht nenne jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützte den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt sei, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzte, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt sei. Ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genüge, sei eine allein dem Gerichtshof überantwortete Auslegungsfrage.
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BAG: Dynamik einer Verweisungsklausel nach Betriebsübergang
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 33/15 mit Beschluss vom 17.06.2015 (4 AZR 61/14 (A)) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit Unionsrecht ersucht. Dabei geht es um die Wirkung einer zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarten Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts gehe davon aus, dass der Erwerber eines Betriebsteils nach nationalem Recht aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die auf Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Bezug nimmt und deren Regelungen aufgrund privatautonomer Willenserklärungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht hat (sog. dynamische Bezugnahmeklausel), vertraglich so gebunden sei, als habe er diese Vertragsabrede selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen. Im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV solle geklärt werden, ob dieser Auslegung des nationalen Rechts unionsrechtliche Vorschriften - insbesondere Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - entgegenstehen. Für deren Auslegung sei allein der EuGH zuständig.
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BAG: (keine) Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 31/15 mit Urteil vom 19.05.2015 (Az.: 9 AZR 725/13) mit der Frage befasst, ob der Erholungsurlaub vom Arbeitgeber wegen Elternzeit gekürzt werden kann.
Im Ergebnis hat das BAG dies verneint und festgestellt, dass nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber den Erholungsurlaub wegen Elternzeit nicht mehr kürzen könne. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setze voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch bestehe. Daran fehle es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe.
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BAG: Mindestlohn für pädagogisches Personal auch bei Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 30/15 mit Urteil vom 13.05.2015 (10 AZR 191/14) mit der Frage befasst, wie sich der Mindestlohn für pädagogisches Personal bei Entgeltfortzahlung an Feiertagen und bei Arbeitsunfähigkeit berechnet.
Im Ergebnis stellt das BAG fest, dass sich die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall des pädagogischen Personals in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach den für diesen Personenkreis erlassenen Mindestlohnvorschriften berechnen würde. Die Beklagte zahlte zwar für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs diese Mindeststundenvergütung, nicht aber für durch Feiertage oder Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Stunden. Auch die Urlaubsabgeltung berechnete sie nur nach der geringeren vertraglichen Vergütung. Mit ihrer Klage hat die Klägerin für Feiertage, Krankheitszeiten und als Urlaubsabgeltung nach Maßgabe des TV-Mindestlohn eine Nachzahlung verlangt, und nunmehr rechtskräftig zugesprochen erhalten. Das BAG weist darauf hin, dass nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (§ 2 Abs. 1, § 3 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG) der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimmt sich gemäß § 11 BUrlG nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen (Referenzprinzip). Diese Regelungen finden auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die - wie hier die MindestlohnVO - keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Ein Rückgriff des Arbeitsgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung ist in diesen Fällen deshalb unzulässig.
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BAG: Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nach Verkehrsanschauung
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 28/15 in einem Urteil vom 29.04.2015 (9 AZR 108/14) mit Fragen zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung befasst.
Das BAG weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass Ausbildende dem Auszubildenden gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG eine angemessene Vergütung zu gewähren haben. Maßgeblich für die Angemessenheit sei die Verkehrsanschauung. Wichtigster Anhaltspunkt für diese seien die einschlägigen Tarifverträge. Eine Ausbildungsvergütung sei in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte um mehr als 20 vH unterschreite. Handele es sich bei dem Ausbildenden um eine gemeinnützige juristische Person, rechtfertige allein der Status der Gemeinnützigkeit es nicht, bei der Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung von einer Orientierung an den einschlägigen Tarifverträgen abzusehen.
Besondere Umstände, die geeignet hätten sein können, trotz des Unterschreitens der tariflichen Ausbildungssätze um fast 50 vH die Vermutung der Unangemessenheit der vom Beklagten gezahlten Ausbildungsvergütung zu widerlegen, habe das LAG nicht festgestellt. Der Beklagte habe solche Umstände auch nicht dargetan.
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BAG: Ansprüche aus Tarifvertrag - Günstigkeitsvergleich
Laut Pressemitteilung Nr. 21/15 hat sich das BAG Urteil vom 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - mit dem Thema "Ansprüche aus Tarifvertrag - Günstigkeitsvergleich" befasst. Das BAG hat festgestellt, dass die Regelungen eines auf ein Arbeitsverhältnis aufgrund vertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvertrags nach dem in § 4 Abs. 3 TVG verankerten Günstigkeitsprinzip nur zum Tragen komme, soweit sie gegenüber dem kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifvertrag für den Arbeitnehmer günstiger seien. Dies sei im Wege des sog. Sachgruppenvergleichs zu ermitteln. Sei nach diesen Maßstäben nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die individualvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibe es bei der zwingenden Geltung der tariflichen Bestimmungen.
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ArbG Mainz: (unwirksame) Befristung des Arbeitsvertrages mit einem Profifussballer
Laut Pressemeldung Nr. 1/2015 hat sich das Arbeitsgericht Mainz in seinem Urteil vom 19.03.2015 (Az.: 3 Ca 1197/14) mit der Frage der Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsvertrags mit einem Profifußballer befasst. Die Entscheidung und deren - vermeintlichen oder tatsächlichen - Folgen für den Profifußball sind in der Tagespresse bereits vielfältig besprochen worden. Für mich ist die Entscheidung ein gutes Beispiel dafür, dass viele gesellschaftlich "besonderen" Arbeitsbereiche arbeitsrechtlich ganz "einfach" einzuordnen sind.Konkret ging es um die Frage, ob die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballspieler als solche eine Befristung des Vertrags des Vertrages rechtfertigen würde. Der beklagte Verein hat geltend gemacht, mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits 34jährigen Spieler habe er aufgrund der Ungewissheit der Leistungserwartung keinen unbefristeten Vertrag schließen können und verwies auf die Branchenüblichkeit. Demgegenüber hat das ArbG in der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung darauf abgestellt, dass eine Befristung ohne Sachgrund wegen der Überschreitung der Höchstbefristungsdauer von 2 Jahren nicht mehr in Betracht gekommen sei und auch kein arbeitsrechtlich relevanter Sachgrund vorgelegen habe. Lägen andere Sachgründe – etwa in der Person aufgrund des eigenen Wunsches des Profisportlers – nicht vor, so rechtfertige die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsentwicklung auch im Profisport nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses.
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BAG: Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit - Verschulden bei langjähriger Alkoholabhängigkeit
Laut Pressemitteilung Nr. 14/15 hat sich das BAG in einem Urteil vom 18. März 2015 (Aktenzeichen 10 AZR 99/14) mit in der Praxis leider manchmal vorkommenden Fragen im Zusammenhang mit Alkoholabhängigkeit befasst. Konkret ging es darum, ob Entgeltfortzahlung wegen einer "Erkrankung" auch in Fällen der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Alkoholabhängigkeit bezahlt werden muss. Das BAG hat dies - wie die Vorinstanzen - bejaht und dabei darauf abgestellt, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur dann verschuldet iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG sei, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstoße. Nur dann verliere er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehle es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden.
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BAG: (angemessene) Ausbildungsvergütung (auch) bei mit öffentlichen Geldern gefördertem Ausbildungsplatz
Laut Pressemitteilung Nr. 13/15 hat sich das BAG in einem Urteil vom 17. März 2015 (Aktenzeichen 9 AZR 732/13) mit der Frage der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung befasst.
Im entschiedenen Fall verwies der Arbeitgeber auf seine - unstreitig - beschränkten finanziellen Mittel. Dazu hat das BAG festgestellt, dass sich die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung nicht am Budget zu orientieren habe, sondern bereits bei der Vereinbarung des Budgets für die vorgesehene Anzahl von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen sei.
Ausbildende hätten Auszubildenden nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG auch dann eine angemessene Vergütung zu gewähren, wenn die Ausbildungsplätze mit öffentlichen Geldern gefördert werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sei auf die Funktion der Ausbildungsvergütung abzustellen. Sie solle dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern bei der Finanzierung des Lebensunterhalts eine Hilfe sein, die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und in gewissem Umfang eine Entlohnung darstellen. Eine an einschlägigen Tarifverträgen ausgerichtete Ausbildungsvergütung sei stets angemessen. Allerdings wären bei öffentlich geförderten Ausbildungsplätzen Besonderheiten zu berücksichtigen. Hätte ohne die Förderung der Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung gestanden und verwerte der Ausbilder die Leistungen des Auszubildenden nicht selbst, komme die Ausbildung ausschließlich dem Auszubildenden zugute, sodass der Gesichtspunkt einer Entlohnung an Bedeutung verliere.
Die zur Verkäuferin im Einzelhandel ausgebildete Klägerin erhielt nach Maßgabe der Förderrichtlinien im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Ausbildungsvergütung von 210,00 Euro und im zweiten Ausbildungsjahr von 217,00 Euro. Dies entsprach etwa einem Drittel der tariflichen Ausbildungsvergütung. Auch die Klägerin hielt diese Ausbildungsvergütungen für nicht angemessen und verlangte die Zahlung der tariflichen Ausbildungsvergütung. Die Vorinstanzen haben der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin Ausbildungsvergütung in Höhe von zwei Dritteln des einschlägigen BAföG-Satzes zugesprochen. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
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ArbG Berlin: Mindestlohn - Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und jährlicher Sonderzahlung
Laut Pressemitteilung Nr. 5/15 vom 05.03.2015 hat das ArbG Berlin (Urteil vom 04.03.2015; Az.: 54 Ca 14420/14) eine der ersten Entscheidungen zum Thema "Mindestlohn" veröffentlicht.
Nach dieser Entscheidung darf der Arbeitgeber ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, sei unwirksam.
Der Arbeitnehmer erhielt von dem Arbeitgeber eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen sowie ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung.Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis und bot gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Der gesetzliche Mindestlohn solle unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. -
BAG: (Un-)Wirksamkeit einer Klageverzichsklausel in einem Aufhebungsvertrag
Laut Pressemitteilung Nr. 11/15 hat sich das BAG in einem Urteil vom 12.03.2015 (Az.: 6 AZR 82/14) mit einer in der Praxis nach wie vor häufig anzutreffenden "Klageverzichtsklausel" in einem Aufhebungsvertrag befasst.
Zur Abwendung einer vom Arbeitgeber anderenfalls angedrohten fristlosen Kündigung und Strafanzeige hatte der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterschrieben, der auch einen Verzicht auf die Erhebung einer Klage enthielt.
Das BAG hat dazu ausgeführt, dass ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliege. Werde ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteilige dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. In konkreten Fall war dies noch nicht abschließend geklärt, so dass die Sache an das LAG zurückverwiesen wurde.
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BAG: Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers - Einwilligungserfordernis
Laut Pressemitteilung Nr 8/15 hat das BAG mit Urteil vom 19.02.2015 (Az.: 8 AZR 1011/13) festgestellt, dass nach § 22 KUG Bildnisse von Arbeitnehmern nur mit ihrer Einwilligung veröffentlicht werden dürfen.
Das BAG weist darauf hin, dass die Einwilligung schriftlich erfolgen müsse. Eine ohne Einschränkung erteilte Einwilligung des Arbeitnehmers erlösche jedoch nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Sie könne aber widerrufen werden, wenn dafür ein plausibler Grund angegeben werde.
In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer zunächst schriftlich seine Einwilligung erteilt, dass der Arbeitgeber von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen mache und diese für ihre Öffentlichkeitsarbeit verwendet und ausgestrahlt werde. Danach ließ der Arbeitgeber einen Werbefilm herstellen, in dem zweimal die Person des Klägers erkennbar abgebildet war. Nachdem das Arbeitsverhältnis geendet hatte, erklärte der Arbeitnehmer den Widerruf seiner „möglicherweise“ erteilten Einwilligung und forderte den Arbeitgeber auf, das Video binnen 10 Tagen aus dem Netz zu nehmen. Dem folgte der Arbeitgeber - unter Vorbehalt -. Der Arbeitnehmer verlangte die Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld. Die Klage war vor dem Arbeitsgericht teilweise, vor dem LAG ganz erfolglos geblieben. Die Revision des Klägers vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Zwar sei ein späterer Widerruf grundsätzlich möglich gewesen, jedoch habe der Arbeitnehmer für diese gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben.
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BAG: Observation durch einen Detektiv mit heimlichen Videoaufnahmen
Laut Pressemitteilung Nr. 7/15 hat sich das BAG mit Urteil vom 19. Februar 2015 (Az.: 8 AZR 1007/13) mit der Frage befasst, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer durch einen Detektiv überwachen darf. Das BAG hat dazu festgestellt, dass ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers übertrage, rechtswidrig handele, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruhe. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gelte dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne einen Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen. Im konkreten Fall hatte die Vorinstanz der Klage in Höhe von 1.000,-- Euro stattgegeben. Die Rechtsmittel beider Parteien blieben vor BAG ohne Erfolg. Der Arbeitgeber hatte laut BAG keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden sei. Die vom LAG angenommene Höhe des Schmerzensgeldes (= 1.000,--) war nicht zu korrigieren.
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BAG: Befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Renteneintrittsalters
Laut Pressemitteilung Nr. 5/15 hat das BAG mit Urteil vom 11.02.2015 (Az.: 7 AZR 17/13) festgestellt, dass der Bezug von gesetzlicher Altersrente allein keine Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen rechtfertigt. Zwar führt das BAG aus: "Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien nach Erreichen des Renteneintrittsalters des Arbeitnehmers die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, kann die Befristung sachlich gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Einarbeitung einer Nachwuchskraft dient." In dem entschiedenen Fall bezog der langjährig beim Arbeitgeber beschäftigte Kläger seit Vollendung seines 65. Lebensjahres gesetzliche Altersrente. Sein Arbeitsvertrag sah keine Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters vor. Nach Beginn der Rente vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember 2010 ende solle. Dieser Vertrag wurde zweimal verlängert. Die Vorinstanzen hatten die Klage des Arbeitnehmer auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung abgewiesen. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das BAG wies darauf hin, dass der Bezug von gesetzlicher Altersrente allein die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG) nicht rechtfertige. Erforderlich sei in diesem Fall vielmehr zusätzlich, dass die Befristung einer konkreten Nachwuchsplanung der Beklagten diene. Hierzu hatte das Landesarbeitsgericht bislang keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.
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BAG: Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung
Laut Pressemitteilung Nr. 2/15 hat sich das BAG mit Urteil vom 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - mit einer sehr praxisrelvanten Frage befasst. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß gekündigt. Im Kündigungsschreiben hieß es: „Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“ Dazu hat das BAG festgestellt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub nicht erfüllt werde, wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Nach § 1 BUrlG setze die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewähre ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusage. Im konkreten Fall nützte dies dem Arbeitnehmer jedoch nichts (mehr), da er zuvor in dem Kündigungsrechtsstreit einen umfassenden Vergleich geschlossen hatte.
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LAG Düsseldorf: Unternehmenskartellbuße nicht von dem handelnden Arbeitnehmer zu erstatten
Laut Pressemitteilung Nr. 8/2015 hat das LAG Düsseldorf (Teilurteile vom 20.01.2015 - 16 Sa 460/14 u.a.) festgestellt, dass Unternehmenskartellbußen nicht erstattungsfähig sind.
Eine konzernangehörige Gesellschaft hatte einen ehemaligen Mitarbeiter auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen, nachdem gegen diese Gesellschaft das Bundeskartellamt Bußgelder von 103 Mio. Euro und von 88 Mio. Euro wegen rechtswidriger Kartellabsprachen beim Vertrieb von Schienen und anderer Oberbaumaterialien („Schienenkartell“) verhängt hatte. Der Beklagte war zuständiger Geschäftsführer. Das LAG hat die Klage durch Teilurteil betreffend die Kartellbuße in Höhe von 191 Mio. Euro abgewiesen, da die vom Bundeskartellamt gegenüber der Gesellschaft verhängte Buße ist im Verhältnis zum Beklagten als natürlicher Person nicht erstattungsfähig sei. Dies ergebe sich aus der Funktion der Unternehmensgeldbuße. Über weitere Fragen im Zusammenhang mit einem Schadensersatz hat das LAG noch nicht abschließend entschieden.
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BAG: Betriebsrentenbeginn und gesetzliche Altersrente
Laut der Pressemitteilung Nr. 1/15 hat sich das BAG in einem Urteil vom 13.01.2015 (3 AZR 894/12) mit den Voraussetzungen für den Bezug einer Betriebsrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres und der Auslegung einer Versorgungsordnung befasst.
Der Klägerin wurden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den „Regelungen zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung (AHV)“ der Beklagten zugesagt. Diese sahen vor, dass Versorgungsbezüge nur gewährt wurden, wenn der/die Angestellte fünf Jahre bei dem Arbeitgeber gearbeitet hatte (Wartezeit) und nach Vollendung des 63. Lebensjahres, bei weiblichen Mitarbeitern nach Vollendung des 60. Lebensjahres beim Arbeitgeber ausgeschieden oder vor Vollendung des 63. Lebensjahres, bei weiblichen Mitarbeitern vor Vollendung des 60. Lebensjahres, dienstunfähig geworden ist. Ferner war geregelt, dass die Versorgungsbezüge u.a. um die gesetzlichen Rentenleistungen gekürzt werden.
Im November 2010 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern - so auch der Klägerin - mit, dass Personen ab Geburtsjahrgang 1952 aufgrund der geänderten Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung die Betriebsrente nach den AHV frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres erhalten könnten. Der Bezug der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei schon immer eine entscheidende Voraussetzung für den Anspruch auf die betriebliche AHV-Rente gewesen. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt. In den Vorinstanzen mit Erfolg; beim BAG dagegen nicht. Das BAG hat festgstellt, dass der Klägerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erst ab dem Zeitpunkt zustehen würden, zu dem sie die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehme. Die Auslegung nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen ergebe, dass die AHV für Frauen keine „feste“, sondern eine „flexible“ Altersgrenze auf das 60. Lebensjahr festlege und den Bezug von Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung voraussetze.
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ArbG Köln: (Ausnahmsweise) Erstattung von Anwaltskosten durch den Arbeitgeber
Gemäß § 12 a ArbGG besteht für Verfahren beim ArbG (erste Instanz) selbst dann kein Anspruch auf Erstattung der eigenen Anwaltskosten, wenn man das Verfahren gewinnt.
Die ganz herrschende Meinung wendet diesen Ausschluss grundsätzlich auch auf außergerichtliche Anwaltskosten an, d.h. auch diese sind grundsätzlich nicht zu erstatten.
Das ArbG Köln hat in seiner Entscheidung vom 18.12.2014 eine Ausnahme für den Fall angenommen, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer mit einer leicht vermeidbaren Strafanzeige "überzieht".
Zur Begründung weist das ArbG auf die geltenden Fürsorgepflichten. Im entschiedenen Fall hätte der Arbeitnehmer zumindest vor der Strafanzeige zu den Anschuldigungen befragt werden müssen. Das Ermittlungsverfahren wurde nach der Aufklärung des Sachverhalts eingestellt und der Arbeitnehmer verlangte - mit Erfolg - die dadurch entstandenen Anwaltskosten von seinem Arbeitgeber erstattet.
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BAG: Urlaub - Ausschluss von Doppelansprüchen
Laut Pressemitteilung Nr. 66/14 hat sich das BAG in seinem Urteil vom 16.12.2014 (9 AZR 295/13) mit dem Urlaubsansprüchen bei Arbeitgeberwechsel im laufenden Jahr befasst. Das BAG hat auf § 6 Abs. 1 BUrlG verwiesen, wonach der Anspruch auf Urlaub nicht besteht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Wechsele ein Arbeitnehmer im Kalenderjahr in ein neues Arbeitsverhältnis und beantrage er Urlaub, müsse er deshalb mitteilen, dass sein früherer Arbeitgeber seinen Urlaubsanspruch für das laufende Kalenderjahr noch nicht (vollständig oder teilweise) erfüllt habe. Der Arbeitnehmer könne diese Voraussetzung für seinen Urlaubsanspruch im neuen Arbeitsverhältnis grundsätzlich durch die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung seines früheren Arbeitgebers nachweisen. Dieser sei nach § 6 Abs. 2 BUrlG verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen.
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BAG: (Keine) Verwirkung eines Schmerzensgeldanspruchs bei Mobbing
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 65/14 mit Urteil vom 11. Dezember 2014 - 8 AZR 838/13 - festgestellt, dass der Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) zwar verwirken kann, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht.
In dem vom BAG entschiedenen Fall machte der Kläger gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens 10.000 Euro geltend. Er stützte sich dabei auf Vorfälle in den Jahren 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane wertete. Der letzte Vorgang sollte am 8. Februar 2008 stattgefunden haben. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depression. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein. Nachdem das LAG einen möglichen Schmerzensgeldanspruch allein wegen Verwirkung abgelehnt hatte, hatte der Kläger vor dem BAG Erfolg. Das BAG hat festgestellt, dass eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen sei, hier ausscheide. Ein bloßes Zuwarten sei nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründe nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung bestehe.
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BVerwG: Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nach werktäglichem Ladenschluss um 24.00 Uhr unzulässig
Laut Pressemitteilung Nr. 82/2014 hat das BVerwG mit Beschluss vom 04. Dezember 2014 festgestellt, dass dass es gegen Verfassungsrecht verstößt, wenn Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, um nach Ladenschluss am vorausgegangenen Werktag um 24.00 Uhr noch anwesende Kunden zu bedienen oder Abwicklungsarbeiten vorzunehmen.
Der Klägerin, einer Supermarkt-Handelskette, war vom beklagten Bundesland aufgegeben worden, die Öffnungszeiten an Samstagen und vor Wochenfeiertagen so zu gestalten, dass nach 24.00 Uhr keine Arbeitnehmer zur Bedienung von Kunden oder zur Erledigung von Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden müssen. Die Klägerin hat daraufhin die gerichtliche Feststellung begehrt, hierzu nicht verpflichtet zu sein. Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hat nunmehr auch das BVerwG bestätigt, dass das Ladenöffnungsgesetz nach den Vorgaben des Grundgesetzes einschränkend so auszulegen sei, dass die fehlende Begrenzung der Ladenöffnung an Werktagen den Arbeitgebern nicht das Recht gebe, an den darauf folgenden Sonn- oder Feiertagen nach 0.00 Uhr Arbeitnehmer zur Bedienung noch anwesender Kunden oder zur Vornahme von Abschlussarbeiten zu beschäftigen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV gesetzlich so auszugestalten, dass an diesen Tagen grundsätzlich die Verrichtung abhängiger Arbeit ruhe. Es müsse als Regel gelten, dass die Sonn- und Feiertage Tage der Arbeitsruhe seien. Ausnahmen seien nur zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich. Dazu würden nicht das Umsatzinteresse der Ladeninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer zählen.
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EuGH: Vertretungsbefristungen sind nicht unbegrenzt zulässig
Laut Pressemitteilung EuGH PM Nr. 161/14 vom 26.11.2014 hat der EuGH u.a. festgestellt, dass die Befristung von Arbeitsverträgen im - italienischen - Schulbereich zur vorübergehenden Vertretung erkrankter Arbeitnehmern zwar grundsätzlich zulässig sei; solche Befristungen aber nicht eingesetzt werden dürften, um ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf zu decken. Aus diesen Gründen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge einer Regelung entgegenstehe, die bis zum Abschluss von Auswahlverfahren zur Einstellung von planmäßigem Personal der staatlichen Schulen die Verlängerung befristeter Verträge zur Besetzung freier und verfügbarer Planstellen für Lehrkräfte sowie Verwaltungs-, technisches und Hilfspersonal zulasse, ohne einen genauen Zeitplan für den Abschluss dieser Auswahlverfahren anzugeben und unter Ausschluss jeder Ersatzmöglichkeit für den durch eine solche Verlängerung entstandenen Schaden. Dieser Regelung lasse sich nämlich keine objektiven und transparenten Kriterien für die Prüfung entnehmen, ob die Verlängerung tatsächlich einem echten Bedarf entspreche und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sei. Sie enthalte auch keine andere Maßnahme zur Vermeidung und Ahndung eines missbräuchlichen Rückgriffs auf derartige Verträge. Auch wenn es sich dabei um eine Enscheidung zum italienischen Arbeitsrecht handelt, bestätigt auch diese die grundsätzlich einschränkende Bewertung nach europäischen Recht gegenüber Befristungen.
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BVerwG und Sonntagsarbeit
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich laut Pressemitteilung Nr. 69/2014 in einer Entscheidung vom 26.11.2014 (6 CN 1.12) mit Ausnahmen für das Sonntagsarbeitsverbot befasst.
Nach dem Arbeitszeitgesetz dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Das Arbeitszeitgesetz sieht hiervon zahlreiche Ausnahmen vor und ermächtigt u. a. die Landesregierungen, weitere Ausnahmen zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zuzulassen, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. In der Sache hat das BVerwG dies für verschiedene Bereiche verneint, zB für Videotheken und öffentliche Bibliotheken und in Lotto- und Totogesellschaften zur elektronischen Geschäftsabwicklung. Soweit die Verordnung eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in Callcentern zulasse, sei dies mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht vereinbar, weil sie eine solche Beschäftigung in allen gegenwärtig und künftig vorhandenen Callcentern zulasse, gleichgültig für Unternehmen welcher Branche oder für welchen Tätigkeitsbereich das Callcenter tätig werde. Dass der Betrieb von Callcentern in diesem Umfang erforderlich sei, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, lasse sich nicht feststellen.
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BAG: Leistungsbeurteilung im Zeugnis; Darlegungs- und Beweislast für bessere Note als "Befriedigend"
Laut Pressemitteilung Nr. 61/14 hat sich das BAG in einem Urteil vom 18.11.2014 (Az.: 9 AZR 584/13) entgegen den Vorinstanzen auf den - altbekannten - Standpunkt gestellt, dass der Arbeitnehmer, der eine bessere Beurteilung als „zur vollen Zufriedenheit“ erhalten möchte, im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss. Dies gelte nach Ansicht des BAG grundsätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden würden.
Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis erteilt. Die Parteien stritten noch darüber, ob die Leistungen der Klägerin mit „zur vollen Zufriedenheit“ oder mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu bewerten sind. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und angenommen, die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die von der Klägerin beanspruchte Beurteilung nicht zutreffend sei.
Diese Entscheidungen wurden vom BAG kassiert und damit realistische Hoffnungen beendet, dass es zukünftig für einen Arbeitnehmer einfacher würde, "gute" Zeugnisse erstreiten zu können. -
LAG Düsseldorf: Verfügungen über Konto der Mutter mit Generalvollmacht - Abmahnung ausreichend
Laut Pressemitteilung Nr. 46/14 vom 4.11.2014 hatte sich das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 04.11.2014 (Az.: 17 Sa 637/14) mit einer besonderen Konstellation und der Frage einer Abmahnung zu befassen. Die Klägerin war bei dem beklagten Geldinstitut beschäftigt und Vorgesetzte von mehreren Teams. Sie verfügte über eine Generalvollmacht über das bei der Beklagten geführte Sparbuch ihrer Mutter und hat wiederholt online Beträge u.a. auf ihr eigenes Konto überwiesen. Die Zahlungsvorgänge wurden wie vorgesehen im Rahmen des Vier-Augen-Prinzips jeweils durch einen weiteren Mitarbeiter freigegeben. Die internen Geschäftsanweisungen des Geldinstituts sahen indes u.a. vor, dass die Mitarbeiter in eigenen Angelegenheiten weder entscheidend noch beratend mitwirken dürfen, wenn die Entscheidung ihnen selbst, ihrem Ehegatten oder einem Verwandten bis zum Dritten Grad einen unmittelbaren Vorteil bringen kann.
Ebenso wie das ArbG hat das LAG festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die daraufhin von der Beklagten – fristlos und hilfsweise fristgerecht – ausgesprochenen Kündigungen nicht aufgelöst worden ist. Unstreitig hatte die Klägerin im Verhältnis zu ihrer Mutter die Verfügungen berechtigt vorgenommen. Gleichwohl läge in ihrem Verhalten eine erhebliche Pflichtverletzung, weil sie aufgrund der Anweisungen des Geldinstituts nicht berechtigt wäre, als Mitarbeiterin Buchungen zu ihren Gunsten vorzunehmen. Dadurch solle bereits der Anschein einer Interessenkollision vermieden werden. Die Pflichtverletzung wäre aber nicht so schwerwiegend, dass auf sie nicht noch durch eine Abmahnung hätte ausreichend reagiert werden können. Maßgeblich sei im Kündigungsrecht das Prognoseprinzip. Nach dem festgestellten Sachverhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sei nicht davon auszugehen, dass eine Abmahnung von vornherein erfolglos gewesen wäre und nicht zu einer Verhaltensänderung der Klägerin geführt hätte.
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BAG: Betriebsrentenanpassung - Wahrung der Rügefrist nach § 16 BetrAVG
Laut Pressemitteilung Nr. 58/14 hat sich das BAG mit Urteil vom 21.10.2014 (3 AZR 690/12) mit der Frage befasst, ob und vor allem bis wann eine Klage auf eine höhere Betriebsrente die Rüge einer unzutreffenden Anpassungsentscheidung "ersetzen" kann.
Nach § 16 Abs. I BetrAVG haben Arbeitgeber alle drei Jahre die Anpassung der Höhe der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Hält der Arbeitnehmer die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig, muss er dies vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Eine Klage, die zwar innerhalb dieser Frist bei Gericht eingeht, dem Arbeitgeber aber erst danach zugestellt wird, wahrt nach Ansicht des BAG die Frist nicht. § 16 BetrAVG erfordere einen tatsächlichen Zugang der Rüge beim Arbeitgeber innerhalb der Rügefrist. Der Arbeitgeber müsse, um seine wirtschaftliche Lage zuverlässig beurteilen zu können, bereits am jeweils aktuellen Anpassungsstichtag wissen, ob und in wie vielen Fällen eine vorangegangene Anpassungsentscheidung gerügt wurde.
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BAG: Dienstkleidungsvorschriften für Piloten und Islamisches Kopftuch und Annahmeverzug
Der 5. und der 1. Senat des BAG haben sich in zwei Entscheidungen vom 24.09. (5 AZR 611) und 30.09.2014 (1 AZR 1083/12) in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen mit Fragen der "Dienstkleidung" befasst.
Laut Pressemitteilung Nr. 48/14 hat der 5. Senat dabei festgestellt, dass das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar sei.
Laut Pressemitteilung Nr. 50/14 hat der 1. Senat festgestellt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung das Tragen einer einheitlichen Dienstkleidung regeln könnten. Werde die Dienstkleidung für Arbeitnehmergruppen unterschiedlich ausgestaltet, verlange der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine solche Differenzierung entsprechend dem Regelungszweck sachlich gerechtfertigt sei. Im Ergebnis führte dies dazu, dass der männliche Kläger zukünftig, so wie seine weiblichen Kolleginnen auch, nicht eine „Cockpit-Mütze“ in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich tragen muss. Das BAG folgte nicht der Argumentation der Beklagten, wonach das klassische Pilotenbild und die Frisurgestaltung weiblicher Cockpitmitglieder eine Unterscheidung rechtfertigen würde.
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BAG: Keine Altersdiskriminierung durch die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB
Laut Pressemitteilung Nr. 44/14 hat das BAG mit Urteil vom 18.09.2014 (Az.: 6 AZR 636/13) entschieden, dass durch die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine Altersdiskrimierung erfolge.
Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats und verlängert sich gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bei längerer Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen. Diese Staffelung der Kündigungsfristen verletzt das Verbot der mittelbaren Altersdiskriminierung nach Ansicht des BAG nicht.
In dem Klageverfahren hatte die Klägerin die Auffassung vertreten, die Staffelung der Kündigungsfristen unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit begünstige ältere Arbeitnehmer, weil langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien. Jüngere Arbeitnehmer wie sie würden dagegen benachteiligt. Darin liege eine von der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) untersagte mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Dies habe zur Folge, dass die in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB vorgesehene längst mögliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats für alle Arbeitnehmer unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit gelten müsse. Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, war nunmehr auch die Revision der Klägerin vor dem BAG erfolglos. Nach Ansicht des BAG führe die Differenzierung der Kündigungsfrist nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zwar zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolge jedoch das rechtmäßige Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses Ziels sei die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i) RL 2000/78/EG. Darum liege keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vor.
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ArbG Berlin: Unterlassung von Äußerungen "Whistleblowing"; nicht ohne weiteres erzwingbar
Laut Pressemitteilung Nr. 35/14 vom 03.09.2014 hat das Arbeitsgericht Berlin einen Antrag eines Arbeitgebers zurückgewiesen, der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von einem bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer verlangt hat, Äußerungen über angebliche Missstände im Betrieb zu unterlassen (ArbG Berlin vom 2.9.2014, 31 Ga 11742/14).
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts waren diese Äußerungen (noch) vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Dabei war zuvor eine auf Äußerungen über "Misstände" gestützte Kündigung zumindest in der ersten Instanz für wirksam erklärt worden. Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts (in dem Kündigungsschutzverfahren des Arbeitnehmers und in dem Unterlassungsverfahren des Arbeitsgebers) sind noch nicht rechtskräftig.
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BAG: Mitarbeiter müssen aus Asche entnommenes Zahngold an den Arbeitgeber herausgeben
Laut Pressemitteilung Nr. 42/14 hatte sich das BAG in seinem Urteil vom 21.08.2014 (Az.: 8 AZR 655/13) mit dem makakbren Thema "Wegnahme von Zahngold durch Krematoriumsmitarbeiter - Schadensersatz" zu befassen.
Das BAG hat zu dem - in Hamburg spielenden Fall - entschieden, dass der Arbeitgeber die Herausgabe, oder, wenn diese wegen Verkaufs unmöglich ist, Schadensersatz verlangen kann, wenn die Mitarbeiter eines Krematoriums Zahngold aus der Krematoriumsasche nehmen. Dies ergebe sich in entsprechender Anwendung des Auftragsrechts aus § 667 BGB auch für Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer war in dem Krematorium beschäftigt und zwar an der Einäscherungsanlage. Im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen schweren Bandendiebstahls, Störung der Totenruhe und Verwahrungsbruch zeigten Videoaufnahmen, dass Beschäftigte die Asche der Verstorbenen gezielt nach Gegenständen durchsuchten. Bei Hausdurchsuchungen wurden Zahngold aus Kremierungsrückständen und erhebliche Geldbeträge gefunden, sowie Unterlagen über Verkäufe von Edelmetall. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Eine hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Im vorliegenden Verfahren verlangte der Arbeitgeber im Wege des Schadensersatzes den Erlös für den Zeitraum von 2003 bis 2009. Das LAG hatte dieser Klage in Höhe von 255.610,41 Euro stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten hat der Achte Senat des BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, aber nur, da derzeit nicht entschieden werden könne, an wem der Arbeitnehmer den Schaden zu zahlen habe.
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BAG: Bezahlte Freistellung zur Plege erkrankter Kinder im öffentlichen Dienst
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 40/14 mit Urteil vom 05.08.2014 (Az.: 9 AZR 878/12) anderslautende Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und festgestellt, dass ein im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht gesetzlich krankenversicherter Beschäftigter nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb iVm. Satz 2 TVöD Anspruch darauf hat, bis zu vier Arbeitstage unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freigestellt zu werden, wenn ein Kind unter zwölf Jahren schwer erkrankt, eine andere Person zur Pflege oder Betreuung nicht sofort zur Verfügung steht und die Notwendigkeit der Anwesenheit des Beschäftigten zur vorläufigen Pflege ärztlich bescheinigt wird.
Erkranke ein anderes Kind des Beschäftigten schwer und seien die übrigen tariflichen Voraussetzungen erfüllt, stehe dem Beschäftigten eine weitere bezahlte Freistellung von der Arbeit zu, wenn die in § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD festgesetzte Freistellungsobergrenze von insgesamt fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr nicht überschritten werde.
Zugrunde lag dieser Entscheidung folgender Sachverhalt. Der Arbeitgeber stellte die Arbeitnehmerin im April eines Jahres an vier Arbeitstagen wegen einer Erkrankung ihres Sohnes, der das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hatte, unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit frei. Im Mai des selben Jahres beantragte die Klägerin aufgrund einer Erkrankung ihrer Tochter, die ebenfalls das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hatte, einen weiteren Tag bezahlte Freistellung. Die Beklagte stellte die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeit frei, lehnte die Fortzahlung des Entgelts jedoch ab und verminderte die Vergütung der Klägerin entsprechend.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen und darauf abgestellt, dass die Beklagte den tariflichen Freistellungsanspruch der Klägerin wegen schwerer Erkrankung eines Kindes bereits im April erfüllt habe.Demgegenüber geht das BAG davon aus, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb TVöD den Anspruch auf bezahlte Freistellung für jedes schwer erkrankte Kind unter zwölf Jahren auf höchstens vier Arbeitstage im Kalenderjahr begrenze. Bei schwerer Erkrankung eines anderen Kindes unter zwölf Jahren sei ausschließlich die in § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD festgesetzte Freistellungsobergrenze von insgesamt fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr maßgebend.
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BAG: Stufenlaufzeit beginnt auch bei vorheriger vorübergehender Übertragung der höherwertigen Tätigkeit erst mit dem Tag der Höhergruppierung
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 34/14 in seinem Urteil vom 03.07.2014 (Az.: 6 AZR 1067/12) mit der Frage befasst, wie die Stufenzuordnung nach dem TVöD bei einer Höhergruppierung im Anschluss an eine vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit zu erfolgen hat. Das BAG hat dazu festgestellt, dass nach § 17 Abs. IV S. 4 TVöD-AT bei einer Höhergruppierung die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe erst mit dem Tag der Höhergruppierung beginne.
Die vorher zurückgelegten Zeiten würden auf diese Stufenlaufzeit auch dann nicht angerechnet, wenn vor der Höhergruppierung dieselbe Tätigkeit vorübergehend verrichtet und deshalb mit einer persönlichen Zulage gemäß § 14 TVöD-AT vergütet worden sei. Die Zulage finde auch keine Berücksichtigung bei der Stufenzuordnung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-AT, da diese ausdrücklich nur an das bisherige Tabellenentgelt iSd. § 15 TVöD-AT und nicht an die bisherige Gesamtvergütung anknüpfe.
Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, war nunmehr auch die Revision des Klägers vor dem BAG ohne Erfolg.
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BAG: Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag mit Betriebsratsmitglied - Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 28/14 in einem Urteil vom 25.06.2014 (Az.: 7 AZR 847/12) festgestellt, dass auch die Arbeitsverträge von Betriebsratsmitgliedern nach § 14 Abs. II TzBfG grundsätzlich wirksam ohne Sachgrund befristet werden können.
Die Weigerung des Arbeitgebers, nach Ablauf der Befristung mit dem Betriebsratsmitglied einen Anschlussvertrag abzuschließen, stelle aber eine unzulässige Benachteiligung dar, wenn sie wegen der Betriebsratstätigkeit erfolge. Dann habe das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags.
Wie der Siebte Senat des BAG bereits in einem älteren Urteil vom 5.12.2012 (Az.: 7 AZR 698/11) entschieden hatte, stehe das Betriebsratsamt der Anwendung des TzBfG grundsätzlich nicht entgegen. Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen aber Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Eine hiernach verbotene Benachteiligung liege vor, wenn dem Betriebsratsmitglied im Anschluss an die Befristung wegen seiner Betriebsratstätigkeit der Abschluss eines Folgevertrags verweigert werde. Das Betriebsratsmitglied habe dann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Abschluss eines entsprechenden Vertrags.
Das BAG hat in dem Urteil vom 25.06.2014 dennoch die konkrete Befristungskontrollklage sowie die hilfsweise auf Abschluss eines Folgevertrags gerichtete Klage eines Betriebsratsmitglieds abgewiesen, da die vom LAG vorgenommene Gesamtwürdigung, die Klägerin sei nicht wegen ihrer Betriebsratstätigkeit benachteiligt worden, nicht zu beanstanden gewesen sei.
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BAG: Unterschiedliche Behandlung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten kann zulässig sein
Laut Pressemitteilung Nr. 27/14 hat das BAG in einem Urteil vom 17.06.2014 (Az.: 3 AZR 757/12) festgestellt, dass die unterschiedliche Behandlung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten bei der Berechnung der Betriebsrente im Rahmen einer Gesamtversorgung zulässig sein kann, wenn die Vergütungsstrukturen, die sich auf die Berechnungsgrundlagen der betrieblichen Altersversorgung auswirken, unterschiedlich sind.
Der Kläger war bereits seit den 80er Jahren als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Es gab bei der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung, die für vor dem 1. Januar 2000 eingetretene Mitarbeiter eine Gesamtversorgung vorsah. Neben einer prozentualen Brutto- und Nettogesamtversorgungsobergrenze besagte die Versorgungsregelung, dass die Betriebsrente den Betrag nicht überschreiten darf, der sich aus der Multiplikation der ruhegeldfähigen Beschäftigungsjahre mit einem Grundbetrag ergab. Die Grundbeträge für Angestellte waren dabei höher als die Grundbeträge für gewerbliche Arbeitnehmer derselben Vergütungsgruppe.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage, mit der der Kläger die Berücksichtigung des für Angestellte seiner Vergütungsgruppe vorgesehenen Grundbetrags bei der Berechnung seiner Betriebsrente verlangte, noch stattgegeben. Das LAG demgegenüber die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem BAG erfolglos. Das BAG war der Ansicht, dass die unterschiedliche Behandlung von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten in Bezug auf die Grundbeträge nicht zu beanstanden sei. Gewerbliche Arbeitnehmer der Beklagten erhielten Zulagen und Zuschläge, die Angestellten derselben Vergütungsgruppe nicht oder in wesentlich geringerem Umfang zustanden. Gewerbliche Arbeitnehmer erreichten daher ein höheres pensionsfähiges Gehalt und erwarben Anspruch auf eine höhere gesetzliche Rente als Angestellte derselben Vergütungsgruppe. Es sei deshalb im Hinblick auf die zugesagte Gesamtversorgung zulässig, für gewerbliche Arbeitnehmer geringere Grundbeträge festzulegen als für Angestellte derselben Vergütungsgruppe. -
EuGH: Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub geht mit seinem Tod nicht unter
Laut Pressemitteilung Nummer 83/14 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 12.06.2014 (Az.: C-118/13) festgestellt, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nicht mit seinem Tod untergeht.
In dem von dem Landesarbeitsgericht Hamm vorgelegten Fall ging es darum, dass ein Arbeitnehmer von 2009 bis zu seinem Tod im November 2010 aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig war. Es hatten sich bis zu seinem Tode 140,5 Urlaubstage angesammelt. Die Witwe des Arbeitnehmers begehrte vom Arbeitgeber die Abgeltung des von ihrem Ehemann wegen dessen Erkrankung nicht genommenen Jahresurlaubs. Der Arbeitgeber wies die Forderung mit der Begründung zurück, dass der Abgeltungsanspruch nicht vererbbar sei.
Nachdem der EuGH bereits vor einiger Zeit entschieden hatte, dass das Unionsrecht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen stehen würde, nach denen bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wegen Erkrankung nicht genommener Jahresurlaub verfallen würde, stellt der EuGH nunmehr in der vorgenannten Entscheidung weiter fest, dass dies auch für den Fall des Todes des Arbeitnehmers gilt. Zur Begründung weist der EuGH darauf hin, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechtes sei und dass die Ansprüche auf Jahresurlaub oder Bezahlung während des Urlaubs zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs darstellen würden.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie diese Entscheidung von den deutschen Arbeitsgerichten umgesetzt werden wird, insbesondere, ob - auch hier - zwischen den gesetzlichen Mindesturlaubsansprüchen und weitergehenden Urlaubsansprüchen differenziert werden wird.
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BAG: Klage wahrt für Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem AGG erforderliche Schriftform
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 25/14 in einem Urteil vom 22.05.2014 (Az.: 8 AZR 662/13) festgestellt, dass die nach § 15 Abs. IV S. 1 AGG erforderliche Schriftform zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen auch durch eine Klage gewahrt werden kann. Dabei finde § 167 ZPO Anwendung, d.h. es genüge der rechtzeitige Eingang der Klage bei Gericht, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wird.
Mit dieser Entscheidung hat das BAG eine gegenteilige Auffassung aufgegeben.
In dem entschiedenen Fall war die Klägerin schwerbehindert und bewarb sich nach ihrer Ausbildung um eine entsprechende Stelle bei der Beklagten, die ihr einen befristeten Arbeitsvertrag als Elternzeitvertretung in Aussicht stellte. Anlässlich einer Besichtigung des zukünftigen Arbeitsplatzes teilte die Klägerin ihre Behinderung mit. Die Beklagte zog daraufhin das Vertragsangebot zurück. Wegen der Behinderung sei die Klägerin nicht in der Lage, die Tätigkeit auszuüben. Die Klägerin erhob ohne gesonderte außergerichtliche Geltendmachung Klage auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. I und II AGG, die der Beklagten einen Tag nach Ablauf der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. IV S. 1 AGG zugestellt wurde. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte und die Klägerin danach Schadensersatz in Höhe von 90,40 Euro sowie eine Entschädigung in Höhe von 4.500,00 Euro erhalten sollte, hat das LAG die Klage wegen Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. IV S. 1 AGG abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.
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BAG: Erholungsbeihilfe (nur) für Gewerkschaftsmitglieder
Laut Pressemitteilung Nr. 24/14 hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 21.05.2014 (Az.: u.a. 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13) festgestellt, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht anzuwenden ist, wenn ein Arbeitgeber mit einer Gewerkschaft im Rahmen von Tarifverhandlungen vereinbart, für deren Mitglieder bestimmte Zusatzleistungen zu erbringen. Aufgrund der Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen finde eine Überprüfung anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht statt.
In den entschiedenen Fällen ging es um Mitarbeiter eines großen Automobilunternehmens, die nicht Gewerkschaftsmitglieder waren. Der Arbeitgeber hatte mit der Gewerkschaft für deren Mitglieder eine „Erholungsbeihilfe“ in Höhe von € 200,00 vereinbart. Anders als die Gewerkschaftsmitglieder erhielten die Klägerinnen und Kläger keine Erholungsbeihilfe. In ihren Zahlungsklagen haben sie sich – im Ergebnis ohne Erfolg – auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.
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BAG: Gesetzlicher Urlaubsanspruch trotz unbezahltem Sonderurlaub
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 22/14 in seinem Urteil vom 06.05.2014 (Az.: 9 AZR 678/12) entschieden, dass ein von den Arbeitsvertragsparteien vereinbarter - unbezahlter - Sonderurlaub dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs nicht entgegen steht.
In dem entschiedenen Fall hatte die Arbeitnehmerin vom 01.01.2011 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2011 unbezahlten Sonderurlaub erhalten. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass - deshalb - kein gesetzlicher Urlaubanspruch für das Jahr 2011 entstanden sei.
Demgegenüber stellt das BAG darauf ab, dass jeder Arbeitnehmer nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub habe und diese Vorschrift nach § 13 Abs. I S. 1 BUrlG unabdingbar sei. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordere nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG binde den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordne es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Zwar würden einzelne spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs vorsehen, z.B. bei Elternzeit (§ 17 Abs. I S. 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. I S. 1 ArbPlSchG). Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) finde sich dagegen nicht. Komme es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindere dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch sei der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.
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BAG: (keine) Betriebsrentenanpassung bei wirtschaftlicher Schieflage
Laut Pressemitteilung Nr. 18/14 hat das BAG mit Urteil vom 15.04.2014 (Az.: 3 AZR 51/12) entschieden, dass ein Arbeitgeber ermessensfehlerfrei handelt, wenn er annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Nach § 16 Abs. I BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind laut BAG insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber in den Jahren 2008 und 2009 - auch aufgrund der Finanzkrise - Verluste erwirtschaftet und war gezwungen, Mittel aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund sah das BAG die Prognose des Arbeitgebers als gerechtfertigt, dass sich die Folgen der Finanzkrise auch in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag 1. Januar 2010 in einem einer Betriebsrentenanpassung entgegenstehendem Umfang auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers auswirken würden.
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BAG: Anspruch einer Krankenschwester, aus gesundheitlichen Gründen nicht Nachts arbeiten zu müssen
Laut Pressemittteilung Nr. 16/14 hat das BAG mit Urteil vom 09.04.2014 (Az.: 10 AZR 637/13) festgestellt, dass eine Krankenschwester, die aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten kann, deshalb nicht arbeitsunfähig krank sei. Sie habe Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.
Die Krankenschwester war nach ihrem Arbeitsvertrag im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung auch von Nachtschichten verpflichtet. Das Pflegepersonal bei der Beklagten arbeitete im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Dazu war die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, da sie medikamentös behandelt wurde. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung wurde sie vom Arbeitgeber wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit für arbeitsunfähig krank gehalten und nach Hause geschickt. Die Krankenschwester bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von Nachtdiensten - ausdrücklich an, wurde allerdings nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld.
Das BAG hat nunmehr - wie die Vorinstanzen - entschieden, dass die auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung gerichtete Klage erfolgreich war. Die Klägerin sei weder arbeitsunfähig krank noch sei ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie könne alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen und die Beklagte hätte bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen müssen. -
ArbG Bochum: Monatelanges „Schnupperpraktikum“ muss bezahlt werden! (anders LAG Hamm)
Das ArbG Bochum hat sich in einem Urteil vom 25.03.2014 (Az.: 2 Ca 1482/13; Hinweise auf diese Entscheidungen u.a. bei Spiegel Online, LegalTribune Online und beck-community) mit der in der Praxis durchaus häufig vorkommenden „Unsitte“ befasst, Personen nur deshalb als sogenannte „Praktikanten“ zu beschäftigen, um deren Arbeitsleistungen nicht ordnungsgemäß bezahlen zu müssen.
Im konkreten Fall arbeitete eine junge Frau über mehrere Monate in einem großen Lebensmittelgeschäft, womöglich auch in der Hoffnung, dort eine Ausbildung beginnen zu können. Sie erhielt dafür – zunächst – keine Bezahlung. Diese hat sie sich dann jedoch mit Erfolg eingeklagt. Wichtig für den Erfolg der Klage war dabei auch, dass die Klägerin die Arbeitszeiten und die Tätigkeiten selbst genau erfasst hatte und dem Arbeitsgericht darlegen konnte. Da sie im Ergebnis wie eine Arbeitnehmerin gearbeitet hat, war sie auch entsprechend zu bezahlen. Weitere Hinweise zu der Unterscheidung „Arbeitnehmer <-> Praktikant“ finden Sie im Bereich „FAQ“.
Davon abweichend hat nunmehr das LAG Hamm (Urteil vom 17.10.2014 - 1 Sa 664/14) festgestellt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt zustehe. Das LAG scheint darauf abzustellen, dass die Klägerin zwar jedenfalls teilweise reguläre Arbeitstätigkeiten verrichtet habe, dies aber im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlich geprägten Praktikantenverhältnisses. Weiter war wohl nach Ansicht des LAG von entscheidender Bedeutung, dass die Klägerin als Teilnehmer einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Arbeitsagentur das Praktikum verrichtet und in dieser Zeit auch Leistungen der Arbeitsagentur erhalten habe.
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BAG: (unwirksame) Höchstaltersgrenze in einer Versorgungsordnung
Laut Pressemitteilung Nr. 13/14 hatte sich das BAG in einem Urteil vom 18.03.2013 (Az..: 3 AZR 69/12) erneut mit der Frage einer Altersdiskrimierung zu befassen. Konkret ging es um eine Höchstaltersgrenze in einer Versorgungsordnung. Das BAG hat festgestellt, dass eine Bestimmung in einer Versorgungsordnung, nach der ein Anspruch auf eine betriebliche Altersrente nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer bei Erfüllung der nach der Versorgungsordnung vorgesehenen zehnjährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr vollendet hat, unwirksam ist. Die Versorgungsordnung verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. In der Konsequenz war der beklagte Arbeitgeber verpflichtet, der Arbeitnehmerin eine betriebliche Altersrente zu zahlen, obwohl dem der Wortlaut der Versorgungsordnung entgegenstand. Danach durften die Arbeitnehmer bei Erfüllung der 10-jährigen Wartezeit das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Diese Bestimmung sei nach § 7 Abs. II AGG unwirksam, da sie zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters iSv. §§ 1, 3 Abs. I und § 7 AGG führe, da sie Mitarbeiter, die bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 45. Lebensjahr vollendet haben, von der betrieblichen Altersversorgung ausschließe. Weitere Hinweise zum Thema "Altersdiskriminierung" finden Sie in dem Bereich "FAQ".
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BAG: Kündigung durch Insolvenzverwalter während Elternzeit
Laut Pressemitteilung Nr. 9/14 hat sich das BAG in einem Urteil vom 27.02.2014 (Az.: 6 AZR 301/12) mit der Kündigungsmöglichkeit des Insolvenzverwalters befasst. Danach könne der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit den Arbeitnehmern unter Beachtung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen kündigen. § 113 Satz 2 InsO sieht dafür eine Kündigungsfrist von höchstens drei Monaten vor, die allen längeren vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen vorgehe. Als Ausgleich für die insolvenzbedingte vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewähre § 113 Satz 3 InsO einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch, der eine in sich geschlossene Regelung darstelle. Dem Arbeitnehmer werde kein Anspruch darauf gewährt, dass der Insolvenzverwalter von der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO keinen oder nur eingeschränkten Gebrauch mache, auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sozialversicherungsrechtliche Nachteile nach sich ziehe. Es gelte dann allein der Schadenersatzanspruch nach § 113 Satz 3 InsO. Im entschiedenen Fall führte die Beendigung der Arbeitnehmerin dazu, dass sie die Möglichkeit verlor, sich weiter beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern, was dem Insolvenzverwalter bekannt war. Das BAG ist der Ansicht, dass der Insolvenzverwalter den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an den sich aus § 192 SGB V ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen auszurichten habe.
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LAG Berlin-Brandenburg: Unzutreffende und ehrenrührige Vorwürfe können ordentliche Kündigung rechtfertigen
Das LAG Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 04.02.2014 (Az.: 19 Sa 322/13) festgestellt, dass eine Kündigung wegen ehrenrühriger Behauptungen über Vorgesetzte und Kollegen rechtens sein kann.
Es ging im konkreten Fall um schwere Vorwürfe gegen Kollegen, u.a. die Behauptung von Alkoholexzessen und sexuellen Handlungen während der Arbeit. Da diese Vorwürfe unzutreffend waren, habe die Klägerin ihre Kollegen zu Unrecht beschuldigt und hierdurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt. Der Beklagten sei es insgesamt nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
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BAG: Im Einzelfall zu verneinender Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Arbeitgebers bei Lohnzahlungen an Arbeitnehmer trotz Zahlungsunfähigkeit
Laut Pressemittteilung Nr. 6/14 hatte sich das BAG in einem Urteil vom 29.01.2014 (6 AZR 345/12) mit der Frage zu befassen, ob ein Insolvenzverwalter mit Erfolg die Zahlungen des zahlungsunfähigen Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer anfechten konnte.
Hintergrund der Entscheidung war, dass nach § 133 InsO in den letzten 10 Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgte Entgeltzahlungen angefochten werden können. Dies aber nur dann, wenn der Arbeitgeber mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hat und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Zahlung diesen Vorsatz kannte. Ob der Arbeitgeber mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat und der Arbeitnehmer davon Kenntnis hatte, könne nur aus Indizien hergeleitet werden. Ein Indiz von besonderer Bedeutung sei dabei die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Allerdings seien die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nicht stets schon dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig war und der Arbeitnehmer dies wusste. Vielmehr müsse auch dieses Indiz einzelfallbezogen auf seine Beweiskraft hin geprüft werden. Im konkreten Fall führte dies dazu, dass eine Zahlung an eine Buchhalterin nicht anfechtbar war, da die subjektiven Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zu verneinen war.
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LAG Schleswig-Holstein: Verbot auch befristeter Leiharbeit bei dauerndem Beschäftigungsbedarf
Das LAG Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 08.01.2014 (Az.: 3 TaBV 43/13) festgestellt, dass das AÜG auch die nur befristete Beschäftigung von Leiharbeitnehmern verbietet, wenn sie einen dauerhaft anfallenden Bedarf abdecken sollen.
In dem zu entscheidenden Fall ging es um die betriebsverfassungsrechtliche Frage, ob der Betriebsrat (BR) einer erneut befristeten Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers für weitere zwei Jahre zustimmen musste.
Der BR hat die Zustimmung mit der Begründung verweigert, dass das deutsche und europäische Arbeitsrecht nur noch die vorübergehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zeitlich begrenztem Vertretungsbedarf erlaube.
Das LAG hat dem Betriebsrat Recht gegeben und zur Begründung darauf hingewiesen, dass ein Leiharbeitnehmer bei objektiv dauerhaft anfallender Arbeit nur zu deren aushilfsweiser Wahrnehmung herangezogen werden dürfe. Ansonsten könne nicht mehr von einer „vorübergehenden“ Beschäftigung i.S.d. AÜG gesprochen werden. Die gelte auch, wenn der Leiharbeitnehmer beim Entleiher Daueraufgaben erfülle, ohne einen Stammarbeitnehmer abgelöst zu haben.
Das LAG hat Rechtsmittel zum BAG zugelassen, so dass dessen Entscheidung abzuwarten ist. Ich werde zur gegebener Zeit darüber berichten. Weitere Informationen zum Thema Leiharbeit finden Sie bei den FAQ.
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BAG: Wartezeitkündigung wegen Behinderung (unwirksam)
Das BAG hat sich laut Pressemitteilung Nr. 78/13 mit Urteil vom 19.12.2013 (6 AZR 190/12) erneut mit der Frage befasst, wann während der Wartezeit (d.h. außerhalb des KSchG) eine Kündigung unwirksam sein kann. Im entschiedenen Fall ging es um eine sog. Wartezeitkündigung wegen symptomloser HIV-Infektion. Das BAG hat dazu festgestellt, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierungen ua. wegen einer Behinderung untersagt. Eine Behinderung liege dabei vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch - in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) - seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, beeinträchtigt sein könne. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, sei die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen könne. Die Kündigung benachteilige den Kläger unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung stehe.
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BAG: Nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung führt nicht (automatisch) zum Arbeitsverhältnis mit Entleiher
Das BAG hat sich mit Urteil vom 10.12.2013 (Aktenzeichen 9 AZR 51/13) mit einer umstrittenen Frage zum Thema „Leiharbeit“ befasst. Es ging um die Frage, ob allein aufgrund einer bestimmten Dauer der Entleihe zwischen dem überlassenen Leiharbeitnehmer und dem Entleiher ein Arbeitsverhältnis zu Stande kommt. Dies war von einigen Arbeitsgerichten für den Fall angenommen worden, dass die Überlassung „nicht nur vorübergehend“ erfolgte. Demgegenüber stellt das BAG in der oben genannten Entscheidung darauf ab, ob der Arbeitgeber eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Sofern dies der Fall ist, komme selbst dann kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zu Stande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes gebe es für eine entsprechende „Sanktion“ - bisher - keine rechtliche Grundlage.
Weitere Informationen zum Thema „Leiharbeit“ finden Sie im Bereich FAQ.
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FG Rheinland Pfalz: GmbH-Geschäftsführer haftet für nicht abgeführte Lohnsteuer
Das FG Rheinland-Pfalz hat sich in seinem Urteil vom 10.12.2013 (Az.: 3 K 1632/12) mit einer klassichen Haftungssituation befasst.
Folgender - durchaus typischer - Sachverhalt lag zugrunde. Der Kläger war zusammen mit einer weiteren Person Geschäftsführer einer GmbH. Nachdem in einem Jahr für die Beschäftigten für mehrere Monate keine Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden waren, hatte das Finanzamt nach erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen gegen die GmbH sowohl den Kläger als auch den Mitgeschäftsführer per Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Der Kläger machte geltend, dass nach einer internen Zuständigkeitsvereinbarung nur der Mitgeschäftsführer für die Erledigung steuerlicher Aufgaben und somit für die Abführung der Lohnsteuer zuständig gewesen sei. Er – der Kläger – sei auch seiner Überwachungspflicht nachgekommen, indem er sich in regelmäßigen Abständen darüber informiert habe, dass die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllt würden.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei Geschäftsführer und hafte daher als gesetzlicher Vertreter. Er könne sich auch nicht auf die geltend gemachte interne Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem Mitgeschäftsführer berufen. Grundsätzlich gelte das Prinzip der Gesamtverantwortung eines jeden gesetzlichen Vertreters. Dieses Prinzip verlange zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im Ganzen. Durch eine entsprechende Geschäftsverteilung könne zwar die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers begrenzt werden. Dies erfordere allerdings eine im Vorhinein getroffene, eindeutige - und deshalb schriftliche - Klarstellung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig sei.
Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass im Haftungsfall jeder Geschäftsführer auf die Verantwortlichkeit eines anderen verweise. Aber selbst bei Vorliegen einer klaren, eindeutigen und schriftlichen Aufgabenverteilung müsse der nicht mit den steuerlichen Angelegenheiten einer Gesellschaft betraute Geschäftsführer einschreiten, wenn die Person des Mitgeschäftsführers oder die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft dies erfordern, beispielsweise in finanziellen Krisensituationen. Zudem müsse er dafür sorgen, dass er im Fall des Eintritts einer solchen Krise rechtzeitig davon erfahre. Im Streitfall fehlte es bereits an einer schriftlichen Aufgabenverteilung zwischen dem Kläger und dem weiteren Geschäftsführer. Schon aus diesem Grund sei die geltend gemachte Geschäftsverteilung haftungsrechtlich ohne Bedeutung.
Ungeachtet dessen habe der Kläger eine gesteigerte Überwachungspflicht gehabt, weil er gewusst habe, dass sich die Gesellschaft in einer finanziellen Schieflage befunden habe. In Anbetracht dieser Situation wäre selbst im Fall einer schriftlichen Aufgabenverteilung die Gesamtverantwortung des Klägers wieder aufgelebt. Der Kläger könne sich auch nicht damit entschuldigen, dass eine Steuerberaterin eingebunden gewesen sei und dass er sich in regelmäßigen Abständen darüber informiert habe, dass die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllt werden. Sein schuldhaftes Verhalten liege darin, dass er nicht darauf hingewirkt habe, dass die Löhne nur gekürzt ausgezahlt worden seien. Dann hätte nämlich die - auf die gekürzten Löhne entfallende - Lohnsteuer aus dem verbleibenden Geld ordnungsgemäß einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden können.
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ArbG Köln: Mindestgröße für Pilotinnen ist diskriminierend (aber dennoch kein Schadensersatz)
Das ArbG Köln hat sich in seinem Urteil vom 28.11.2013 (15 Ca 3879/13) mit einem Sonderfall der "Diskrimierung" befasst. Es ging um die Klage einer abgelehnten Bewerberin als Pilotin bei einer Fluggesellschaft. Die von dem Arbeitgeber vorausgesetzte Mindestgröße von 1,65 Meter sei diskriminierend. Die Entschädigungsklage der Frau wurde dennoch abgewiesen, da die Mindestgröße tarifrechtlich geregelt sei. Der Arbeitgeber habe daher nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. So ging die Klage auf 135.000 EUR für die entgangenen beruflichen Chancen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz trotz einer Diskrimierung ins Leere. Mit einer anderen Begründung, aber im Ergebnis ebenfalls hat auch das LAG Köln in seinem Urteil vom 25.06.2014 (Az.: 5 Sa 75/14) die geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Es wurde jedoch die Revision zugelassen, so dass an dieser Stelle zur gegebener Zeit weiter berichtet werden wird.
Im Einzelfall ist daher genau zu prüfen, ob eine Klage Erfolg haben kann. Weitere Informationen z.B. zum Thema "Altersdiskriminierung" finden Sie im Bereich "FAQ".
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BAG: Korrekte Unterrichtung bei Betriebsübergang
Das BAG hat mit Urteil vom 14.11.2013 (Az.: 8 AZR 824/12) noch einmal betont, dass durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für den Arbeitnehmer geschaffen werden solle. Sofern hinsichtlich des Betriebserwerbers auf das Handelsregister verwiesen werde, müssten die Firma des Betriebserwerbers, das zuständige Handelsregister und die den Betriebserwerber betreffende Nummer des Handelsregisters fehlerfrei angegeben werden. Über das Vorliegen einer Neugründung sei zu informieren, da dies Auswirkungen auf die Sozialplanpflichtigkeit habe.
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BAG: Stichtagsregelungen für Sonderzahlungen mit Mischcharakter (unwirksam)
Das BAG hat laut Pressemitteilung 69/13 in einem Urteil vom 13.11.2013 (Az.: 10 AZR 848/12) festgestellt, dass eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden kann.
Weitere allgemeine Informationen zum Thema "Weihnachtsgeld und Stichtagsregelung" finden Sie hier.
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BAG: Altersgrenze im Leistungsplan einer Unterstützungskasse (zulässig)
Laut Pressemitteilung Nr. 68/13 hatte sich das BAG in seinem Urteil vom 12.11.2013 mit der eher seltenen Frage zu befassen, ob eine Höchstaltersgrenze in einem Leistungsplan einer Unterstützungskasse wirksam ist. Das BAG hat dies für die konkrete Regelung, wonach ein Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung nicht mehr erworben werden konnte, wenn der Arbeitnehmer bei Eintritt in das Arbeitsverhältnis das 50. Lebensjahr vollendet hatte, bejaht.
Nach Ansicht des BAG verstößt diese Grenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und bewirkt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Weitere Informationen zum Thema "Altersdiskriminierung" finden Sie hier.
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BAG: Namensliste kann Auswahlrichtlinie vorgehen
Laut dessen Pressemitteilung Nr. 65/13 hatte sich das BAG im Urteil vom 24.10.2013 (6 AZR 854/11) mit der Frage zu befassen, welche Folgen die Änderung einer Auswahlrichtlinie durch einen Interessenausgleich mit Namensliste durch den Arbeitgeber und Betriebsrat haben können.
Im entschiedenen Fall hatte sich der gegen seine Kündigung klagende Arbeitnehmer auf den Standpunkt gestellt, dass seine Kündigung – trotz der Nennung in der Namensliste – unwirksam sei, da die soziale Auswahl grob fehlerhaft sei. Der Kläger wies nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr auf als ein anderer Arbeitnehmer. Die Namensliste nannte dennoch den Kläger als zu Kündigenden.
Das BAG hat – anders als die Vorinstanzen – dem Kläger kein Recht gegeben, sondern darauf abgestellt, dass Arbeitgeber und Betriebsrat Auswahlrichtlinien im Sinne von § 1 Abs. IV KSchG später oder zeitgleich - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste – ändern können. Sofern sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinwegsetzen, gelte die Namensliste. Das BAG hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, da aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts nicht feststehe, ob die Kündigung wirksam ist. Weitere Informationen zum Thema „Namensliste“ finden Sie hier.
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BAG: (Ausnahmsweise) Verwirkung des Rechts zum Widerspruch gegen einen Betriebsübergang
Laut dessen Pressemitteilung Nr. 64/13 hat das BAG mit Urteil vom 17.10.2013 (8 AZR 974/12) festgestellt, dass ein Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang das Recht zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang verwirken kann. Im konkreten Fall hatte der Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB zunächst den Betriebserwerber auf Feststellung verklagt, dass zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Das BAG hat aus der Art und Weise der Prozessführung und Prozessbeendigung in dem ersten Verfahren geschlossen, dass der Arbeitnehmer sein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebsveräußerer im zweiten Verfahren verwirkt habe. Grundsätzlich - und daher dürfte es sich bei der Entscheidung um einen Ausnahme handeln - setzt die Verwirkung eines an sich bestehenden Rechts immer einen Umstands- und einen Zeitmoment voraus und sind die Anforderungen daher eher als hoch zu bezeichnen.
Weitere Informationen zum Thema "Betriebsübergang" finden Sie zu diesem Stichwort bei "FAQ".
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LAG Baden-Württemberg: Sachgrundlose Befristung auch bei längerer als 3-jähriger Unterbrechung unzulässig
Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.09.2013 (6 Sa 28/13) festgestellt, dass eine sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. II TzBfG auch dann unzulässig ist, wenn mehr als 3 Jahre zwischen einer vorherigen Beschäftigung und der neuen Beschäftigung beim selbem Arbeitgeber liegen.
Mit dieser Entscheidung stellt sich das LAG gegen eine jüngere Entscheidung des BAG (Urteil vom 06.04.2011 - 7 AZR 716/09), wonach bei mehr als 3-järiger Unterbrechung nicht mehr von einer "Vorbeschäftigung" gesprochen werden kann, d.h. eine neue, sachgrundlose Befristung mit dem selben Arbeitgeber grundsätzlich zulässig ist. Da das LAG die Revision zugelassen hat, bleibt abzuwarten, wie das BAG nunmehr entscheiden wird.
Siehe zum Thema "Befristung" auch bei FAQ.
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BAG: Tatsächliche Durchführung entscheidet im Zweifel darüber, ob ein Arbeitsvertrag oder Werkvertrag vorliegt
Die Arbeitsgerichte müssen sich immer wieder mit der Frage befassen, worauf es bei der Unterscheidung zwischen einem Arbeitsvertrag und einem Werkvertrag ankommt. Das BAG hat nunmehr laut Pressemitteilung Nr. 55/13 mit Urteil vom 25. September 2013 - 10 AZR 282/12 - erneut zur Abgrenzung von Arbeits- und Werkvertrag darauf hingewiesen, dass anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls die Feststellungen zu treffen sind. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist das tatsächlich Gelebte maßgebend.
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BAG: Befristeter Arbeitsvertrag mit "Optionskommune" (unwirksam)
Laut der Pressemitteilung Nr. 53/13 hat das BAG mit Urteil vom 11.09.2013 (Az.: 7 AZR 107/12) die Frage verneint, ob Kommunen die Befristung von Arbeitsverträgen mit ihren Arbeitnehmern allein mit der „Experimentierklausel“ des § 6a SGB II rechtfertigen können. Dazu hat das BAG darauf hingewiesen, dass eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nur wirksam ist, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Hierzu müsse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht.
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ArbG und LAG Düsseldorf: Kein dreibeiniger Hund im Büro
In einer - nunmehr rechtskräftigen - Entscheidung musste sich das ArbG Düsseldorf - ernsthaft - mit der Frage befassen, ob ein Arbeitnehmer seinen Hund mit in das Büro des Arbeitgebers mitbringen durfte. Das ArbG hat diese Frage mit Urteil vom 04.09.2013 (8 Ca 7883/12) verneint. Dabei spielte entgegen der auch von mir gewählten Überschrift keine Rolle, dass der Hund nur drei Beine hatte. Entscheidend war, dass sich Mitarbeiter und Geschäftsführung durch den Hund bedroht fühlten.
Grundsätzlich dürfte jeder Arbeitgeber im Rahmen seines Hausrechts frei entscheiden können, ob er den Mitarbeitern das Mitbringen von Haustieren zur Arbeit gestattet oder nicht. Etwas anderes könnte sich womöglich ergeben, wenn dies von dem Arbeitgeber ausdrücklich oder stillschweigend längere Zeit lang erlaubt wurde oder z.B. anderen Mitarbeitern gestattet (Gesichtspunkt Gleichbehandlung). Dies war wohl in dem konkret zu entscheidenden Fall so, änderte jedoch nichts daran, dass der Hund zu Hause bleiben musste, da man sich bedroht fühlte. Das LAG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 24.03.2014 (9 Sa 1207/13) diese Entscheidung bestätigt.
Wenn Sie einen Eindruck erhalten wollen, worüber man sich in diesem Zusammenhang weiter streiten kann, verweise ich auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart, wonach ein Hundehalter seinen Hund während der Arbeitszeit (auch) nicht im Fahrzeug einsperren darf, da dies dem Gebot der verhaltensgerechten Unterbringung widerspricht (Beschluss vom 18.09.2013, Az.: 4 K 2822/13). Wie aus den unterschiedlichen Gerichtsorten erkennbar, handelte es sich aber wohl nicht um den selben Hund(ehalter).
Um in der Reihe der "skurrilen" Entscheidungen mit Hundebezug fortzusetzen, verweise ich auf eine Entscheidung des VG Hannover (Beschluss vom 15.09.2014, Az.: 11 B 11675/14), wonach schon das nur einmalige Anleiten von Hunden und Hundehaltern durch einen gewerbsmäßig tätigen Hundetrainer im Rahmen einer Veranstaltung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis bedürfe, da es schon dadurch zu nachhaltigen negativen Auswirkungen für das Wohlbefinden und Verhalten der Hunde kommen könne.
Auch eine neuere Entscheidung des AG München bestätigt, dass auch die Gerichte auf den "Hund" gekommen sind. So hat das AG München mit Beschluss vom 20.10.2017 (Az.: 182 C 20688/17) einen Eilrechtsschutz gegen einen vom Geschäftspartner ins Büro mitgebrachten Hund verneint (dieses Mal ging es um einen 6 Monate alten Rauhaardackel, der immer auf dem Platz des anderen - klagenden - Geschäftspartners saß. Wirklich interessant, worüber man (auch) streiten kann.
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BAG: Diskriminierung durch fehlende Einladung zum Vorstellungsgespräch für einen schwerbehinderten Bewerber
Das BAG hat sich in einem Urteil vom 22.08.2013 (Az.: 8 AZR 563/12) mit einem Aspekt der Behandlung von Bewerberbungen Schwerbehinderter im Öffentlichen Dienst befasst und folgende Grundsätze aufgestellt:
1. Ein öffentlicher Arbeitgeber hat, wenn sich ein schwerbehinderter Mensch um eine ausgeschriebene Stelle beworben hat, diesen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn diesem nicht die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fehlt (§ 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX).
2. Unterbleibt eine solche Einladung, so ist dies grundsätzlich ein Indiz für die Vermutung einer Benachteiligung des schwerbehinderten Bewerbers wegen seiner Behinderung, wenn seine Bewerbung erfolglos geblieben ist.
3. Diese Vermutungswirkung entfällt nicht dadurch rückwirkend, dass der öffentliche Arbeitgeber nach einem entsprechenden Hinweis durch den schwerbehinderten Bewerber die zunächst unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nachholt.
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LAG Baden-Württemberg: Abgrenzung zwischen Dienst- oder Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
Das LAG Baden-Württemberg hat sich laut Pressemitteilung mit Urteil vom 01.08.2013 (2 Sa 6/13) u.a. mit dem Thema der Freien Mitarbeit im Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerüberlassung befasst. Es hat dabei festgestellt, dass es vor allem darauf ankomme, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert werden und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten würden. Es komme nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt werden würden.
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BAG: Vertragliche Ausschlussfrist für Ansprüche aus Arbeitsverhältnis gilt nicht für Vorsatzhaftung
Das BAG hat laut Pressemitteilung Nr. 42/13 mit Urteil vom 20.06.2013 (Az.: 8 AZR 280/12) u.a. festgestellt, dass „eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Ausschlussfrist … regelmäßig dahin auszulegen (ist), dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll. Eine Anwendung auch für die Fälle, die durch gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, ist dagegen regelmäßig gerade nicht gewollt."
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ArbG Berlin: Schadensersatzanspruch wegen vor Arbeitsaufnahme bereits wieder gekündigten Arbeitsverhältnis
Das ArbG Berlin hat mit Urteil vom 29.05.2013 (55 Ca 18019/12) bestätigt, dass sich ein Arbeitgeber - ausnahmsweise - auch dadurch schadensersatzpflichtig machen kann, dass er durch unzutreffende Angaben einen Arbeitnehmer zur Begründung des "neuen" - und Kündigung des alten - Arbeitsverhältnisses verleitet. Im entschiedenen Fall hatte der beklagte Arbeitgeber ein prosperierendes Arbeitsverhältnis versprochen - woraufhin der Kläger den Arbeitsvertrag schloss und sein bisheriges Arbeitsverhältnis kündigte - und der Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnis noch vor Arbeitsbeginn "wegen schlechter wirtschaftlicher Lage" wieder aufkündigte.
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BAG: Dauer der Arbeitszeit bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung
Das Bundesarbeitsgericht hat laut Pressemitteilung Nr. 34/13 folgendes festgestellt: Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach ihr bemessen sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte (Urteil vom15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12)
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BAG: Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden
Das BAG hat sich wiederholt, u.a. mit Urteil vom 10.04.2012 (5 AZR 122/12) mit den - in der Praxis sehr hohen - Anforderungen auseinandergesetzt, die vorliegen müssen, wenn ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden verlangt. Das BAG stellt darauf ab, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, der Arbeitnehmer trägt. Siehe zu diesem Thema ggf. auch bei "FAQ".
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LAG Hamm: Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche nach einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ist keine Erfüllung des Urlaubsanspruchs
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EugH zum Inhalt des Urlaubsanspruchs stellt die Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche nach einer außerordentlichen fristlosen Kündigung keine Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers dar. (Leitsatz des Gerichts) LAG Hamm, Urteil vom 14.03.2013 - 16 Sa 763/12
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LAG Köln: "Letzte" Abmahnung nach zahlreichen vorherigen muss "eindringlich" sein
Das LAG Köln hat mit Urteil vom 12.03.2013 (Aktenzeichen: 11 Sa 919/12) folgenden Leitsatz aufgestellt: Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen zahlreich abgemahnt muss er unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, damit der Arbeitnehmer die in der Abmahnung enthaltene Drohung noch ernst nehmen kann.
Weitere Hinweise zum Thema "Abmahnung" finden Sie beim entsprechenden Stichwort im Bereich FAQ.
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BAG: Freiwilligkeitsvorbehalt beim Weihnachtsgeld
1. Allein die Bezeichnung eines Weihnachtsgeldes im Arbeitsvertrag als "freiwillige soziale Leistung" genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auszuschließen. 2. Wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In der Kombination eines solchen vertraglichen Anspruchs mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB). (Orientierungssätze des Gerichts) BAG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 AZR 177/12
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ArbG Berlin: Abmahnung auch bei fristloser Eigenkündigung des Arbeitnehmers erforderlich?
Leitsätze:
1. Auch die Wirksamkeit einer fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) wegen Vertragsverletzung des Arbeitgebers setzt in aller Regel dessen vorherige vergebliche Abmahnung voraus (s. § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB). (amtlicher Leitsatz)
2. Hiervon ist der Arbeitnehmer nicht allein deshalb ohne Weiteres entbunden, weil das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers in der längeren Zuweisung von Überarbeit in einem Umfange besteht, der die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschreitet. (amtlicher Leitsatz)
ArbG Berlin: Teilurteil vom 04.01.2013 28 Ca 16836/12, 28 Ca 19455/12, 28 Ca 19455/12
"Auch ein Auszubildender muss vor dem Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Eigenkündigung wegen Vergütungsverzugs des Ausbilders diesen grundsätzlich vorher abmahnen. Der Warnfunktion einer solchen Abmahnung genügt es nicht, wenn der Auszubildende für den Wiederholungs-/Fortsetzungsfall der Pflichtverletzung lediglich mit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts droht." (ArbG Trier, Urt. v. 15. 8. 2013 – 3 Ca 403/13)
Siehe zum Thema auch bei FAQ.
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